„Ich kenne keinen Seefahrer, dem die Umwelt egal ist“, pflegt der Schweizer Skipper Dominique Wavre zu sagen und führt aus: „Unser Hauptmotor Wind ist natürlich und prinzipiell erneuerbar. Ausserdem haben wir das Privileg, dass wir alle Meere dieses Planeten befahren und die Leute, insbesondere die junge Generation, über den Zustand der Meere aufklären können.“ Hochseeregatten stehen aber nicht unbedingt für nachhaltige Entwicklung, denn worauf es letztlich ankommt, ist Leistung. Dennoch wird die Vendée Globe 2012 dank technischer Fortschritte, dem gestiegenen Umweltbewusstsein der Segler, aber auch dank zweier Projekte, die Langstreckenregatten bewusst mit nachhaltiger Entwicklung verknüpfen, grüner sein als in den vergangenen Jahren. Hinter dem ersten Projekt steht der Schweizer Bernard Stamm, dessen Boot ein umfassendes Life Cycle Assessment (LCA) zur Ermittlung der Ökobilanz durchlaufen hat und der ein Minilabor für Wasseranalysen mitführt, hinter dem zweiten der Spanier Javier Sansó, der mit seiner Acciona 100% EcoPowered erstmals ohne Zuhilfenahme eines Dieselmotors zur Stromproduktion um die Welt segeln wird.
Bernard Stamm führt an Bord ein Mini-Labor zur Wasser- und Phytoplanktonanalyse mit. © Thierry Martinez
Das wissenschaftliche und ozeanografische Projekt Rivages, in das sich Bernard Stamms Ökokonzept einreiht, wurde von der Sandoz-Familienstiftung, Reederin der Cheminées Poujoulat, auf die Beine gestellt. Es ging zunächst darum, die IMOCA 60 von Stamm einer Ökobilanz zu unterziehen, bei der die Konstruktion des Bootes von der Rohstoffgewinnung bis zur Einwasserung unter die Lupe genommen wurde. Durchgeführt wurde das LCA von Quantis, einem Spin-off der ETH Lausanne. Samuel Vionnet, Ingenieur bei Quantis, äusserste sich in einem Interview wie folgt über das Ziel: „Mit dem LCA wollen wir die Auswirkungen des Bootsbaus auf die Umwelt präzise ermitteln, um herauszufinden, welche Phase die Umwelt insbesondere in Bezug auf die Erzeugung von Treibhausgas am stärksten belastet. Zudem wollen wir eine globale CO2-Beurteilung durchführen, um die Emissionen später durch die Finanzierung von Umweltprojekten zu kompensieren.“
CO2-Kompensation
Bahnbrechend: Die Acciona ist die einzige IMOCA-Jacht, die ohne Dieselmotor und ohne einen Tropfen Treibstoff die Welt umsegelt. © Jesus Renedo
Wie die Ökobilanz ergab, wurden beim Bau der Cheminées Poujoulat in der Werft Décision SA in Ecublens 358 Tonnen CO2 produziert – gleich viel, wie bei 40 Hin- und Rückflügen von Paris nach London ausgestossen wird. Insgesamt 70 Prozent entfallen auf das Baumaterial (40%) und die Werkzeuge (30%). Deutlich weniger umweltbelastend sind hingegen der Transport (4%) und die Abfälle (2%). Die Ökobilanz zeigt, wo vorrangig angesetzt werden muss, um die Bootsherstellung zu optimieren, und liefert der Werft wertvolle Informationen im Hinblick auf eine Reduktion der Umweltbelastungen. Der Anteil der Konstruktion am
Lebenszyklus des Bootes ist mit insgesamt 15 bis 30 Prozent jedoch relativ gering.
Rivages denkt seine grüne Logik zu Ende und hat sich deshalb entschieden, die CO2-Emissionen durch die Finanzierung von drei Aktionen zur Senkung der Treibhausgasemissionen oder zur Anpassung an die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu finanzieren. Alle drei werden von der Organisation South Pole Carbon durchgeführt und betreffen die Wiederaufforstung in Kolumbien, Windparks in Neuseeland und Geothermieprojekte in Indonesien.
