Cup oder nicht Cup? Bei Redaktionsschluss hatte Ernesto Bertarelli die Möglichkeit einer Teilnahme noch nicht ganz ausgeschlossen, obwohl er offensichtlich lieber auf Mehrrümpfern segelt. Seine Leidenschaft für die Multis hat ihn zu einem der wichtigsten Akteure der Segelszene im In- und Ausland gemacht. Mit den GC32, den D35, der Nachwuchsförderung und der Entwicklung neuer Projekte hat der umtriebige Geschäftsmann auch in den kommenden Jahren alle Hände voll zu tun.
Glauben Sie, dass die Innovationen den Segelsport attraktiver machen? Können dadurch mehr Mitglieder gewonnen werden?
Ja, auf jeden Fall. Machen Sie die Probe aufs Exempel! Stellen Sie ein Kind vor einen Foiler- Moth und vor eine traditionelle Jolle wie den Laser oder den 420. Was glauben Sie, für welches Boot entscheidet es sich? Der technologische Quantensprung in den letzten zehn Jahren hat den Segelsport grundlegend verändert. Heute engagieren sich sogar hype Marken wie Red Bull im Segelsport. Sie stehen für Extremsport, den sie mit vielen Events sponsern. Ihr Interesse fürs Segeln weckt die Neugier der Jugendlichen und wirkt motivierend. Ich sehe das auch bei dem Projekt, das ich zusammen mit Nicolas Grange auf die Beine gestellt habe und mit der Fondation Bertarelli unterstütze. Es ermöglicht Jugendlichen mehrerer Segelclubs am Genfersee, erste Foilingerfahrungen auf den Nacra 15 zu machen. Vier Clubs besitzen bereits je zwei Boote, das ist ein vielversprechender Anfang!
Wie würden Sie das Konzept des 36. America’s Cups mit dem Projekt einer AC50-Tour vergleichen?
Dass der Defender einen grossen Entscheidungsspielraum hat, gehört nun mal zum America’s Cup. Das schliesst auch die Wahl des Bootes ein. Dadurch sind in kürzester Zeit grosse technologische Fortschritte möglich, die Folgen sind aber nicht zu unterschätzen. Bei jedem Wechsel des Bootstyps wird der Wettkampf vom Wasser auf das Zeichenbrett verlagert. Dadurch werden einige Teams mit weniger konkurrenzstarken Booten vor vorneherein ins Abseits manövriert und der Wettkampf wird weniger spektakulär. Ausserdem stellt sich ein Budgetproblem. Die Kosten steigen ins Unermessliche, was die Zahl der möglichen Teilnehmer stark einschränkt. Und weniger Syndikate bedeutet weniger Sponsoren. Die Entscheidungsträger des nächsten AC Cups wollen nach eigenen Angaben auf revolutionären Foilerjachten segeln, was die Teams vor grosse technologische Herausforderungen stellt. Um die Kosten im Rahmen zu halten, sollen eventuell Einheitsboote zum Einsatz kommen. Doch diese Idee der Neuseeländer und der Italiener ändert nicht viel, denn auch die One-Design-Jachten müssen zuerst entwickelt werden. So oder so wird wieder bei null angefangen.
Ich persönlich würde mir mehr Beständigkeit wünschen, damit der Anlass wachsen und das Niveau auf dem Wasser steigen kann. In diesem Sinn könnte es interessant sein, die AC50 weiterzuverwenden. Die Klasse hat sich inzwischen gut weiterentwickelt und ist gereift. Sie garantiert enge und packende Wettkämpfe. Die AC50, die aus den AC72 von 2013 hervorgegangen sind, wurden nur an einem einzigen Cup eingesetzt. Zum Vergleich: 2007 in Valencia segelten wir auf der 5. Version der Class America!
Um es anders auszudrücken: Indem die Cuporganisatoren die faszinierenden AC50 zugunsten eines anderen, erst noch zu entwickelnden Bootstyps ausmustern, ebnen sie den Weg für einen Parallelcircuit. Ich fände es schade, wenn der Hightech-Profisegelsport gespalten würde.
Und wie entscheidet sich Alinghi?
Ich kann mich momentan noch nicht dazu äussern. Zuerst müssen alle Einzelheiten bekannt sein (Anm.d.Red.: Bei Redaktionsschluss waren die Bauvorschriften noch nicht vollständig veröffentlicht). Vielleicht gehen Emirates Team New Zealand und Luna Rossa ja nochmals über die Bücher, weil die Designer die Idee nicht umsetzen können oder das Konzept die Challenger nicht zu überzeugen vermag. Was die mögliche AC50-Tour angeht, so wurden wir wie alle anderen grossen Segelteams kontaktiert, aber sie steht nicht auf unserem diesjährigen Programm.
Sie werden an den Extreme Sailing Series teilnehmen. Es gibt momentan zwei GC32-Touren, die parallel zueinander laufen, aber Mühe haben, zu wachsen. Wo liegt das Problem?
Beide Touren haben ihre Besonderheiten und unterscheiden sich in Bezug auf die Zahl der Regatten, der Austragungsorte, der Partner und der Länge der Kurse. Trotzdem weisen sie aber viele Gemeinsamkeiten auf, angefangen beim Boot, das sehr strengen One-Design- Vorschriften unterliegt. Ich bin der Meinung, dass es im Interesse der Organisatoren wäre zusammenzuarbeiten und ein gemeinsames Grundprogramm anzubieten, zumindest für die Regatten in Europa, wo die grosse Mehrheit der Flotte stationiert ist. Dadurch wären jeweils mehr Boote am Start, das Niveau würde steigen und auch die Bereitschaft möglicher Partner sich an der Seite der Teams und Veranstalter zu engagieren, wäre vermutlich grösser. Die Organisation einer WM, die dank der Anerkennung der GC32-Klasse durch World Sailing möglich wird und alle Akteure der beiden Touren zusammenbringt, ist diesbezüglich ein guter Anfang. Eine Idee wäre auch ein Europameistertitel, der an das beste Team aus mehreren, von den beiden Touren gemeinsam durchgeführten Wettkämpfen vergeben würde.
Welche Ziele haben Sie für 2018?
2017 sind wir an der Genève-Rolle-Genève eine Sekunde am Grand Slam der D35 Trophy vorbeigeschrammt. Wir haben sie zum 6. Mal gewonnen und an der Bol d’Or mit Alinghi den 7. Sieg eingefahren. Wir hoffen, dass wir dieses Jahr – das 15. bei den D35 – mindestens ebenso viel Erfolg haben und zum 80-Jahr-Jubiläum der Bol d’Or vielleicht sogar unseren 8. Sieg feiern können. Das wäre ein schönes Symbol! Mit dem GC32 werden wir erneut die Extreme Sailing Series segeln. Wir sind überzeugt, dass momentan keine andere auf One-Design-Foilerbooten ausgetragene Tour ein so hohes Niveau bietet. Nach unseren Siegen in den Jahren 2008, 2014 und 2016 und dem 2. Platz im letzten Jahr wollen wir natürlich erneut an der Spitze mitmischen. Das gleiche Ziel haben wir uns für die erste WM der GC32 gesetzt. Sie findet Ende Mai auf dem Gardasee statt und soll rund 15 Boote umfassen.
Und für 2019?
2019 könnte die Genferseeregion einmal mehr beweisen, dass sie in vielen Bereichen und namentlich im Segelsport ein wichtiges Zentrum für Innovation und technologische Entwicklung ist. Ich bin stolz, mit Alinghi neben anderen Segel- und Technologiebegeisterten zu den Katalysatoren zu gehören.