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RICHARD BRISIUS,
CEO von The Ocean Race

by Maena Le Gat

Die legendäre Weltumsegelungsregatta bringt Segelenthusiasten seit 1973 alle drei bis vier Jahre zum Träumen. Viele Koryphäen wie Eric Tabarly, Franck Cammas, Peter Blake, Lawrie Smith und andere Stars haben sich schon an ihr versucht. Wie ein Chamäleon passte sich das Whitbread, spätere Volvo Ocean Race und heutige The Ocean Race immer wieder dem Zeitgeist an. Keine Austragung glich der anderen. Sowohl die Routen mit vier bis zwölf Etappen als auch die Bootsklassen (Ketch 15, Swan 65, Sloop 23, Maxis, W60, VO70 und 65, IMOCA-Foiler) und die Teamzusammensetzung änderten sich fortlaufend. Welche Bilanz kann man 200 Tage vor dem nächsten Start im Januar 2023 ziehen? Richard Brisius, seit 2017 CEO der Offshore-Regatta, gibt Auskunft.

Interview : Christopher Shand

Racing in the Mirpuri Foundation Sailing Trophy, the first coastal race of The Ocean Race Europe.

Wie hat es The Ocean Race (TOR) geschafft, sich neu auszurichten nachdem sich Volvo Group und Volvo Cars als Miteigentümer des Rennens zurückgezogen haben?
Volvo bleibt einer der wichtigsten Partner des Rennens, trotzdem mussten wir die Projekte umstrukturieren. Das Format war nicht nachhaltig. Volvo Group hat eingesehen, dass sie als Partner mehr ausrichten kann und die Leitung besser an jemanden übergibt, der sich im Segelzirkus auskennt und sowohl die globalen als auch die technischen Herausforderungen beherrscht. Wir mussten das Rennen neu erfinden. Der Wettbewerbs- und Marketingaspekt, den Volvo mit der Miteigentümerschaft verfolgte, hat an Bedeutung verloren. Jetzt steht nachhaltiger Sport im Mittelpunkt. Alle Seglerinnen und Segler setzen sich gemeinsam für den Schutz unseres Planeten ein. Die Tatsache, dass wir auf unsere Botschaft konkrete Taten folgen lassen, so bescheiden sie auch sein mögen, hat zahlreiche Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen auf den Plan gerufen.

Was waren die grössten Schwierigkeiten, um Ihr Tempo auf das der IMOCA-Klasse abzustimmen?
 2018 haben wir die Klassenvereinigung, die Skipper und die Eigner der IMOCA-Jachten eingeladen, mit uns über zwei zukunftsrelevante Themen zu diskutieren. Die Klasse selbst wollte aus ihrer Blase heraus und internationaler werden, denn Einhandregatten sind noch immer stark französisch geprägt. Gleichzeitig wollte die Klasse das Mannschaftssegeln fördern. Wir selbst suchten nach einer zusätzlichen Bootsklasse, um die Anzahl der Teilnehmenden zu erhöhen. So kam es zu unserem Schulterschluss mit den IMOCAs, die sich seit 30 Jahren bewähren und technisch grosse Fortschritte gemacht haben. Ein Faktor war auch der Nachhaltigkeitsaspekt, schliesslich müssen die Boote nicht erst gebaut werden. Acht Monate vor dem Start wird den Klassenmitgliedern bewusst, wie viel für sie auf dem Spiel steht, wenn sie nicht an der TOR teilnehmen. Nicht nur ihr Image und ihre Attraktivität für Sponsoren könnten Schaden nehmen, auch der Lerneffekt für die Teams ist nicht zu unterschätzen.

Warum haben Sie an den VO65 festgehalten? Steht das nicht im Widerspruch zum Bestreben, die Regatten zu vereinfachen, damit sie von der breiten Öffentlichkeit besser verstanden werden?
Für diesen Entscheid gibt es zwei Gründe. Erstens haben viele Teams den Wunsch geäussert, weiterhin teilzunehmen. Zweitens wollten wir nicht unnötig Leute verlieren, wo es doch unsere Absicht ist, mehr Seglerinnen und Segler zu gewinnen. Obwohl die TOR sehr gefragt ist, gestaltet sich eine Teilnahme seit einigen Jahren äusserst schwierig. Olympia-Medaillengewinner stehen Schlange, um zumindest an einer Wettfahrt teilnehmen zu können. Egal, wie aufregend der Neuzugang der IMOCA-Klasse ist, sie umfasst derzeit lediglich bescheidene Christopher Shand 65 Seglerinnen und Segler. Unsere Fans und Follower finden die Tatsache, dass zwei Klassen mit unterschiedlichem Konzept – die VO65 als One-Design und die IMOCAs mit mehr Flexibilität – gleichzeitig an den Start gehen, spannend. An der TOR Europe haben wir gemerkt, wie gut sich die beiden Klassen ergänzen. Sie sind im Grossen und Ganzen gleich gross und gleich schnell. Es glauben zwar alle, dass die IMOCAs gewinnen, ich bin da aber nicht so sicher. Das hängt stark von den Bedingungen ab. Ausserdem kämpft jede Klasse um ihren eigenen Pokal.

