Immer mehr Werften bieten ihre Jachten in Versionen mit elektrischem Antrieb an. Was steckt dahinter? Echtes Umweltbewusstsein oder eine simple Marketingstrategie? Skippers ist der Frage nachgegangen und erklärt, auf welche Aspekte man bei der Wahl achten sollte.

Text: Vincent Gillioz

Die Schifffahrt hinkt der Automobilindustrie in Bezug auf Elektromotoren gut und gerne zehn Jahre hinterher, holt den Rückstand aber rasant auf. Mehrere Hersteller wollen die Wende rasch herbeiführen und treiben die Entwicklung mit Hochdruck voran. Fountaine Pajot schreibt auf seiner Website: «Bis 2030 sollen alle von der Gruppe ausgelieferten Katamarane 100% elektrisch sein.» Die EU hat den Verkauf von Personenwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verboten. Vermutlich werden auch Schiffe über kurz oder lang unter diese Regelung fallen. Doch schon jetzt scheint klar: Ausnahmen werden eher die Regel sein.

© zVg – DIE ELEKTRISCH BETRIEBENE JPK45 KAHUNA WURDE VON DER FRANZÖSISCHEN INGENIEURSSCHULE CENTRALESUPÉLEC GENAUSTENS ANALYSIERT.

Äpfel nicht mit Birnen vergleichen

Wer Elektro- und Verbrennungsmotoren nur anhand von Leistung, Speicherkapazität oder Kosten miteinander vergleicht, kommt zu keinem befriedigenden Ergebnis. Die in einem Liter Kraftstoff (Diesel oder Benzin) enthaltene Energiemenge beträgt ungefähr 10 kWh. Der Wirkungsgrad für den Antrieb eines Motors oder eines Generators liegt jedoch lediglich bei 30 Prozent oder sogar darunter. Batterien speichern derzeit etwa 1 kWh pro 10 Kilo Gewicht, Tendenz steigend. Ein 300 Kilo schwerer Batteriepark sorgt also demnach für 30 bis 35 Wh Energie – nach der Umwandlung gleich viel wie 10 Liter Kraftstoff. Auch wenn ein Elektromotor einen Wirkungsgrad von 90 Prozent hat, scheint die Lösung auf den ersten Blick wenig attraktiv, zumal der Park eine vollständige Entladung nicht verkraften würde.

Überdies stellt sich die Frage der Energiequelle. Photovoltaik und Wasserkraft können bei Bedarf zusätzliche Energie liefern, allein aber reichen sie nicht, um den Antriebsbedarf zu decken, es sei denn, man braucht den Motor nur für Hafenmanöver. Wer in einem Jachthafen die Batterie an einer Ladestation auflädt glaubt vielleicht, er wäre CO2-neutral unterwegs, doch die Realität sieht meist anders aus. In vielen Törnrevieren wie Griechenland, Korsika oder in den Antillen, wird Strom aus fossilen Energieträgern mit katastrophaler CO2 -Bilanz gewonnen.

Alles berücksichtigen

Tatsächlich ist das Thema viel komplexer als es scheint. Bei der Beurteilung der Pros und Kontras muss eine Vielzahl an Kriterien einbezogen werden. Yvan Lazard, Ingenieur und Crewmitglied der elektrobetriebenen JPK 45 Kahuna, die schon Expeditionen bis zum 80. Breitengrad unternommen hat, bestätigt: «Man muss die gesamte Energiekette mit sämtlichen Umwandlungen unter die Lupe nehmen, um zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen.» Die Wahl des Propellers, der die Rotationsenergie in Antriebskraft umwandelt, sei zum Beispiel viel wichtiger als bei einem Verbrennungsmotor. Elektromotoren geben bei den ersten Umdrehungen ihr maximales Drehmoment ab, was bei der Bemessung berücksichtigt werden muss. So kann man bei vergleichbarer Effizienz für den Elektroantrieb einen weniger starken Antrieb in Betracht ziehen.

Die Kahuna ist mit zwei 15 kW-Motoren bestückt, die insgesamt rund 40 PS leisten, während ein vergleichbares Boot mit Verbrennungsmotor über 60 PS oder je nach Kundenwunsch sogar über 75 PS verfügt. Auch die Batteriespannung spiele eine Rolle, fügt Yvan Lazard hinzu: «48 V sollten nicht überschritten werden, da sonst strenge Sicherheitsmassnahmen zum Tragen kommen.»

