Mosambik ist seit rund zehn Jahren für den Tourismus offen. Unterwasserwelt und Savanne locken mit komplett neuen Erfahrungen und vielen emotionalen Momenten.

Text und Fotos: Christophe Migeon

In Mosambik ist alles etwas anders. Das merkt man schon kurz nach der Ankunft. Wo sonst auf der Welt beginnt man einen Tauchgang am Heck eines Traktors? In Ponta do Ouro ganz im Süden des Landes startet das Unterwasserabenteuer in einem Schlauchboot, das auf einem Anhänger befestigt ist und auf der sandigen Dorfstrasse von einem Schlagloch zum nächsten holpert. Wie auf der Plattform eines fasnächtlichen Umzugwagens grüssen die in ihren Neoprenanzügen schweissgebadeten Taucher die wenigen Zuschauer am Strassenrand. So werden die Achseln wenigstens ein wenig durchgelüftet. Am Strand angekommen schiebt der Traktor das Boot auf einem grossen Baumstamm in die Brandung. Steg ist keiner vorhanden. Bis die mehrere hundert Meter vor der Küste gelegene Sandbank passiert ist, müssen die Taucher eine Schwimmweste anziehen. Auch das ist eigentlich unüblich. Doch das Meer schäumt vor Wut. Wie nur konnte es ein Stück Land wagen, sich den heranrollenden Wellen in den Weg zu stellen!

Die Füsse fest in die Schlaufen gesteckt und verpackt wie Porzellan für den Postversand nähern sich die Taucher den Brechern. Am Steuer sitzt der Clubeigner Rupert Cornelius. Er weiss, was er tut. Seit mehr als zehn Jahren stellt sich der Südafrikaner den unbändigen Wellen vor der Küste Mosambiks. Die afrikanischen Kinder scheinen von ihren Eltern etwas weniger in Watte gepackt zu werden als ihre europäischen Cousins. Rupert war keine acht Jahre alt, als er es allein mit seiner Tauchflasche und seinem Dinghi mit den entfesselten Elementen aufnahm. Aus dem kleinen Jungen ist in all den Jahren ein Experte geworden, ihm macht niemand etwas vor. Nachdem er den Wellengang eine Weile beobachtet hat, gibt er Gas, gleitet zwischen zwei Wellenbergen hindurch, weicht einem imposanten Brecher aus, fährt im Slalom durch die Brandung und durchquert schliesslich die schäumende Gischt. Dabei zeigt er ebenso wenig Emotionen, wie wenn er ein Auto aus der Parkgarage eines Supermarkts steuern würde. Ein paarmal spritzt das Wasser noch impulsiv hoch, dann ist es plötzlich ruhig. Beschaulich liegt der Indische Ozean da. Nur die buckligen Rücken der Wale durchbrechen die Ölsee. Die Passagiere wurden nur leicht durchgeschüttelt und kaum nass. Sie haben den «South African Surf Launch» sichtlich genossen.

Der Schrecken der Meere

Gegenüber Ponta do Oura verbergen sich unter der Wasseroberfläche gleich zwei parallel verlaufende Korallenriffe. Es sind Überreste einstiger Küsten. Dazwischen liegt das Loggerhead Valley, das Tal der Unechten Karettschildkröten. Sein 30 Meter tiefer Sandboden ist von Seefedern übersät. «Schildkröten sind ganz verrückt nach den Blumentieren», erzählt Ruperts Frau Jenny. Sie ist eine profunde Kennerin der hier lebenden Nacktkiemer und eine begnadete Makrofotografin. Im Moment stehen aber weder Schildkröten noch Schnecken auf dem Programm. Das Tagesziel heisst Pinnacle, denn dort sollen sich unzählige Haie tummeln. «Mit ein wenig Glück kann man hier fünf bis sechs verschiedene Arten beobachten», sagt Rupert. Er kennt sie alle, erzählt von ihren Verhaltensweisen und kleinen sowie grossen Macken. Der Hammerhai zum Beispiel fürchtet sich vor den Kamerablitzen, die wenigen, neugierigen Schwarzspitzenhaie berühren ihre Nahrung immer erst mit dem Maul oder der Brust, bevor sie die Beute verschlingen, und der Tigerhai beäugt die Taucher aus der Ferne, bevor er sich still und leise wieder aus dem Staub macht und nach appetitlicherer Beute Ausschau hält. «Heute haben wir es aber auf den Bullenhai abgesehen. Dazu müssen wir zusammenbleiben, sonst kommt er nicht nah genug heran.»

