Photos © Ian Roman / Anna-Lena Elled /Mark Lloyd
Welches wäre das fehlende Glied zwischen Simone de Beauvoir und Florence Arthaud? Elodie-Jane Mettraux setzt sich für einen Profi- Segelsport ein, in dem auch Frauen ihren Platz haben.
Die Zahl der professionellen Frauenteams kann man an einer Hand abzählen. Noch ernüchternder ist die Bilanz: Trotz mehrerer Achtungserfolge und grossem Medienecho konnte keine der Damencrews auf Dauer bestehen. An der Whitbread 1989/90 wurde die erste reine Frauencrew von Travy Edwards angeführt, 1995 bot America’s3, das erste nur aus Seglerinnen bestehende Syndikat des America’s Cups, dem legendären Dennis Conner die Stirn und 2001/2002 nahm das Damenteam Amer Sports Too unter der Leitung von Lisa Charles am Volvo Ocean Race teil. Im gleichen Jahr beendete Ellen MacArthur die Vendée Globe auf dem zweiten Platz und bewies damit der Welt, dass eine Frau an einem der härtesten Wettkämpfe der Welt über Männer triumphieren kann. Trotzdem vergingen zwölf Jahre, bis wieder eine reine Frauencrew in der Hochsee-Regattaszene mitmischte. Team SCA versuchte am Volvo Ocean Race 2014/15 die Männerbastion zu brechen.
Dabei ist der Segelsport eigentlich überhaupt keine reine Männersache. Frauen sind sogar sehr gefragt. Schliesslich funktioniert ein Team nur dank der verschiedenen Profile, Kompetenzen und Qualitäten. Im Unterschied zum 100-Meter-Lauf, wo eine Frau gegen die geballte Kraft eines Usain Bolt keine Chance hätte, wird zum Steuern eines Bootes oder für die Taktik vor allem der Kopf gebraucht. Woran liegt es also, dass es Frauen im Profi-Segelsport noch immer so schwer haben? Wir haben zusammen mit Elodie-Jane Mettraux nach den Ursachen geforscht.
Magenta girls
„Wir wollen verhindern, dass noch ein Jahrzehnt verstreicht, ohne dass eine Frau an der Spitze mitsegelt. Aus diesem Grund haben wir auch das Magenta Project auf die Beine gestellt“, erklärt Elodie. „Damit bieten wir Frauen, die auf Profiniveau Segelprojekte fördern möchten, eine gemeinsame Plattform, sei das im Bereich der Ausbildung oder bei der Suche nach Sponsoren.“ Seit dem letzten Volvo Ocean Race klappert Elodie zusammen mit ihren damaligen Teamkolleginnen Annie Lush (GBR), Sally Barkow (USA) und Abby Ehler (GBR) die Profitouren ab, um dort potenzielle Partner anzuwerben. Sportlich unterstützt Magenta Project bereits ein Team der World Match Racing Tour. Geplant war auch eine Damencrew am Volvo Ocean Race 2017, da sie aber das nötige Geld nicht auftreiben konnten, müssen sie auf einen Start an dieser Weltumsegelungsregatta verzichten. Schade, denn das Team SCA hatte an der Austragung von 2014/15 grosse Begeisterung ausgelöst.
„Man könnte meinen, ein Frauenteam sei attraktiver für die Sponsoren, weil es sich von den anderen Projekten unterscheidet, das ist aber ein Trugschluss“, stellt Elodie klar. Die Realität sei komplizierter: „Man darf nicht vergessen, dass der Segelsport grösstenteils von einem als Sponsoring verkleideten Gönnertum getragen wird und dass mit harten Bandagen um die Gelder gekämpft wird.“
Die Magenta Girls vertrauen deshalb nicht nur auf grosszügige Mäzene, sondern nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Dabei mangelt es aber nicht nur an Geld. „Was den Mädels fehlt, sind vor allem Erfahrung auf Hightech- Booten wie M32, GC32 und Mehrrümpfern im Allgemeinen“, sagt Elodie. „Unser Niveau ist nicht aus geschlechterspezifischen Gründen tiefer als das der Männer. Natürlich haben wir weniger Muskelkraft, vor allem aber fehlt uns die Praxis, denn Männerteams heuern sozusagen keine Frauen an, nicht einmal, wenn sie neue Besatzungsmitglieder oder Ersatzleute suchen. An der D35-Meisterschaft segeln nur sehr wenige Frauen mit und bei den M2 ist praktisch keine Frau dabei, obwohl ich Seglerinnen kenne, die problemlos das Zeug dazu hätten“. schildert Elodie die aktuelle Lage. Sie glaube aber nicht, dass Männer absichtlich keine Frauen aufnehmen. „Sie denken einfach nicht daran“, so ihre Einschätzung. Auch sie selbst erhält kaum Anfragen von Teams, die noch Verstärkung brauchen, obwohl sie in Seglerkreisen einen hervorragenden Ruf geniesst und mehrere Jahre auf der D35 Ladycat gesegelt ist. Zufall oder tief verankertes soziales Verhalten? Wie auch immer, die Magenta Girls wollen die Situation ändern und haben daher die Magenta Clinics lanciert. An diesen Trainingskursen für Regattaseglerinnen jeden Alters werden die Teilnehmerinnen ins Match Racing und ins Segeln von Hightech-Booten wie den M32 eingeführt.
Sind reine Frauenteams sinnvoll?
„Paradoxerweise bin ich keine absolute Verfechterin von reinen Frauenteams“, gesteht Elodie. „Ein gemischtes Segelteam aus Männer und Frauen kann genauso stark sein wie ein anderes. Aber es ist momentan die einzige Chance, zu Geld zu kommen, um im Profizirkus mitzumischen.“ Langsam komme jedoch Bewegung in die Sache, fährt Elodie fort: „Es tut sich etwas. Die dreifache Olympiateilnehmerin Nathalie Brugger zum Beispiel stösst dieses Jahr zu Realteam. In einem Männerteam ist ihr Profil eindeutig ein Plus.“ Das olympische Segeln geht in diesem Bereich als gutes Beispiel voran. Dank der Einführung der Mixed-Teams auf Nacra 17 profilieren sich Frauen, die künftig durchaus Hauptrollen übernehmen könnten. Da ist zum Beispiel die junge Neuseeländerin Gemma Jones, die in Rio als beste Steuerfrau den 4. Platz belegte.
Bestimmt werden einige den Segelsport weiterhin für eine Männersache halten, weil Kerle eben stärker sind. Dabei steht aber eins fest: Da Segeln sowohl eine körperliche als auch eine intellektuelle Angelegenheit ist, werden Verfechter des Status Quo zumindest auf einer Ebene den Kürzeren ziehen.