Starke Schweizer Leistung

Die Wetterprognosen für die ersten Stunden der Regatta verhiessen nichts Gutes. Sie sagten bei der Pointe Bretagne Böen von bis zu 60 Knoten und 6 Meter hohe Wellen voraus. Aufgrund der schweren Sturmwarnung wurde der Start auf den Mittwoch, 9. November, verschoben, sodass das Tief, das den 138 Seglerinnen und Seglern dieser 12. Route du Rhum den Weg versperrte, vorbeiziehen konnte. Justine Mettraux rockte die IMOCA-Klasse mit einem 7. Schlussrang und Simon Koster lag beim Verfassen dieser Zeilen auf dem fantastischen viert en Platz bei den Class40.

DEPART DE LA ROUTE DU RHUM – DESTINATION GUADELOUPE 2022 – Saint Malo le 25/10/2022

Text : Jean-Guy Python

«Ich werde eine Route wählen, auf der ich möglichst schnell segeln kann und vor allem eine, die dem Boot entspricht. Ich will sein Potenzial vom Start bis ins Ziel voll ausschöpfen», erklärte Alan Roura kurz vor dem Start der Route du Rhum. Der Genfer gab sich zuversichtlich, obwohl die ersten Testfahrten nicht wirklich schlüssig waren. Ein Segelsatz der ehemaligen Jacht von Alex Thomson bremste ihn auf Amwindkursen. Also wechselte Alan ihn aus. «Mit meinen Incidences Sails kann ich jetzt auch am Wind segeln», meinte er zufrieden. «Wir haben das ganze Jahr daran gearbeitet. Eigentlich ist es aber doch paradox, dass wir für die Route du Rhum die Amwindeigenschaften verbessern müssen. Aber egal, die neuen Segel haben das Boot auf allen Kursen verändert.»

SAINT-MALO, FRANCE – NOVEMBRE 9 : Imoca Hublot, skipper Alan Roura, is illustrated during start of La Route du Rhum – Destination Guadeloupe 2022 on November 9, 2022, in Saint-Malo, France. (photo LDD/Jean-Marie LIOT / AleA)

Der 29-Jährige hat nicht nur an Selbstvertrau[1]en gewonnen, sondern sich auch seglerisch verbessert. Wenige Minuten vor dem Startschuss in Saint-Malo meinte er: «Meine Hublot ist aufgezogen wie ein Uhrwerk und ich auch! Wir sind ein schönes Paar, ich vertraue ihr blind und werde sicher eine gute Leistung bringen. Ich gehe gelassen ins Rennen, das Boot ist wie für mich gemacht!»
Ganz so einfach erwies sich die Einhandregatta dann für den Genfer Skipper aber nicht. Er spielte mit seinen Konkurrenten Jojo, lag im Mittelfeld und wartete ungeduldig darauf, dass der Wind endlich von achtern blies, denn seine IMOCA ist für Vorwindkurse in den südlichen Meeren gemacht.
Mit Justine Mettraux, Alan Roura, Simon Koster und Oliver Heer war die Schweiz gleich vierfach vertreten. Für so ein kleines Land eine beachtliche Leistung! Damit liegt die Schweiz an dieser 12. Route du Rhum in Bezug auf die Teilnehmerzahl zusammen mit Grossbritannien an zweiter Stelle.

SAINT-MALO, FRANCE – NOVEMBRE 9 : Imoca Teamwork, skipper Justine Mettraux, is illustrated during start of La Route du Rhum – Destination Guadeloupe 2022 on November 9, 2022, in Saint-Malo, France. (photo Jean-Marie LIOT / AleA)

