Vier Stunden wartet Jobst Richter auf dem Wasser und sucht nach Wind. Der 60-jährige Organisationsleiter der Kieler Woche leidet am Dienstag, den 19. Juni, mit den Teilnehmern an der Kieler Woche (16. bis 24. Juni). Eine einzige Wettfahrt bei den 49ern konnte am Vormittag gesegelt werden, danach herrschte Flaute und alle weiteren Wettfahrten wurden verschoben. Um 15 Uhr dann die Absage auf sechs Bahnen, allein die paralympische 2.4 mR-Klasse und die 49er durften kurz vor 16 Uhr noch einen Versuch starten. „Auch das gehört zum Segeln. Wir versuchen, alles möglich zu machen, aber wenn das Wetter gar nicht mitspielt, geht eben nichts“, so Richter, der nach 26 Jahren Kieler Woche sein Amt am Sonntag an Peter Ramcke (54) übergibt und dann selber mehr segeln möchte.
„Es war eine schöne, interessante und unvergessliche Zeit, die ich der Kieler Woche verdanke, und es ist ganz bestimmt ein komisches Gefühl, wenn ich im nächsten Jahr im Juni nicht auf der Förde bin, aber seit 26 Jahren träume ich davon, im Sommer durch die schwedischen Schären zu segeln und dort die Mitternachtssonne zu erleben. Im kommenden Jahr werde ich mir diesen Traum erfüllen“, so der 60-jährige Organisationsleiter der Kieler-Woche-Regatten, der nach acht Jahren in der ersten Reihe das Zepter abgibt.
Jobst Richter ist seit 1986 bei der Kieler Woche im Veranstalter-Team, trat 1991 dem Regattaausschuss und dem Kieler Yacht-Club bei und übernahm 2005 die Organisationsleitung von Dieter Rümmeli. Doch nach Otto Schlenzka und Dieter Rümmeli, der den Regattaausschuss einführte, wurde nun die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt. „Die Arbeit wurde ja auch immer mehr. Daher war es folgerichtig, dass wir auch die Verantwortung aufgeteilt haben“, so Richter, der den Ruf eines absoluten Teamplayers genießt. „Teamarbeit ist mir wichtig, denn das Wichtigste ist das Team. Ohne Regattaausschuss und die rund 300 ehrenamtlichen Helfer während der Kieler Woche wäre diese Veranstaltung bei aller Professionalisierung nicht zu schaffen“, so Richter, der bereits unter Dieter Rümmeli als absoluter Regattafachmann besonderen Respekt genoss.
Sein Wort galt in dem Ausschuss, in dem alle gleich sind, schon immer mehr. Richter war gleicher als andere – zu groß sein Fachwissen und seine Kompetenz. Dabei drängte er nie in die Öffentlichkeit. Der zweifache Familienvater ist eher der Macher im Hintergrund. Ob es um die Erweiterung um eine Bahn ging oder die Aufnahme einer neuen Klasse, darum, ob drei oder doch nur zwei Klassen auf eine Bahn passten oder ob die Bahnlängen zur Debatte standen – Richter fällte das Urteil. Und das wurde von Organisatoren wie Sportlern gleichermaßen akzeptiert. Entscheidungen zu fällen, das war der Timmdorfer (bei Malente-Gremsmühlen) gewohnt in seinem Job bei der SAP Basis Administration bei Dräger und später bei Capgemini Systems Nord mbH.
Nachdem klar war, dass Dieter Rümmeli nach 20 Jahren aus beruflichen Gründen die Kieler Woche-Organisation nicht mehr führen konnte, war es für Richter keine Frage, auf Bitten des Ausschusses und des KYC die Verantwortung zu übernehmen.
Doch nach acht Jahren ist für ihn seine Zeit abgelaufen. „Ich habe Nachfolger gefunden, und mit Sven Christensen, Peter Ramcke und Ecky von der Mosel stehen das Führungsteam und der Regattaausschuss ja ohnehin“, so Richter, der die Kieler Woche in eine neue Dimension geführt hat.
„Wir haben die Kieler Woche in den vergangenen Jahren wirklich weit nach oben gebracht. Es ist eine Großveranstaltung, neudeutsch ein Event, aber wir haben den Kontakt zu den Seglern nicht verloren. Die Aktiven sind Grundlage der Kieler Woche, die in der obersten Liga spielt“, blickt Richter auf erfolgreiche Jahre zurück. Diese enorme Qualität der Kieler Woche, die gelungenen Großereignisse wie J80-WM, Rolex Baltic Week und die erfolgreiche Nachwuchsarbeit mit der Positionierung des Pfingstbusches als Young Europeans Sailing, als die Kieler Woche des Nachwuchses, sowie die Internationale Deutsche Jüngstenmeisterschaft zählt Richter auf, wenn er von Spaß und Freude als Organisationsleiter spricht. Die Arbeit mit dem Weltsegler-Verband (ISAF) und die Unplanbarkeit bei den ISAF-Entscheidungen gehören zu den wenigen negativen Erlebnissen.
Da Richter weiterhin Vorsitzender des Wettsegel-Ausschusses des Deutschen Segler-Verbandes bleibt, geht sein Wissen dem Segelsport nicht ganz verloren. Und noch bleiben ja fünf Tage bis Sonntag in der ersten reihe der Kieler-Woche-Organisation.