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Mini-Transat 2017: Mini-Segler mit Überraschungspotenzial

von Quentin Mayerat

Valentin Gautier bereitet sich seit zwei Jahren rigoros auf die Mini-Transat vor. Bevor er am 1. Oktober 2017 mit seiner Shaman – Banque du Léman an den Start geht, hat der Genfer Skippers in einem persönlichen Gespräch mehr über sich und sein Projekt erzählt.

Mini-Transat1In den letzten zwei Jahren hat Valentin Gautier mit seiner Pogo 3 viele Hochs und Tiefs erlebt. Er segelte mehrfach in die Top 10 und gewann im April souverän das Pornichet Select, musste aber auch reihenweise Havarien einstecken. Sein Bugspriet liess ihn im Stich, eine Backstage gab den Geist auf und beim Training verursachte er eine Kollision. Sogar einen blockierten Rücken musste er verkraften. Seine konstanten Resultate und seine gewissenhafte Vorbereitung machen den Outsider aber zu einem möglichen Überraschungskandidaten.
Sein Schlüsselerlebnis hatte Valentin Gautier 2015, bei der Überführung der Class40 Teamwork. Er befand sich gerade irgendwo zwischen Salvador de Bahia und den Bermudas, als es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel: Er hatte Freude am Offshore-Segeln und wollte es zu seinem Beruf machen. Heute, zwei Jahre später, steht er kurz davor, den Schlüssel zu seiner Wohnung in Commugny (VD) abzugeben, um sich in der Nähe seiner in Lorient stationierten Shaman häuslich einzurichten. Sein Hauptsponsor, die Banque du Léman, hat ihm bis 2019 seine Unterstützung zugesichert. Dadurch kann der Genfer nach seiner ersten Mini-Transat in diesem Jahr ohne unnötigen Druck die Zukunft planen und sich darauf konzentrieren, dann, wenn es darauf ankommt, sein Potenzial abzurufen. Davon hat er eine ganze Menge. Wie sonst hätte aus einem Nobody in nur eineinhalb Jahren eine der grossen Schweizer Nachwuchshoffnungen im Hochseesegelsport werden können?

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Alles, nur keine Wettkämpfe

Valentin hat Segeln im Blut. Beide Eltern sind Segellehrer und Valentin ist sozusagen auf dem Boot grossgeworden. Wettkampfgeist war für ihn aber lange ein Fremdwort. „Meine Eltern haben mich auf eine Privatschule geschickt, in der keine Noten verteilt wurden. Konkurrenzdenken war zuhause ein Tabuthema, meine Eltern lehnten es aus philosophischen Gründen kategorisch ab. Heute sind sie aber meine grössten Fans“, erzählt Valentin. Aus diesem Grund hat er auch nicht den klassischen Werdegang eines Regattaseglers eingeschlagen und ist nicht über den Optimist oder den Laser zum Hochseesegeln gekommen. Und trotzdem: „Der Abneigung meiner Eltern zum Trotz schlummerte der Wettkampfgeist schon immer in mir. Ich habe als Kind Segelhefte gelesen und war von Hochseeregatten und der hohen See fasziniert.“ Er selbst hat sich viele Gedanken über seine heutige Berufswahl gemacht. Gelegenheit dazu hatte er bei seinen Einhandabenteuern zur Genüge. „Eigentlich ist der Wunsch, schneller zu segeln als die anderen, ein Problem des Ego und völlig absurd. Die beste Antwort, die ich darauf gefunden habe, ist folgende: Im Wettkampf stösst man an Grenzen, die man sonst nie erreichen würde.“
Heute ist der 30-Jährige Leistungssportler mit Leib und Seele. Als Teammitglied sieht sich der Autodidakt aber weniger, er zieht Ein- oder Zweihandregatten vor. Zwei auf einem Boot sind für ihn mehr als genug. Dennoch schloss er sich vor sechs Jahren dem Genfer Centre d’Entraînement à la Régate an, um Erfahrungen zu sammeln und sich mit den Surprise des Trainingszentrums auf Regatten wie die Translémanique en Solitaire oder die 5 Jours vorzubereiten. Ende 2015 wagte er dann den grossen Schritt und erstand in der Werft Pogo Structures ein eigenes Boot.

