Bestimmt haben auch Sie schon von der disruptiven Innovation gehört, die nach der Theorie des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter bestehende Technologien vollständig vom Markt verdrängen kann. Gunboat ist ein Paradebeispiel dieser „schöpferischen Zerstörung“. Ebenso wie die Dampfmaschine einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Eisenbahn und vielen anderen Innovationen geleistet hat, stammt das brandneue Gunboat 68 teilweise aus der Raumfahrt. Ein Blick auf das Rigg zeigt warum.
Sein Mast besteht aus extrem festen und soliden Hochmodul-Kohlefasern. Sie wurden in den 1970er-Jahren ursprünglich für die Raumfahrt entwickelt. Danach fand das speziell leistungsstarke Material auch im Flugzeugbau und bei den Masten der America’s-Cupper Anwendung. Mittlerweile ist es auf den Booten des High-End-Segments angekommen und vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis es auf Jachten der mittleren Preisklasse Einzug hält. Das Gunboat 68, das als Performance- Cruiser und als Racer angeboten wird, zeigt eindrücklich die Vorteile der hochtechnischen Kohlefaser. In der Regattaversion ist der Mast vier Meter länger (29 Meter). Dank des Hochmodul-Carbons konnte das Gewicht im Vergleich zur klassischen Kohlefaser um 15 Prozent reduziert werden. Die Kilos fallen an einer hoch gelegenen und somit ungünstigen Stelle weg, was dem Schwerpunkt zugutekommt. Ein weiterer Vorteil ist die aussergewöhnliche Steifigkeit. Sie verhindert, dass der Mast pumpt. Dadurch geht praktisch keine Spannung verloren, sodass das Grosssegel immer optimal steht. Im gleichen Streben nach Perfektion zwecks optimaler Performance hat Gunboat das Segeldesign und die Berechnungen der Mastbiegung direkt in den Gestaltungsprozess integriert. Dieses Vorgehen dient dazu, die Segelmitte genauer zu positionieren, wird aber in der Regel nur im Regattasport auf Weltklassniveau verwendet. Im Einklang mit diesem Qualitätsanspruch wurden die Segel vom renommierten JB Braun von North Sails gezeichnet. Seine Segel haben bereits mehrere America’s Cups, Volvo Ocean Races und olympische Titel gewonnen.
Das Abheben hinauszögern
Die Philosophie der Marke hat jedoch nicht nur Befürworter und löst in einschlägigen Kreisen hitzige Debatten aus. Im Zentrum steht die Frage, wie weit ein Cruiser auf Performance getrimmt werden soll. Benoit Lebizay, der Maznaging Partner bei Gunboat, will vor allem eins: Eskalationen vermeiden. „Wir wurden innerhalb der aktuellen Flotte Zeuge einer Art Leistungskriegs. Der kann dazu führen, dass die Boote aus Extremste aufgerüstet werden. Einige können schon bei weniger als 15 Knoten wahrem Wind auf einem Bein segeln. Da dieses Vorgehen der Markenphilosophie widerspricht, haben wir Massnahmen getroffen, um ein hohes Leistungsniveau zu gewährleisten, bei dem das Boot aber unter Kontrolle bleibt.“ Die erste bestand darin, den Abstand zwischen den Rümpfen zu vergrössern. Dadurch wird das Aufrichtmoment erhöht und das Abheben hinausgezögert. Um den unterschiedlichen Erwartungen der Kunden dennoch bestmöglich gerecht zu werden, hat sich die Werft entschieden, zwei Alternativen anzubieten. Laut Angaben der Hersteller ist die Regattaversion am Wind rund 12 Prozent und vor dem Wind rund 20 Prozent schneller als der Performance-Cruiser. Dank verlängertem Drehmast, Hydrauliksystem und stehendem Gut aus ECsix- Kohlefaser, die eine deutlich längere Lebensdauer als herkömmliches Material hat, wird sie zudem spritziger sein und sollte auf Reaching-Kursen ab 16 Knoten wahrem Wind auf einem Rumpf segeln. Der etwas zahmeren Fahrtenvariante mit kürzerem Mast soll das natürlich ebenfalls gelingen, sie braucht dazu lediglich etwas mehr Wind. In beiden Fällen ist seglerisches Fingerspitzengefühl gefragt. Der künftige Skipper des Gunboat muss spüren, wann es Zeit ist, auf die Bremse zu treten. Wer das im Hinterkopf behält, kann die Zügel lockern und schauen, was der Gaul draufhat!