Alan Roura hat uns nach Lorient eingeladen, um uns sein neues Boot zu zeigen. Wir konnten zusammen mit dem Weltumsegler ein Training auf dem Wasser absolvieren und ihm dabei zuschauen, wie er sich auf die härteste Einhandregatta der Welt vorbereitet. Alan Roura ebnet sich Schritt für Schritt seinen Weg zur Vendée Globe 2020, wo er mit seinem Foiler Grosses vorhat. Momentan bestreitet er gerade die Route du Rhum, die bei Redaktionsschluss noch im Gang war.
Wussten Sie, dass Alan Roura bei seiner Weltumseglung im Jahr 2016 absichtlich nur ein einziges Mal gehalst hat? Er wollte sein Boot schonen und die Risiken möglichst klein halten, weshalb er aufs Halsen praktisch ganz verzichtete. Einige der weltbesten Einhandsegler stammen aus der gleichen Schule. Jean Le Cam schaffte es mit dieser Strategie an der letzten Vendée Globe auf seiner Finistère Mer Vent auf den sechsten Platz. Alan Roura aber will höher hinaus. Er werde Gas geben, sich minutiös vorbereiten und weniger konservativ segeln, kündigt der Schweizer an.
Um zu sehen, wie der 25-Jährige die Sache anpackt und die Schwierigkeiten der Solo- Weltumseglung zu meistern gedenkt, sind wir mit ihm an Bord seiner IMOCA-Foilerjacht La Fabrique gegangen. Beim Training konnten wir uns ein Bild darüber machen, wie er sich auf seine zweite Teilnahme an der härtesten Regatta der Welt, dem „Everest der Meere“, vorbereitet. An der ersten war er noch mit der schwierigen Super Bigou von Bernard Stamm unterwegs gewesen. Für die kommende Ausgabe konnte er seinen Sponsor überzeugen, in eine Finot-Conq aus dem Jahr 2007 zu investieren. Sie hatte einst Armel Le Cléac’h und danach Bertrand de Broc gehört. Diesen Sommer wurde die Jacht mit Foils ausgestattet. Alan muss an Bord alles neu lernen: die Winkel, die Crossover, die Zielgeschwindigkeit und das Steuern der Foils.
Alan Roura als Firmenchef
Das teilimprovisierte Amateurprojekt von 2015–2016 scheint in weiter Ferne. „Ich habe das Gefühl, die Vendée Globe 2016 sei schon ewig her“, bestätigt der Weltumsegler. „Ich habe auch keine Lust mehr, darüber zu sprechen, denn für mich gehört diese Erfahrung der Vergangenheit an. Jetzt blicke ich nach vorne, verfolge neue Projekte.“ Dass er wie letztes Mal die Pfanne im Hafen vergesse, werde nicht mehr passieren, betont er. Er werde sowohl technisch als auch sportlich nicht das kleinste Detail dem Zufall überlassen. Alan Roura ist zum Chef einer kleinen KMU geworden. Er steht an der Spitze eines sechsköpfigen Teams, ihn eingerechnet. „Einen Offshore-Rennstall zu leiten bedeutet, dass ich mich mit Projektmanagement, Papierkram, Kommunikation und Segeln herumschlagen muss“, sagt er, meint das aber keineswegs abwertend. Seine Mitarbeiter, bestehend aus einem technischen Direktor, einer Projektleiterin, einem Techniker, einem Kapitän und einer Kommunikationschefin (in der Person seiner Lebensgefährtin Aurélia Moureau), unterstützen ihn dabei tatkräftig. Sie entlasten Alan, wann und wo immer sie können, damit er sich auf seine Kernaufgabe, das Segeln, konzentrieren kann. Zusätzlich wird das Team von mehreren Freelancern unterstützt. Auf dem Steg, an dem La Fabrique festgemacht ist, treffen wir den früheren Mini-Segler Simon Koster. Auch er gehört zu Alans Team und auch er ist mit Feuer und Flamme bei der Sache. Die Swiss Connection scheint in Lorient gut zu funktionieren!
