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YVAN BOURGNON Gladiator der Meere und Müllmann der Ozeane

von Quentin Mayerat

20 Millionen Euro kostet die Lancierung des neuen XXL-Projekts von Yvan Bourgnon. Nach der Rückkehr von seiner Weltumsegelung auf einem Sportkatamaran will der Hochseesegler bis 2022 den ersten „Müllwagen der Ozeane“ einwassern.

7157Nach Ihrer Weltumsegelung auf einem Sportkatamaran ohne Kajüte stürzen Sie sich gleich in ein neues Abenteuer: Sie bauen ein Riesenschiff, mit dem Sie den Plastikmüll auf den Ozeanen einsammeln wollen. Was reizt Sie an solch ausgefallenen Projekten?
Ich weiss nicht, ob ausgefallen das richtige Wort ist. Aber es stimmt schon, dass ich sowohl im Segelsport als auch bei Anliegen, für die ich mich einsetze, gerne unkonventionelle Wege gehe. 2004 habe ich mit Team Ocean den ersten Offshore-Rennstall lanciert. Er hat dazu beigetragen, den Sport zu revolutionieren. Ich mag es, neue Projekte anzustossen, egal, ob im Bereich Technik, Sport oder Kommunikation. Auch mit unserem jüngsten Vorhaben „The Sea Cleaner“ sind wir auf allen Ebenen wegweisend.

„Es gibt wohl keinen Hochseeskipper, der in seiner Karriere schon so viel Treibgut gerammt hat wie ich.“

Können Sie uns den geplanten Riesenquadrimaran kurz beschreiben?
Eigentlich hat er nichts Revolutionäres, er besteht einfach aus vier Rümpfen. Dreirumpfboote sind ja nichts Neues. Für den Quadrimaran braucht es einfach vier, je 60 Meter lange Rümpfe, zwei 50 Meter hohe Masten und zwei Segel. Weil das Schiff nicht schnell sein muss, ist das keine Hexerei. Technologisch hält das Boot keine Überraschungen bereit. Bei der technischen Umsetzung seiner Funktion hingegen stehen wir vor einer grossen Herausforderung. Der Bau des Kollektors, mit dem der Müll eingesammelt und an Bord gehievt wird, ist hochkomplex. Wir haben mehrere Ingenieurbüros mit der Entwicklung beauftragt und werden danach die beste Lösung auswählen. Die endgültige Entscheidung fällt im Herbst. Das Schiff soll mindestens 600 m3 Abfall transportieren können, vielleicht werden es sogar mehr. Bei den Massen haben wir die maximale Breite des neuen Panamakanals als Anhaltspunkt genommen. Das heisst, der Quadrimaran darf höchstens 49 Meter und der Rechen am Heck höchstens 72 Meter breit sein. Dieses erste Exemplar soll ein Fahnenträger sein, der die Wirksamkeit des Konzepts belegt und die Staaten überzeugt, solche Schiffe anzuschaffen. Rund hundert strategisch richtig platzierte Schiffe hätten schon grosse Wirkung. Mit 20 Millionen x 100 Schiffen, das heisst 2 Milliarden Euro, könnten wir die Meere weltweit von Makroplastik befreien.

Wie sind Sie von der Offshore-Regattaszene zum Abenteurer und militanten Umweltschützer geworden?
Manta-3---Credit-Jerome-VolIch habe das Regattasegeln nicht aufgegeben, im Gegenteil. Letztes Jahr habe ich an der Québec/St-Malo und an der Jacques Vabre teilgenommen. Ich bin und bleibe ein Vollblutregatteur. Mit dem Alter meldete sich aber der Wunsch, mehr zu tun als nur Regatten zu segeln. An den Segelwettkämpfen lernt man die Menschen, die man trifft, nicht wirklich kennen. Man ist auf der ganzen Welt unterwegs, hat aber keine Zeit, die Regionen zu erkunden und wird das Gefühl nicht los, das Wesentliche zu verpassen. Das ist frustrierend. Der Segelsport ist steril geworden, man geht keine Risiken mehr ein. Heute besteht die grösste Schwierigkeit darin, schneller zu sein als die anderen. Auf menschlicher Ebene ist hingegen deutlich weniger Engagement gefragt. Sogar die Teilnehmer der Vendée Globe segeln rund um die Uhr mit Autopilot. Sie verbringen 95 Tage im Pyjama und steuern das Boot von innen. Trotzdem sind sie natürlich hervorragende Segler. Damit sie überhaupt so weit gekommen sind, haben sie jahrelang jeden Tag 15 Stunden geschuftet. Sie haben Ingenieurniveau mit viel technischem Wissen, sind aber keine Draufgänger mehr, die den Elementen trotzen. Das hat mir gefehlt.

