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Mit 80 noch voll im Schuss

von Quentin Mayerat

Die Lacustre-Dynastie zeigt auch im hohen Alter keine Beschwerden. Zum Jubiläum der Klasse zelebrierte der Yacht Club Rapperswil für die 40 teilnehmenden Jachten eine würdige Schweizermeisterschaft und stellte mit Enrico De Maria auch den neuen Schweizermeister.

Um die Bol d’Or zu gewinnen, präsentierte Ingenieur Henri Copponex im Jahr 1938 der vornehmen Genfer Szene eine 9,5 Meter lange, schlanke Jacht mit hoch geschnittenem Grossegel und weit nach achtern reichender Genua. Das Boot begeisterte nicht nur die Segler auf dem Genfersee. Nach dem Krieg soll ein Kreuzlinger Fabrikant namens Rutishauser das Lacustre-Virus am Bodensee verbreitet haben. Und das ist bis heute virulent: «Das Boot ist nicht nur ein geglückter Wurf, es ist wie geschaffen für die Verhältnisse auf dem Bodensee», erklärt Stefan Frank vom Lindauer Segelclub, einer der aktivsten Akteure in der Szene. «Der Lacustre läuft schon bei wenig Wind mit der Genua relativ gut, mit der Fock kann er dank des hohen Freibords aber auch bei Windstärken bis zu 7 Beaufort relativ sicher gesegelt werden.» Dass ein Deutscher eine Schweizer Einheitsklasse segelt, findet Frank überhaupt nicht aussergewöhnlich: «Hier gibt es keine SUI, AUT oder GER auf den Segeln. Wir sind eine Familie, die den Lacustre ‘eingemeindet’ hat.» Den Beweis dafür liefert er gleich selbst: Er bestritt die SM als Deutscher auf einem Schweizer Boot und lässt sich seinen neuen Lacustre von einer österreichischen Werft bauen.
Gut 270 Einheiten wurden bisher hergestellt, die meisten davon findet man am Bodensee, weitere liegen am Zürichsee, dem Genfersee und an einigen anderen Seen nördlich und südlich der Alpen. Für die Bauvorschriften ist die Klassenvereinigung den Grundsätzen der Einheitsklasse treu geblieben. Es gibt klassisch beplankte, solche aus Kunststoff und formverleimte Boote. Das Konzept ist aufgegangen: Die alten Boote können noch heute mit den neuen Schiffen konkurrieren.

Grösste Schweizer Einheitsklasse
40 Boote an der Schweizermeisterschaft einer Jachtklasse, das hat es schon lange nicht mehr gegeben und ist Zeichen dafür, wie aktiv die Lacustre- Dynastie ist. Martin Caspar, Präsident des Yacht Clubs Rapperswil, zeigte sich über die grosse Teilnehmerzahl erfreut. «Wir haben schon sehr früh Werbung gemacht und das Logo breit gestreut. Ich denke, die Leute haben gemerkt, dass wir etwas Lässiges aufziehen und sind gekommen.» Enrico De Maria, Star-Olympionike und Alinghi-Segler, hat zwar seit 15 Jahren an keiner Lacustre-Regatta mehr teilgenommen, bei seinem Heimclub wollte er aber unbedingt mit dabei sein, zumal die Familie einen eigenen Lacustre besitzt. «Es ist schon etwas Besonderes, in einem so grossen Feld von klassischen Jachten zu segeln», meinte er. Darauf angesprochen, dass der Lacustre ja nicht eben eine Regattaziege sei, fügte er an: «Es kommt nicht darauf an, ob das Boot schnell ist, wichtig ist, dass alle gleich schnell sind, das macht die Sache spannend. Viele Boote kommen und gehen, aber die Lacustre-Klasse hat Bestand.»

Hektischer Auftakt
Lacustre-Segler sind äusserst wettkampffreudig und bilden eine der aktivsten Swiss-Sailing-Regattaklassen. Trotz der teuren, edlen Boote kannte der Kampfgeist der Teilnehmer auch an der SM kaum Grenzen. Regattaleiter Stephan Züger war von Beginn an gefordert. Die nervösen Segler provozierten zum Auftakt drei Massenfrühstarts, sodass sich die Wettkampfleitung zum Hissen der Schwarzen Flagge veranlasst sah. Dennoch schossen beim vierten Versuch wieder sechs Boote zu früh über die Startlinie und mussten disqualifiziert werden, darunter mehrere Favoriten wie der Einheimische Enrico De Maria, der für seinen Fauxpas gleich selbst eine Erklärung lieferte: «Die Luvseite war etwa im Vorteil, deshalb gab es diese vielen Frühstarts. Ich war wohl etwas übermotiviert und habe mich von einem Boot in Lee über die Linie drücken lassen.» Neben De Maria stand auch der deutsche Titelverteidiger Veit Hemmeter vom Bayerischen Yacht-Club nach dem ersten Regattatag ohne gültiges Resultat da. Und ein Streichresultat war erst ab dem 5. Lauf vorgesehen.

Warten auf Wind
Mit dem Wind klappte es an den vier Regattatagen nicht immer. Am Freitag kam es zwar zu zwei wunderschönen Wettfahrten, in denen die Favoriten ihre Klasse zeigen konnten, am Samstag reichte es aber nach einem Abbruch am Mittag erst gegen Abend für das vierte zählbare Resultat. Für die Favoriten musste am Schlusstag also noch ein Lauf her. Doch dazu brauchte es sehr viel Geduld. Nach einem Laufabbruch am Sonntagmorgen sah es bis wenige Minuten vor dem reglementarischen Regattaende düster aus. Erst nach einer zweieinhalbstündigen Geduldsprobe auf dem Wasser kam im letzten Moment der sehnlichst erwartete Wind auf. Wettfahrtleiter Stephan Züger konnte 42 Sekunden vor der Deadline das Startsignal zu einem regulären Lauf bei guten Windbedingungen geben. Jetzt schlug die Stunde von De Maria, der seine grosse Routine, Ruhe und Übersicht ausspielte. Gemeinsam mit seinen beiden Mitseglern Ruedi Christen vom TYC und Beat Müller vom Heimclub fuhr das Trio einen souveränen Start-Ziel-Sieg ein. «Andere haben mit diesem Boot viel mehr Übung und Praxis, aber ich zehre von Erfahrungen und heute hat einfach alles gepasst», freute sich Enrico De Maria, der damit seinen ersten Meistertitel als Steuermann in seiner langen Karriere feierte. Die Schweizer hatten mehrere Jahre auf einen Titelgewinn in der Lacustre-Klasse gewartet, zu stark war bisher die ausländische Konkurrenz. Sie dominierte hinter dem Sieger auch dieses Jahr das Feld. Das zweitbeste SUI-Boot mit den Einheimischen Reto Wettstein/Lukas Purtschert/Bernhard Dütschler folgte auf Platz acht. Der Yacht Club Rapperswil hat also nicht nur eine tolle Meisterschaft organisiert, seine Segler haben für die Schweizer auch die Kastanien aus dem Feuer geholt. ycr.ch

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