Kräftezehrende Herkulesarbeit
Bei 15 bis 18 Knoten Wind machen wir uns auf Trainingsfahrt. Das heisst Alan Roura steuert, wir schauen zu. Wir wollen schliesslich sehen, wie das Ganze „in echt“ abläuft. Mit ihren 2,8 Metern Tiefgang ist die IMOCA ein echtes Sorgenkind. Allein schon beim Aufwinschen des Grosssegels oder beim Reffsetzen lastet ein unglaubliches Gewicht auf dem Skipper „Wenn du bei 50 Knoten Wind allein mit einem dreimal gerefften Grosssegel segelst, springst du garantiert nicht nach vorn, um auch noch die Sturmfock zu setzen. Vielmehr rollst du das Vorsegel ein und wartest ab“, erklärt uns der Genfer. „Es ist extrem wichtig, dass man seine Kräfte gut einteilt und überlegt, bevor man handelt, denn schon der kleinste Segelwechsel ist anstrengend.“ Ein paar Tricks sollen ihm bei der Knochenarbeit helfen. „Für die nächste Vendée installieren wir eine Seilrutsche auf dem Boot, damit ich die Segel besser bewegen kann“, erklärt Alan. Ausserdem stehe der Muskelaufbau im Zentrum seines täglichen Trainings an Land. Für alles, was mit der Regatta an sich zu tun hat, vertraut Alan Roura dem erfahrenen Hochseecoach Tanguy Le Glatin. „Tanguy sorgt dafür, dass ich aggressiver segle. Bevor ich mit ihm gearbeitet habe, war ich vorsichtiger. Jetzt zögere ich nicht, die IMOCA zu fordern. Ausserdem haben wir intensiv an den Manövern gearbeitet. Wir haben die Zeit gestoppt und bis ins kleinste Detail analysiert. Tanguy hat mich gelehrt, beim Halsen keine Gedanken mehr an die Backstagen zu verschwenden. Jetzt lasse ich sie sogar bei 45 Knoten gehen, denn die Outrigger sind stark genug, um den Mast zu halten.“
Unter dem aufmerksamen Blick von Tanguy
Le Glatin wird Alan Roura die Manöver so oft einhand ausführen, wie es sein Coach für nötig erachtet. „Wir wiederholen die Vorgehen immer und immer wieder und verbessern sie fortlaufend“, bestätigt er. „Um in fünf Minuten zu halsen, segle ich mit Autopilot, fahre das Luvfoil aus und das Leefoil ein. Dann zentriere ich den Mast und bereite abhängig von den Segeln die Schoten vor. Bei einem Gennaker halte ich mich bereit, ihn falls nötig teilweise einzurollen. Anschliessend zentriere ich den Kiel und lockere die Backstagen vollständig. Ich stelle den Autopiloten so ein, dass er das Boot 180° zum Wind positioniert und fahre im Schmetterling. Jetzt muss ich nur noch anluven und gleichzeitig halsen.“ Auf der Weltumsegelung muss er zusätzlich rund eine Tonne Ballast trimmen, um das Manöver abzuschliessen. Den Kurs wechselt man definitiv nicht so einfach wie ein Hemd!
Neuartige Foils
Der erst 25-jährige Segler arbeitet sich in der Hochseeszene kontinuierlich nach oben. Mit seiner gewissenhaften Vorbereitung und dem neuen Boot will er es auf die Siegesstrasse schaffen. Wie viel schneller ihn die Foils machen, ist noch nicht klar. Alan Roura aber gibt sich zuversichtlich. Er ist noch immer überzeugt von seinen eher unkonventionellen Entscheidungen, durch die sich La Fabrique deutlich von den anderen Foilern abhebt. „Damit wollen wir auf allen Kursen, auch am Wind, schneller werden“, erklärt er. Finot-Conq entwarf G-förmige Foils mit gekrümmten Shafts (der Teil, der durch das Deck austritt) und horizontalen Tips (der Teil, der für den Auftrieb sorgt). Ganz anders also als die meisten anderen Foiler, die über vertikale Tips verfügen. Laut Alan sorgt dieses Design im Vergleich zu L-Foils für einen deutlichen Tempogewinn am Wind: „Meine Foils verhalten sich praktisch wie die Schwerter einer IMOCA der alten Generation, während die L-Foils Wasser ziehen.“ Zielstrebig und unerschrocken ist es Alan Roura gelungen, in die erste Liga aufzusteigen. Jetzt gilt es die Chance zu nutzen und zu zeigen, ob er es bis nach ganz oben schafft.