Wir sind startklar für eine Reise zu den Äusseren Hebriden. Aufgeregt denken wir an die grossen Kolonien von Basstölpeln und Papageitauchern und den Gesang der Zwergwale, die uns dort erwarten. Ich sehe uns schon am weissen, vom türkisblauen Meer umspülten Sandstrand von Luskentyre an der Westküste der Isle of Harris. Er gilt als einer der schönsten Strände der Welt. Jetzt müssen wir nur noch ein günstiges Wetterfenster abwarten, dann kann es losgehen.
Anfang April. Voller Vorfreude verlassen wir den Hafen von Arzal im bretonischen Morbihan und gleiten nordwärts durch den Ärmelkanal in die Irische See. Der Frühling ist die beste Jahreszeit für einen Törn in Schottland. Wir haben uns vorgenommen, auf Umwegen nach Stornoway, der nördlichsten Insel der Äusseren Hebriden, zu segeln. Als erstes steuern wir Bangor im Norden Irlands an. In den sechs Monaten an Land haben wir unsere Routine etwas verloren, aber sie stellt sich schnell wieder ein. Ein Freund schliesst sich uns für die Überquerung an. Zu dritt ist die Nachtwache definitiv angenehmer. Auf den Scilly-Inseln legen wir einen Zwischenstopp ein. Wir lassen es uns nicht nehmen, in der türkisfarbenen Bucht von Tresco zu ankern und im benachbarten Restaurant das vielgelobte Fish and Chips zu probieren. Unser zweiter Halt gilt Skomer. Die Insel ist geschützt und Brutplatz zahlreicher Papageientaucher. Allein am Ankerplatz bewundern wir in der hereinbrechenden Dämmerung die rotschnäbligen Clowns, die wie kleine Hubschrauber um uns herumschwirren und wild mit ihren kurzen Flügeln schlagen. In Bangor geht unser Freund von Bord. Wir setzen unsere Reise zu zweit^fort. Auf dem Weg nach Troon an der schottischen Küste, wo wir vor vier Jahren unsere Fou de Bassan gekauft haben, passieren wir Ailsa Craig, «Elisabeths Felsen». Die Insel beherbergt eine der grössten Basstölpel-Kolonien Europas. Nach zehn Tagen und 630 Seemeilen, zwei Drittel davon unter Segeln, erreichen wir Schottland. Weiter westlich empfängt uns die Isle of Arran mit sommerlichen Bedingungen. Bei spiegelglattem Meer und stahlblauem Himmel gehen wir in Brodick vor Anker. Die Bucht wird vom Goat Fell, dem mit 874 Metern höchsten Berg der Insel, überragt.
Abkürzung durch den Kanal
Nach der Besteigung nehmen wir das nächste Ziel ins Visier. Um nach Oban zu gelangen, können wir entweder den Mull of Kintyre umschiffen oder den Crinan Canal durchqueren. Da kein Wind weht und wir keine Lust haben, stundenlang unter Motor zu fahren, entscheiden wir uns für die zweite Option. «Enjoy the canal, take your time» steht auf der Website. Wirklich? Wir haben die Durchfahrt anders erlebt. Ständig müssen wir die Leinen trimmen und die Fender neu ausrichten. Ganze vierzehn Schleusen passieren wir mit unserem bauchigen Boot, dabei bekommt der Rumpf die ersten Schrammen. Erschöpft erreichen wir nach der letzten Schleuse endlich wieder das offene Meer. Der Ozean ist tiefblau, gespickt mit mehreren Dutzend Inseln unter wolkenlosem Himmel. Uns bleibt bei diesem umwerfenden Anblick die Luft weg. Man könnte meinen, wir hätten uns in die Kykladen verirrt. Dann wird es nochmals knifflig. Um nicht in die brodelnden Kessel der gefürchteten Ströme Dorus Mohr und Sound of Luing zu geraten, durchqueren wir sie im Stauwasser. In der Whisky-Hochburg Oban angekommen, ziehen wir weiter nach Tobermory, dem für seine bunten Häuser bekannten Hauptort der Isle of Mull. In den Äusseren Hebriden angekommen begrüsst uns typisches schottisches Wetter: Es nieselt.
Unsere Favoriten:
Isle of Barra Erster Kontakt mit den klimatisch rauen Inseln: Castlebay beeindruckt mit einer unwirklich anmutenden Kulisse. Bei einer Velofahrt zum Strand von Vatersay auf der Nachbarinsel, die über einen Damm erreichbar ist, offenbart sich das türkisfarbene Meer. Die Karibik lässt grüssen!
Loch Bhrollum, Isle of Lewis
Unsere Ankergeräusche scheuchen die Seehunde auf, die träge auf algenbewachsenen Felsen fläzen. Teilnahmslos lassen sie sich ins dunkle Wasser fallen. Wir sind allein. Ein Schiffswrack am Strand erinnert uns daran, dass wir dem Meer und den Elementen mit der nötigen Demut begegnen sollten.
Stornoway
Aufgeregt segeln wir in die Fahrrinne, die zum legendären Hafen von Stornoway führt. Die Sonne beleuchtet die bunten Fassaden, die Trawler sind bereit zum Auslaufen. Als wir am Steg anlegen, öffnet der Himmel plötzlich seine Schleusen und Kälte macht sich breit. Die windgepeitschte Isle of Lewis bleibt ihrem Ruf treu: Unberechenbar wechselt sie die Stimmung praktisch von einer Sekunde auf die andere. Morgen werden wir das feuchte Land, in dem der Torf die «Lochs» verdunkelt, genauer erkunden. Auch ein Besuch am Butt of Lewis, wo die braunen, mit grünem Moos durchzogenen Klippen von den Schreien der Eissturmvögel widerhallen, ist geplant.
Shiant Islands
Die vom Tourismus verschonte Inselgruppe zwischen Lewis, Harris und Skye zeichnet sich durch eine unglaubliche Artenvielfalt aus. Hier nisten Papageientaucher, Lummen, Eissturmvögel, Dreizehenmöwen und kleine Pinguine, jede Art in ihrem eigenen Revier. Wir nähern uns den Inseln mitten in der Brutzeit und fühlen uns wie in einer riesigen Voliere. Das Geschrei ist so ohrenbetäubend, dass wir uns unseren Ankerplatz im tiefen, steinigen Gewässer mit Bedacht wählen. Höchste Zeit, umzukehren und die Isle of Skye anzusteuern. Bei launischen Winden, aber gut geschützt vor Wellen, segeln wir den Hebriden entlang. Um die schottische Auszeit noch ein wenig zu geniessen, legen wir in einigen Buchten an. Doch auch das Schöne hat ein Ende: Wir müssen mit der Fou de Bassan zurück in die Bretagne. Die schottischen Hebriden haben uns ein einmaliges Törnerlebnis beschert: nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel Wind, ein gut geschütztes Meer, wilde Ankerplätze von atemberaubender Schönheit in Gesellschaft von Seevögeln und Zwischenstopps in ursprünglichen Häfen, fernab von Menschenmassen. Solche Auszeiten kann nur das Meer bieten.
Crew: Elisabeth und Bernard Thorens
Boot: OVNI 445, Baujahr 2011, Alubat
Begleiten Sie die Fou de Bassan auf ihrer Reise: foudebassan.com