Eine feine Steuerung über elektronische Trimmsysteme ist Voraussetzung für stabiles Foilen. Die Technologie entwickelt sich rasant weiter und könnte das Foilen auch beim Offshore-Segeln schon bald zur Norm machen.
Vor 20 Jahren waren Foilerboote noch die Ausnahme, mittlerweile sind sie zur Regel geworden. Fliegen kann heute jeder. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, noch schneller und vor allem noch weiter, das heisst auf hoher See, zu foilen. Während Tragflügel anfangs kleinen Booten vorbehalten waren, haben sie in den letzten Jahren die gesamte Segelszene erreicht und sich sowohl im America’s Cup als auch bei den Offshore-Einrümpfern durchgesetzt. Sogar die Jachten der Vendée Globe sind mehrheitlich mit Foils ausgerüstet, ebenso wie das neue Einheitsboot Figaro 3. Bei den Prototypen der Mini- und der Ultime-Klasse geht heute ebenfalls nichts mehr ohne Foils. Ohne die mit Hightech vollgepackten Tragflügel einen Hochsee-, Weltumsegelungs- oder Atlantikrekord brechen zu wollen, wäre undenkbar. Durch die neue Technologie werden die Boote gezwungenermassen komplexer. Damit sie mit über 40 Knoten übers Wasser fliegen können, braucht es neue Instrumente, mit denen das Foilen optimiert werden kann. Im Bewusstsein um diesen Paradigmenwechsel stand das Thema am Design Technology Symposium, das im vergangenen November am Rande des Yacht Racing Forums in Aarhus stattfand, denn auch im Fokus. Die einschlägigen Spezialisten befassen sich eingehend mit den neuen Herausforderungen, die spannende Möglichkeiten eröffnen.
Mechanik versus Elektronik
Am besten lässt sich der Unterschied zwischen mechanischem und elektronischem Foiltrimm am Beispiel der Windsteueranlage und des Autopiloten veranschaulichen. Die Windsteueranlage ist ein mechanisches System, das über eine Windfahne, eine Steuerstange und ein Hilfsruder den Kurs des Bootes anpasst, sobald sich der Winkel des scheinbaren Windes verändert. In diesem Fall wird die Energie mithilfe der Bootsgeschwindigkeit aus der Wasserkraft gewonnen. Der Autopilot erfasst verschiedene Informationen wie Windwinkel, Kurs und Geschwindigkeit und reagiert dann der Abweichung zwischen dem Verhalten zum Zeitpunkt T und dem gewünschten Verhalten entsprechend. Für den Foiltrimm müssen die Daten folglich in Echtzeit bearbeitet und eine Unmenge Berechnungen angestellt werden. Ausserdem wird eine externe Energiequelle benötigt
. Bei den Moth kommt ein mechanisches Trimmsystem zur Anwendung. Die Trimmklappen werden über einen Oberflächensensor angesteuert. Bei diesem Sensor handelt es sich um einen Stab, der am Bug aufgehängt und mit einem Steuergestänge verbunden ist. Das System sorgt für mehr oder weniger Auftrieb und übernimmt de facto die Flughöhenregelung. Einziges Problem dieses patenten Systems: Es berücksichtigt nur einen einzigen Parameter.
Die Fortschritte der Elektronik und der Rechenkapazitäten und die Einberechnung neuer komplexer Analysedaten steigern den Mehrwert der Trimmsysteme erheblich. Sie könnten schon bald so unverzichtbar werden wie die hochkomplexe Informatik einiger moderner Kampfflugzeuge, die ohne gar nicht mehr flugfähig wären, weil der Pilot nicht in der Lage ist, die vielen, sich mehrere Tausend Mal pro Sekunde verändernden Daten zu analysieren. Eine der grossen Stärken des neuseeländischen Challengers am letzten America’s Cup bestand übrigens im eigens für den Wettkampf entwickelten Trimmsystem. Es musste nicht vom Steuermann bedient werden, sodass er sich auf den Kurs und das Tempo konzentrieren konnte. Um regelkonform zu bleiben, erfolgte der letzte Steuerinput manuell durch ein Crewmitglied, das den Flug anhand der Informatikdaten anpasste.
Künftige Herausforderungen
Um den zahlreichen Herausforderungen in Zusammenhang mit dem Foilen zu begegnen, wird an Mechanik, Elektronik und Informatik parallel gearbeitet. Für einen optimalen Trimm müssen Daten aus verschiedenen Quellen erfasst und ausgewertet werden. Sie bilden hochkomplexe Datensätze, die über die äusseren Bedingungen, den Materialwiderstand sowie die Beschleunigung und die Position des Bootes Auskunft geben. David Raison, Entwickler bei SeaAir, erklärte das Vorgehen an einer Eurolarge- Konferenz so: „Alle diese Daten müssen danach wieder verteilt werden, damit sie für die verschiedenen Einstellungen genutzt werden können. Man muss die wesentlichen Erkenntnisse daraus ziehen können, um sie in Echtzeit umzusetzen.“ Bertrand Castelnerac, Geschäftspartner bei SeaAir, ist überzeugt, dass eine Vereinfachung des Handlings die Zukunft bedeutet. „Unsere Instrumente sollen das Foilen bestmöglich vereinfachen. Das Team muss von diesem Aspekt befreit werden.“
Bevor elektronische Inputs entwickelt werden, müssen für die Hochseeseglerei zunächst die Zuverlässigkeit und die Selbststabilisierung des Systems gewährleistet sein. Zweifellos erhöht aber die automatisierte Steuerung bestimmter Funktionen die Performance und ist für Segler, die in weniger als 40 Tagen einmal um die Welt wollen, ein verlockender Gedanke.
Die neue Klasse der Ultim 32/23 lässt solche Systeme momentan noch nicht zu. Daran wird sich laut Emmanuel Bachellerie, dem Delegierten der Klasse, bis zur Rückkehr von der Weltumsegelung 2019 auch nichts ändern. Immerhin ist in den Statuten die Möglichkeit vorgesehen, dass bestimmte Regeln alle vier Jahre geändert werden können. Das Thema wird garantiert wieder aufs Tapet gebracht, obwohl es die Frage aufwirft, was ethisch ist und wo Grenzen gesetzt werden sollen. „Gestern das Ruder, morgen der Flug, und was geschieht mit dem Segeltrimm und dem Traveller? Wir dürfen die Rolle des Seglers nicht vergessen!“, ereifert sich Bachellerie.
David Raison, Sieger der Mini-Transat 2011, hat weniger Vorbehalte: „An der Mini 2004 hatte ich Bedenken, das Steuer loszulassen und den Autopiloten einzuschalten. 2011 war es genau umgekehrt. Ich wollte das Boot nicht mehr selbst steuern, denn der Autopilot machte die Aufgabe besser als ich.“ Doch auch seine Aussage stellt die Frage nach der Rolle des Skippers im Zuge der technologischen Entwicklung. Durch den optimierten Foiltrimm wird das brisante Thema wieder hochaktuell.