Ist für Sie die rein körperliche Leistung ein Mittel, zu sich selbst zu finden?
Wenn du dich in ein Abenteuer stürzt, gehst du bis ans physische und psychische Limit. Es ist ein Balanceakt, bei dem du das Gleichgewicht und die richtige Dosierung finden musst. Langfristig musst du dich schonen, zeitweise aber auch Gas geben. Bei meiner Weltumsegelung zum Beispiel bildeten sich auf langen Fahrten vom vielen Salz Löcher in den Händen. Wenn du zu langsam und zu lang unterwegs bist, setzt im Körper ein Zerstörungsprozess ein. In solchen Momenten musst du die richtige Routenwahl treffen, um schnell genug zu sein, darfst aber nicht kopflos handeln. An Abenteuern mag ich auch, dass sie lang dauern, nicht nur zehn Tage wie zum Beispiel die Route du Rhum. Auf einer 10-tägigen Atlantiküberquerung habe ich schon beim Start das Gefühl, das Ziel vor Augen zu haben. Kaum fange ich an, das Rennen zu geniessen, ist es schon zu Ende. Ich wollte deshalb etwas Langfristiges erleben. Vor 20 Jahren waren die Regatteure 60 bis 80 Tage unterwegs, heute überquert man den Atlantik in vier Tagen, packt seine Sachen und tschüss.

Manta-5---Credit-Jerome-VolHat die Weltumsegelung Ihren Wunsch, die Ozeane zu reinigen, verstärkt oder hatten Sie diese Idee schon vorher?
Nein, daran hatte ich eigentlich nicht gedacht. Klar habe ich mich über die Vermüllung geärgert, aber das Bedürfnis, etwas zu unternehmen, hatte ich damals noch nicht. Es gibt wohl keinen Hochseeskipper, der in seiner Karriere schon so viel Treibgut gerammt hat wie ich: drei Container, die mich zum Aufgeben zwangen, und ein Dutzend weitere, die mich weit zurückwarfen. Ich bin praktisch in zwei von drei Rennen mit schwimmenden Gegenständen kollidiert und habe mich furchtbar darüber aufgeregt. Den Ausschlag für meine Umweltaktion hat tatsächlich die Weltumsegelung gegeben. Ich hatte Zeit, das Meer zu beobachten, war ständig auf Augenhöhe und habe rund um die Uhr den Horizont beobachtet. Ich habe alles hautnah erlebt und gespürt. Da mein Boot klein war, verhedderte sich jedes Plastikteil und ich hörte sofort, wenn etwas gegen den Rumpf schlug. Ich hätte nicht näher dran sein können. Das hat in mir den Wunsch geweckt, aktiv zu werden.

Zeigen spektakuläre Aktionen oder Abenteuer mehr Wirkung als klassische Massnahmen?
7458Wir können nicht die gesamte Meeresoberfläche reinigen, so ehrlich müssen wir sein. Dazu fehlt uns die Kapazität. Ausserdem gibt es bisher noch keine Lösung, die das möglich machen würde. Wir machen aber das, was wir können, und reinigen zumindest einen Teil. Wir haben gemerkt, dass immer mehr Leute grüne Parolen schwingen, wenn man aber genau hinschaut, setzen sich nur wenige aktiv für den Umweltschutz ein. Zwischen Kommunikation und konkreten Aktionen besteht eine riesige Kluft und das nervt viele Menschen. Wir wollen zeigen, dass wir wirklich etwas tun, die Ärmel hochkrempeln und mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn wir mit 600 m3 auf dem Meer eingesammeltem Plastikmüll zurückkommen, wird das Medienecho entsprechend gross sein. Dadurch wird auch die Bevölkerung vermehrt sensibilisiert.

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