Traumhafte Reviere
Beim Anblick der Bilder in den Prospekten der Werften sind wir alle schon ins Schwärmen geraten. Sie zeigen spektakuläre Segelreviere und traumhafte Ankerplätze, einer schöner als der andere. Manche befinden sich am anderen Ende der Welt, aber längst nicht alle. Gilles Martin-Raget, der seit vielen Jahren für grosse Bootshersteller wie Beneteau, Jeanneau, Wally Yacht, Wauquiez, Fountaine Pajot sowie für Charterunternehmen als Fotograf tätig ist, verrät uns einige seiner Lieblingsorte im Mittelmeer. Um sie auch wirklich geniessen zu können, meiden Sie die Hauptsaison. Vom April bis Juni und von September bis Mitte Oktober geht es meist deutlich ruhiger zu. Haben Sie den Mut, die bekannten Hotspots links liegen zu lassen, denn es gibt bestimmt einen hübschen Ankerplatz oder ein schönes Revier in der Nähe. Viele warten nur darauf, entdeckt zu werden!
Sa Rapita (Mallorca)
Ein Schönwetterplatz im Süden Mallorcas, abseits der Touristenmassen. Dieser Küstenabschnitt der grössten Baleareninsel ist noch in einem ziemlich guten Zustand und frei von Hotelklötzen und anderen Bausünden. Sein riesiger weisser Sandstrand bietet Schutz vor Nordwest- bis Nordostwind. Der zuweilen starken mallorquinischen Thermik, die hier tagsüber regelmässig aufkommt, ist er jedoch hilflos ausgeliefert. Wer davon träumt, unter vollen Segeln durch türkisfarbenes Wasser zu gleiten, ohne sein Boot nach Bora Bora oder in die Bahamas verschiffen zu müssen, ist hier genau richtig.
Sperone (Korsika)
Die Strasse von Bonifacio gehört unter erfahrenen Weltumseglern zu den drei spektakulärsten Revieren überhaupt. Ob auf korsischer Seite oder im sardischen La-Maddalena-Archipel, man findet hier auch beim x-ten Besuch sowohl bei Ost- als auch bei Westwind immer ein neues Plätzchen. Besonders eindrucksvoll ist die Ankerbucht bei der Pointe de Sperone am südöstlichsten Zipfel Korsikas, nur einen Steinwurf von den Lavezzi-Inseln entfernt. Das satte Grün des darüber
liegenden Golfplatzes kontrastiert effektvoll mit dem türkisblauen Wasser vor den Klippen der Felsspitze. Bei Westwind ist man hier gut geschützt, bei Ostwind wechselt man einfach die Seite. Ausserhalb der Saison kann man sogar nahe an der Sandzunge ankern und zu Fuss von Korsika zur Insel Piana gehen. Versuchen Sie auf keinen Fall mit dem Boot durchzufahren, das Wasser ist hier wirklich extrem seicht!

KÜSTENSTREIFENS LES AGRIATES IM NORDEN KORSIKAS. ©Gilles Martin-Raget

DER COSTA BRAVA, BIETET ABER SCHLUPFLÖCHER, DIE AUF DEM LANDWEG NUR SCHWER ZU ERREICHEN SIND. ©Gilles Martin-Raget

MIT LANDLEINEN AUF ALLEN SEITEN FESTGEMACHT. DER WALLY 80 HAT SICH NUR FÜR EINE FOTOSESSION HINEINGEZWÄNGT. ©Gilles Martin-Raget
Insel Grebeni (Kroatien)
Die kleine Felsinsel ist kein Liegeplatz und Sie werden hier garantiert auch nicht den Anker werfen. Aber falls Sie in Kroatien in der Nahe von Dubrovnik segeln und ruhiges, sonniges Wetter herrscht – wirklich nur dann –, sollten Sie sich die winzige Passage zwischen der Insel Grebeni und dem daran anschliessenden Felsen nicht entgehen lassen. Die Passage ist eng, aber tief und kann nur mit Motor durchquert werden, denn das Boot wird bekalmt. Für alle, die den kleinen Thrill lieben.
Caprera (La-Maddalena-Archipel)
Eine weitere Destination, die Sie Ihrem Versicherer besser verschweigen. Wenn Sie auf Ausgefallenes stehen und Ihr Boot nicht zu gross ist (wobei Wally-Gründer Luca Bassani eine seiner 80-Fuss-Jachten für ein Foto hineinbugsiert hat), werden Sie diesen Ankerplatz lieben! Voraussetzung sind auch hier perfektes Wetter und etwas Vorbereitung, um das Boot mit genügend Landleinen in der Mitte der exklusiven Badewanne zu halten. Nicht ganz unwichtig: Sie müssen der Erste sein. Der Platz ist wirklich sehr beschränkt!
L’Estagnol (Rade d’Hyères)
Sie haben ein Faible für die Provence, aber keine Lust, sich in das Getümmel vor Porquerolles zu stürzen oder um eine der wenigen Vertäubojen im winzigen Hafens von Port-Cros zu streiten? Bei Ostwind oder stabilem Schönwetter finden Sie im nördlichen Teil der Reede von Hyères zwischen Londe und Cap Bénat Ihr Glück. Als Orientierungspunkt dienen die Ilots de l’Estagnol. Hier herrscht deutlich weniger Trubel, das Wasser leuchtet azurblau und die Nähe zum Fort de Brégançon, der Sommerresidenz des französischen Präsidenten, verhindert, dass sich die Segelnden daneben benehmen.
Sormiou (Calanques bei Marseille)
Regional- und Nationalparks schützen die Natur und sind daher von unschätzbarem Wert. Kehrseite der Medaille: Sie locken die Menschen in Scharen an und werden immer strenger reguliert. Der 2012 eingerichtete Parc National des Calanques vor Marseille macht da keine Ausnahme. Obwohl weltweit in allen Broschüren mit der Calanque d’En Vau geworben wird, darf man dort sozusagen nicht mehr ankern. Deshalb lieber zur Calanque de Sormiou. Sie ist erstens breiter und verfügt zweitens über ein Restaurant, in dem man den Abend ausklingen lassen kann. Ausserdem sind die Felsen rund herum gelöchert wie ein Schweizer Käse. Ein Paradies für Schnorchler! Die Grotte du Capelan, die sich durch die Landspitze von Sormiou gräbt, ist nur wenige Flossenschläge entfernt.