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Nicht der Schlechteste

Es ist kein Zufall, dass der Mini-Circuit als Einstiegsklasse fürs Profisegeln gilt. Die Anforderungen sind die gleichen wir bei einem grossen Projekt, nur im Massstab 1:6.50. Kommunikation, Buchhaltung, Vorbereitung, Logistik – alles muss minuziös geplant werden. Zum Glück gehört Valentin zu jenen Teufelskerlen, die alles, oder zumindest vieles können. Um ein Mini-Projekt durchzuziehen, muss man vielseitig begabt sein. Bescheiden meint Valentin: „Ich glaube nicht, dass ich in einem Bereich besonders gut bin. Ich bin weder ein sehr guter Regattasegler noch ein guter Kommunikator. Aber meines Erachtens ist ein guter Skipper jemand, der in allen Bereichen so gut wie nur möglich, oder, um es überspitzt auszudrücken, nicht der Schlechteste ist.“ Mini-Segler müssen sich regelrecht aufsplitten und dabei den sportlichen Aspekt nicht vernachlässigen. Für alles Übrige, wie Wetterprognosen, Elektronik, Ernährung, Schlafmanagement und medizinische Aspekte, nimmt Valentin wie viele seiner Kollegen die Hilfe der Vereinigung Lorient Grand Large in Anspruch. Der Regattapool wird von der Agglomeration Lorient gefördert und unterstützt eine ganze Reihe Segler mit unterschiedlichsten Projekten. „Ich musste auf der Pogo 3 vieles lernen. Das Boot ist neu, ich wusste so gut wie nichts über die Geschwindigkeitsdaten, die Winkel und die Cross-Over. Zusammen mit den fünf, sechs anderen Pogo-3-Seglern habe ich mich letzten Winter stark mit diesen Faktoren befasst und, so glaube ich, die Flotte ein grosses Stück weitergebracht“, sagt Valentin. Mittlerweile kennt er seine moderne Serien-Mini bis in den hintersten Winkel und kann sich an der bevorstehenden Transat ernsthafte Hoffnungen auf eine Spitzenplatzierung machen: „Auf manchen Kursen bin ich eindeutig schneller als die anderen, auch wenn ich manchmal etwas länger brauche, um das gewünschte Tempo zu erreichen“, schätzt er seine Situation ein. Vor allem aber verfügt Valentin mit seinem Code 5 über einen wichtigen Trumpf. Dieses speziell fürs Reaching gemachte Vorsegel könnte ihm auf der Fahrt zu den Kanaren Auftrieb geben und sich bei Starkwind im Atlantik zum Reduzieren der Segelfläche als nützlich erweisen.


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Vier Schweizer am Start

Neben Valentin Gautier werden drei weitere Schweizer in La Rochelle am Start sein. Simon Koster (den wir nicht mehr vorstellen), bestreitet bereits seine dritte Mini-Transat. Sein Prototyp Eight Cube ist nicht mehr mit Foils, sondern mit geraden Schwertern ausgestattet. An der Transgascogne, die ihm als Hauptprobe diente, segelte er damit hinter der unbesiegbaren Griffon auf Platz 2. Yann Burkhalter hat von Justine Mettraux und Patrick Girod die Mini-Jacht Nacira übernommen. Sie hat bereits einige Jahre auf dem Buckel und wird gegen die neueren Minis mit rundem Bug wohl kaum etwas ausrichten können. Dennoch strebt Yann eine Top-3-Platzierung an. Marcel Schwager, der vierte im Bund, geht mit einem Amateurprojekt an den Start.

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