21 Teams haben sich bereits angemeldet. Erwarten Sie eine Rekordbeteiligung?
Die italienischen Teams, mit denen ich um die Welt gesegelt bin, haben mich mit ihrem Aberglauben angesteckt. Ich gebe keine Prognosen ab, hoffe aber, dass die grösste Flotte der letzten 20 Jahre zusammenkommt. Wir möchten mehr, aber dennoch nicht zu viele Boote, denn ab einer bestimmten Anzahl wird es für die Fans schwierig, das Regattageschehen zu verfolgen und jede einzelne Mannschaft zu kennen. Zehn bis zwölf Schiffe pro Klasse wären optimal.

Sind Sie im Gespräch mit interessierten Schweizer Teams?
Ja, mit einem Team führen wir Gespräche, ich bezweifle allerdings, dass es genügend Partner findet. Momentan ist noch nichts entschieden. Der Unterschied zu den Jahren vor 2013–14 besteht darin, dass die Boote bereits gebaut sind und man im letzten Moment dazustossen kann. Ein Team hat sich erst zwei Monate vor dem Start angemeldet, ein Rekord! Das österreichische Team zum Beispiel trainiert bereits intensiv, obwohl sie noch mitten in den Verhandlungen mit potenziellen Sponsoren stecken. Doch eigentlich ist das an der TOR nichts Ungewöhnliches. Pierre Fehlmann, der 1986 mit der UBS Switzerland die Echtzeit-Wertung gewann, soll das nötige Geld erst aufgetrieben haben, nachdem er die erste Etappe für sich entschieden hatte.

Wurden die Pausen zwischen den Etappen verkürzt?
Da wir die Anzahl der Etappen erhöht haben, mussten wir auch die der Pausen kürzen. An der Premiere machte die Regatta in fünf Städten Halt, an der letzten Austragung waren es 13. Das war eindeutig zu viel. Die Fans hatten Mühe zu folgen und die Segler kaum Zeit, sich zu erholen. Die Gründe für die vielen Stopps waren kommerzieller Natur, denn so konnten mehr Märkte erreicht werden, was für den Profisport normal ist. Wir haben trotzdem beschlossen, einen Kompromiss zu finden und uns schliesslich auf acht Etappen plus einem Fly-By in der Kieler Bucht geeinigt. So konnten wir die Renndauer von neun auf rund sechs Monate reduzieren.

Racing in the Mirpuri Foundation Sailing Trophy, the first coastal race of The Ocean Race Europe.

Wie setzt sich die TOR konkret für Nachhaltigkeit ein?
Was tun Sie, damit Ihre Massnahmen nicht als blosses Greenwashing abgetan werden? Im Mittelpunkt steht die besondere Beziehung, die Seglerinnen und Segler mit dem Ozean verbindet. Sie verbringen unzählige Stunden auf dem Meer, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dennoch interagieren sie ständig mit ihm. Der Ozean ist ihr Verbündeter, sie müssen Respekt vor ihm haben. Philosophisch gesehen kommen wir alle aus dem Ozean. Unser Körper besteht zu 65 Prozent aus Wasser. Dass Seglerinnen und Segler mehr über den Ozean erfahren und ihre Erkenntnisse öffentlich machen möchten, ist daher das Natürlichste der Welt. Früher war es ein Leichtes, Greenwashing zu betreiben, oft geschah das ungewollt. Wir distanzieren uns davon, denn unsere Botschaften sind keine leeren Versprechen. Wir lassen unseren Worten konkrete Taten folgen. Welche Legitimität haben wir für ein solches Projekt? Die grossen Organisationen anerkennen unsere Unabhängigkeit und die Rechtmässigkeit unseres Anliegens. Wir gestalten die internationale Umweltpolitik mit und arbeiten mit UNEP, IUCN, UNESCO, UNOcean und dem UN-Sonderbeauftragten für den Ozean Peter Thomson zusammen. Und wir haben das Programm Relay4Nature ins Leben gerufen, das die noch immer allzu stark verzettelten Konferenzen über die Rechte der Ozeane, Plastikverschmutzung, Klima und Biodiversität miteinander verbindet.

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