Komfort, Preis, Wartung

Der Komfort wird im Zusammenhang mit elektrischen Antrieben oft als Hauptargument ins Feld geführt. Tatsächlich verursachen Elektromotoren deutlich weniger Lärm als Verbrennungsmotoren. Sogar mit einem Generator sind sie noch immer deutlich leiser, denn die Generatoren befinden sich in schallisolierten Gehäusen, die darüber hinaus noch viel kleiner sind als bei Dieselmotoren. Was die Wartung angeht, glauben viele, dass Elektroantriebe keinen Unterhalt erfordern. Bei aufladbaren Hybridmodellen verlangt der Generator aber den gleichen Service wie ein Motor. Generatoren sind für Elektroboote eine nicht zu vernachlässigende Sicherheitsgarantie. Damit lässt sich die Reichweite von einigen Dutzend auf mehrere Hundert Meilen erhöhen. «Bei einem Tempo von 4,8 Knoten haben unsere 30kWh-Batterien für 24 Meilen gereicht. Mithilfe des Stromaggregats und 220 Liter Diesel konnten wir bis zu 600 Meilen zurücklegen», erklärt der Ingenieur von CentraleSupélec.

© zVg – BEISPIEL EINES KOMPLETTEN ELEKTRISCHEN SYSTEMS MIT SPEICHERAKKUS, GENERATOR, LADEGERÄT UND WECHSELSTROMRICHTER. ES FEHLT DER TREIBSTOFFTANK FÜR DAS AGGREGAT.

Der Wirkungsgrad der Stromerzeugung mithilfe eines Aggregats liegt immer noch deutlich über dem eines Wechselstromerzeugers am Motor. Bei Langfahrten rund um die Welt kann ein Elektroantrieb zum Problem werden. Einen Mechaniker, der sich auf Dieselmotoren versteht und Ersatzteile für Verbrennungsmotoren wie Filter, Dichtungen und verschiedene Fluide an Lager hat, findet man eigentlich überall. Bei elektrischen und elektronischen Bauteilen ist das längst nicht der Fall. Ein zentraler Punkt ist schliesslich der finanzielle Aspekt. Ein elektrisches System mit Batteriepark, Aggregat usw. ist noch immer zwei- bis dreimal teurer als ein Verbrennungssystem. Die Kosten könnten sich allerdings in Zukunft ändern. Sollten die Dieselpreise weiter steigen, kann sich ein Elektroantrieb finanziell durchaus rechnen.

Alle Kriterien berücksichtigen

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es keine allgemeingültige Antwort auf die anfangs gestellte Frage gibt. Dazu spielen laut Yvan Lazard zu viele Aspekte eine Rolle: «Man muss jedes Mal eine energetische Fallstudie erstellen und dabei Umwelt-, Finanz- und Leistungsbilanz gegeneinander abwägen, um herauszufinden, welches Modell sich eher lohnt.» Das Problem verhält sich ähnlich wie in einem Haus, in dem man eine Wärmepumpe installiert. Das Gebäude ist deswegen noch lange nicht umweltfreundlich. Dazu müssen auch die Isolierung, die Belüftung, die Verglasung und der Sonneneinfall stimmen.

Sonnige und windige Regionen wie die Kanarischen Inseln oder die Antillen eignen sich gut für elektrische Systeme, da dort kaum unter Motor gesegelt wird und die Batterien mit Wasserkraft oder Solarenergie aufgeladen werden können. Dennoch ist es etwas gewagt, nur auf diese Energiequellen zu vertrauen. Für Solarpanels ist ein Katamaran das bessere Boot, da es mehr Fläche bietet.

Das Gewicht spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Ein scheinbar leichtes elektrisches System kann mit all seinen Peripheriegeräten, der Verkabelung, den Batterien, dem Aggregat und dem Treibstoff dann doch ziemlich schwer werden. Wie zu erwarten ist die Elektrifizierung nicht die Patentlösung für die Dekarbonisierung der Bootsbranche, kann aber wegbereitend sein. Die Zahl der Elektroboote wird in den nächsten Jahren exponentiell ansteigen, sodass die Hersteller aus den Erfahrungen lernen können. Der finnische Konzern Ocean Volt oder die deutsche Firma Torqeedo sind auf diesen Märkten gut etabliert und bieten bereits heute Komplettlösungen an. Fountaine Pajot hat mit ODSea Lab eine eigene Innovationsabteilung eingerichtet, in der nach nachhaltigen Lösungen geforscht wird. Die Elektrifizierung von Sportbooten steckt noch in den Kinderschuhen, die Entwicklung könnte aber plötzlich sehr schnell gehen.

© Christian Brecheis – EIN ELEKTROANTRIEB HAT DEN VORTEIL, DASS DIE STEUERGERÄTE NICHT VIEL PLATZ BRAUCHEN.