Cap de Creus (Costa Brava)
Das Revier im Osten Spaniens nahe der französischen Grenze hat einen schlechten Ruf. Wenn die Tramontana böenartig übers Wasser peitscht, wird das Kap tatsächlich so unpassierbar wie das Kap Hoorn am äussersten Zipfel von Feuerland. Bei ruhigem, schönem Wetter hingegen offenbaren seine Felsen viele faszinierende Schlupflöcher, in der es sich gut Verweilen lässt. Wer nordwärts unterwegs ist, findet am Cap Béar weitere fantastische Ankerplätze und kann anschliessend im malerischen Dorf Collioure haltmachen.
Kornaten (Kroatien)
Wer einmal dort ist, will nicht mehr weg. Ganz hinten in den Kornaten auf der Hauptinsel Kornat verbirgt sich an der Südküste ein echtes Juwel. Die Bucht bietet alles, was die Region ausmacht: eine karge Vegetation, geheimnisvolle Felsklippen, türkisfarbenes Wasser und, ganz hinten, drei einsame Häuser, bei denen man sich fragt, wer auf die Idee gekommen ist, an einem so abgelegenen Ort zu bauen. Er ist auch in der Hochsaison etwas weniger überlaufen als die
anderen Ankerplätze der Inselgruppe. Das Paradies auf Erden existiert wirklich. Jetzt wissen Sie, wo Sie danach suchen müssen.
Les Agriates (Korsika)
Im Nordwesten Korsikas, zwischen Île Rousse und Saint-Florent, liegt ein Küstenstreifen mit mehreren Ankerbuchten, die auf dem Landweg nur schwer zu erreichen sind. So bleiben sie vom Massentourismus verschont. Ein Traum … aber nur bei Windstille. Sobald der Mistral weiter westlich das Wasser aufwühlt, ist hier nichts mehr zu wollen. In der Hochsaison herrscht tagsüber ziemlich viel Verkehr. Abends kehren die kleinen Boote aus den Nachbarorten Malfacu, Ghignu und Saleccia in ihre Häfen zurück und es duftet wieder herrlich nach Macchia.
Cap Taillat (Côte d’Azur)
Saint-Tropez dürfte Ihnen ein Begriff sein. Das südfranzösische Jetset-Dorf wird im Sommer überrannt. Im Hafen machen sich Superjachten den Platz streitig und vor der Einfahrt stauen sich die Boote, weil alle gleichzeitig durch das Nadelöhr wollen. Kaum vorstellbar, aber unweit dieses Touristenmagnets finden sich tatsächlich ein paar lohnende Plätze. Einer davon ist das etwas weiter südlich gelegene Cap Taillat. In der Nebensaison (bis Juni oder ab September) zeigt sich die Region von ihrer schönsten Seite: naturbelassen, ruhig und im schönsten Türkisblau. Geankert werden kann in mehreren Buchten auf beiden Seiten der Halbinsel.
Île d’Or (Côte d’Azur)
Vielleicht kennen Sie den Tim- und Struppi-Band Die schwarze Insel. Was Sie vermutlich nicht wussten: Die Insel gibt es tatsächlich. Sie ist in Wirklichkeit rot und liegt bei Saint-Raphaël, am Fuss der spektakulären Felsen des Esterel-Gebirges, direkt unter dem Leuchtturm des Cap Drammont. Überragt von einem zeitweise bewohnten Turm versteckt sich ein idyllischer Liegeplatz, der wirkt, als wäre er aus der Zeit gefallen. Tagsüber ist man hier zwar nicht allein, aber kein Vergleich mit dem Rummel an der Côte d’Azur oder im Golf von Saint-Tropez.