Justine Mettraux in der Spitzengruppe
Justine Mettraux räumten die Buchmacher in Saint-Malo bei den IMOCA gute Chancen ein. Sie jedoch relativierte: «Es ist meine allererste Einhand-Transatlantikregatta auf einer IMOCA. Ich muss noch viel lernen.» Die Genferin segelte auf der ehemaligen, in TeamWork umbenannten Charal 1 von Jérémie Beyou und setzte sich sehr schnell in der Spitzengruppe fest. Nach einer guten Woche erwischte sie am Freitag, den 18. November, die ersten Ausläufer des Passats und beendete als7. Bei den IMOCA und damit als beste Frau. Unterwegs hatte sie per Funk gemeldet: «Es ist cool, vorne dabei zu sein. Bisher bin ich zufrieden mit der Art und Weise, wie alles läuft.» In dieser aus sieben Booten bestehenden IMOCA-Gruppe, die immer noch von Charlie Dalin auf Apivia angeführt wird, vergrösserten und verkleinerten sich die Abstände unter dem Einfluss der vielen Winddreher ständig. Das gleiche Szenario erlebten die Class40, wo Yoann Richomme auf Paprec-Arkea seinen Vorsprung weiter ausbauen konnte, sich die Rangfolge im Feld hinter ihm aber immer wieder änderte.

15.09.2022; Lorient (FRA); Oliver Heer sur son bateau Oliver Heer Ocean Racing Photo Jean-Guy Python

Koster meisterhaft
Simon Koster zeigte ein mustergültiges Rennen. Bei Drucklegung lag er mit seiner Banque du Léman auf dem 4. Platz bei den Class40 und befand sich südlich der Azoren. Nachdem er drei Fronten tapfer durchquert hatte, wartete er noch auf den achterlichen Wind, der ihn nach Guadeloupe schieben sollte. Die Teilnehmer kämpften mit sehr unstabilen und wechselhaften Winden. Erst eine Woche nach dem Start erwischte Koster die ersten Passatausläufer: «Zum ersten Mal konnte ich auf dieser Überfahrt den Gennaker setzen, darüber freue ich mich echt! Auf den Passat warte ich noch, ich komme ihm aber immer näher. Wir werden sehen, ob sich der schwache Südwind wie erwartet öffnet», meinte Koster ungeduldig. Er konnte es kaum erwarten, Rückenwind in seine Segel zu bekommen und mit Vollgas nach Pointe-à-Pitre zu stürmen, wo ein Podestplatz winkt.

Oliver Heer hatte grosses Pech, da er gleich am ersten Tag vor Cap Frehel mit dem Boot von Kojiro Shiraishi kollidierte. Zurück in Saint-Malo half ihm das Team des japanischen Skippers bei der Reparatur, sodass Oliver nach vier Tagen wieder aufbrechen konnte.

Francis Joyons Rekordzeit ist gefallen
Bei den Ultim-Giganten ging es heiss her. Schliesslich tauchte Charles Caudrelier auf dem 32 Meter langen Trimaran-Foiler Maxi Edmond de Rothschild als Erster vor der Tête à l’Anglais im Norden von Guadeloupe auf. François Gabart habe ihm das Leben ganz schön schwer gemacht, meinte er im Ziel. «Er hat mich an meine Grenzen gebracht. Ich hätte nie gedacht, dass ich auf einem Boot so weit gehen kann.» Am Mittwoch, 16. November, kreuzte er um 5.02 Uhr morgens Lokalzeit nach 6 Tagen, 19 Stunden, 47 Minuten und 25 Sekunden als Sieger die Linie und unterbot damit die seit 2018 ungeschlagene Bestzeit von Francis Joyon (Idec) um rund 18,5 Stunden. «Ich wollte die Regatta segeln, seit ich gesehen habe, wie Laurent Bourgnon allein am Steuer ankam», strahlte der Sieger und meinte dann: «Mit diesen Booten wird das Rennen zum Sprint, du bist ständig mit Vollgas unterwegs. Manchmal haben wir die Grenzen der Vernunft überschritten. 40 bis 45 Knoten bei rauer See ist fahrlässig. Ich hatte schon etwas Schiss.» Für den Zweitplatzierten François Gabart fand Caudrelier lobende Worte: «Wir haben uns hart duelliert, er ist sehr gut gesegelt und mir zum Schluss wieder gefährlich nahegekommen.»
Seinen Sieg verdanke er dem gesamten Gitana Team, das den Ultim hervorragend vorbereitet habe. «Ich musste kein einziges Mal einen Schraubenzieher in die Hand nehmen», bedankte sich der neue Rekordhalter.

Arrivée du vainqueur à Pointe à Pitre, Charles Caudrelier, Maxi Edmond de Rothschild – Route du Rhum-Destination Guadeloupe 2022 – Guadeloupe le 16/11/2022