Rivages erstellt nicht nur Ökobilanzen, sondern betreibt auch Meeresforschung. Bernard Stamms Jacht, die in wenig befahrenen Gewässern unterwegs sein wird, ist mit einem Minilabor ausgestattet. Damit sollen Daten über die Meeresumwelt und den Klimawandel, genauer über das Phytoplankton, gesammelt und übermittelt werden. Das Labor wurde von der ETH Lausanne entworfen, die dabei den Energiebedarf und das Gewicht möglichst gering gehalten und der Zuverlässigkeit der Sensoren und der Bordelektronik ein besonderes Augenmerk geschenkt hat. Das Labor steht in ständigem Kontakt mit den Wissenschaftlern des Instituts Océanopolis in Brest. Sie möchten die von Stamm vor Ort gesammelten Daten mit den per Satellit erfassten Angaben vergleichen. Untersucht werden sollen der Salzgehalt, die Temperatur, der Trübungsgrad, der Gelöstsauerstoff, das CO2 und die Fluoreszenz. „Dieser wissenschaftliche Teil ist für mich sehr wichtig“, erklärte Bernard Stamm, „es wäre wirklich schade, unsere Fahrt rund um die Welt nicht zu nutzen, um den Wissenschaftlern beim besseren Verständnis der Funktionsweise und der Entwicklung der Ozeane zu helfen.“
Weltumsegelung ganz ohne Diesel
Auf eine ganz andere Art setzt sich Javier Sansó, der Skipper der Acciona, für Umweltbelange ein. Er wird an der Vendée Globe als einziger ein Boot ohne Dieselmotor segeln. Die hochmoderne Jacht wurde so gebaut, dass sie ohne fossile Energie auskommt. Für die Energieversorgung und den Betrieb des Elektromotors sorgen Solarpanels (12 m2), zwei Windräder mit je 350 W Leistung und zwei Hydrogeneratoren mit je 400 W Leistung. Mit diesen Quellen, so hofft er, sollte er die Lithiumbatterien ausreichend aufladen können. Bisher hat das komplexe System einwandfrei funktioniert. Falls unerwartet Probleme auftauchen sollten, kann Javier Sansó immer noch auf die Wasserstoffbatterie zurückgreifen.
Javier Sansó ist zuversichtlich: „Das Boot hat jetzt über 16’000 Seemeilen im Logbuch. Alle Schlüsselstellen wurden optimiert. Meine Haupt-energiequelle ist die Sonne. Ich würde wahrscheinlich nur mit den 14 am Rumpf und hinten am Cockpit befestigten Solarpanels auskommen“, vertraute er vierzehn Tage vor dem Start der Zeitschrift Voiles&Voiliers an. „Wir sind Pioniere“, fügte er hinzu. Er vertritt die Ansicht, dass die Einführung von Normen für saubere Energie der richtige Weg ist. Und warum nicht schon für die Vendée Globe 2016?!
In einem Punkt haben die Vorgehensweisen von Stamm und Sansó aber doch eine Gemeinsamkeit: Auch bei Sansó wurde nämlich der Energieverbrauch beim Bau der Jacht ermittelt. Resultat: 115 Tonnen Emissionen. Sie wurden in einem Windpark in Indien kompensiert.
Stamm und Sansó spielen in der Hochseeregattaszene zwar ganz klar eine Vorreiterrolle, aber alle 20 Skipper haben Anstrengungen unternommen. So sind alle Boote mit einem Hydrogenerator, das heisst einem Propeller ausgestattet, dessen Wasserwiderstand bei zunehmendem Tempo abnimmt. Dominique Wavre hat die Technologie am Barcelona World Race und an der Transat Jacques Vabre getestet und hält sie für ausgereift: „Sie erzeugt 90 bis 95 Prozent der vom Boot benötigten Energie, dessen Verbrauch im Übrigen auf ein Mindestmass reduziert wurde.“ Sieben Boote haben zudem Photovoltaikzellen installiert und sechs vertikale Windräder. Darüber hinaus wurde das Abfallmanagement optimiert: Es wird möglichst wenig Abfall produziert, er wird getrennt und bis im Ziel an Bord behalten.
Eine saubere Vendée Globe ist keine Utopie mehr. Jetzt müssen nur noch strapazierfähige, leichte, leistungsstarke und… nachhaltige Materialien erfunden werden, die das Karbon vergessen machen.