Dem Bullenhai eilt ein furchtbarer Ruf voraus. Als Biest der Meere, Badboy der Küste, Schrecken der Badenden, blutgieriger Bösewicht und Schlächter der Surfer verschrien wurde er in La Réunion zum Staatsfeind Nummer eins erklärt. Er gehört neben dem Tigerhai, dem Weissen Hai, dem Weissspitzen-Hochseehai und dem Grossen Hammerhai zu den fünf Arten, die ihre Zähne auch schon mal in Menschenfleisch bohren. Dass es sich dabei um tragische Verwechslungen handelt, ist zwar bekannt, wird aber verdrängt, denn meist enden die Angriffe tödlich. Was wurde dem armen Tier nicht schon alles angedichtet! In Mosambik wirder Sambesi-Hai genannt, weil er auch im Fluss vorkommt. Tatsächlich ist er der einzige Hai, der im Süsswasser überlebt. Diese physiologische Eigenheit macht ihn zwar nicht sympathischer, lässt ihn aber immerhin weniger grausam wirken.

Beachen wie Bond

Beim Eintauchen in das verheissungsvolle Nass denkt jeder nur an den furchteinflössenden Raubfisch. Komplett fixiert auf das so faszinierende und gleichzeitig gefürchtete Tier würdigen die Taucher in 38 Metern Tiefe eine oberschenkeldicke Netzmuräne, die aufgescheucht ihren hexenartigen Kopf aus dem Versteck streckt, kaum eines Blickes. Ebenso wenig Erfolg haben drei Rotfeuerfische, die mit ausgefahrenen Segeln selbstbewusst vor dem Riff patrouillieren, als wären sie portugiesische Galeonen, die im 16 Jahrhundert allein über den Indischen Ozean herrschten. War das wirklich schon alles? Als die Taucher ziemlich enttäuscht wieder aufsteigen, zeichnet sich die ersehnte Silhouette endlich im blaugrünen Wasser ab. Es ist weniger seine Grösse als seine Korpulenz, die beeindruckt. Man spürt die rohe Kraft, die jeden Moment explodieren kann. Seine kleinen Augen blicken böse. Die Bestie macht wirklich keinen vertrauenserweckenden Eindruck. Wie besprochen bleiben die Taucher zusammen. Nicht, dass die geringste Gefahr bestünde, aber der scheue Gast soll nicht aufgeschreckt werden, damit er sich möglichst nah an die Objektive heranwagt. Rupert hält sich etwas abseits, leert eine stark riechende Fischbrühe aus, in die sich der Hai mit Wonne stürzt. Dann zückt er die Zauberwaffe: eine Handvoll köstlicher Sardinen, die der Räuber wie ein vollgefressener Hund genüsslich vertilgt. Die Emotion dieser denkwürdigen Begegnung ist noch spürbar, als das RIB über die Wellen zurück nach Ponta de Oura reitet und Rupert zum «Beachen» ansetzt. Jedem Bootsführer, der nördlich des Wendekreises des Steinbocks geboren wurde, würde bei diesem Manöver der Angstschweiss ausbrechen. Während die beiden 100-PS-Motoren aufheulen, meint er cool «Hang on!» und schon liegt das Boot komplett auf dem Sand zwischen Badetüchern und Sonnenschirmen. Sicher, James Bond leistet sich gelegentlich solche Spässe, doch nie mit seinem eigenen Schiff. Er will es schliesslich nicht zu Schrott fahren.

Dünnhäutige Dickhäuter

An Land verspricht die Maputo Special Reserve nur 45 Autominuten nördlich von Ponta do Oura weitere aufregende Begegnungen. Nicht nur die Menschen erinnern sich an den langen Bürgerkrieg, der das Land zerriss und vor 29 Jahren endete. Am Eingang des Naturschutzgebiets zeigt ein Schild einen wütenden Elefanten, der ein Auto umkippt. Nicht wirklich beruhigend. «Gerade letzten Monat hatten wir wieder so einen Fall», erzählt Mike Turner. Der Engländer führt in Mosambik seit sieben Jahren Safaris durch. «Während des Bürgerkriegs schossen die Soldaten beider Lager auf die Elefanten im Reservat, um Fleisch zu erbeuten, aber auch einfach nur aus Spass. Einige der Dickhäuter haben die Zeit erlebt, sind misstrauisch und nach- tragend. Man spricht nicht umsonst von einem Elefantengedächtnis!» In der Nähe des Xingute-Sees trampelt eine Kolonne im Gänsemarsch durch das hohe Gras zur Sandpiste. Argwöhnisch heben sie ihre Rüssel, versuchen die Art der Eindringlinge zu erschnuppern und wenden sich dann wieder dem Verzehr zarter Blätter zu. «Die 350 im Park lebenden Elefanten sind nicht alle aufbrausend», versucht Mike zu beschwichtigen. «Viele kommen aus dem Tembe-Park in Südafrika, der über einen langen Korridor mit dem Reservat verbunden ist.» Anderswo hüpfen kastanienfarbene Antilopen durch den Busch. Impalas beäugen neu- gierig das Auto. Ihre grossen, schwarz-weiss gestreiften Ohren machen denen von Prinz Charles Konkurrenz. In der Ferne galoppiert eine Herde Gnus vorbei. Mit ihrem Ziegenbart und ihrer buckligen, plumpen Gestalt geben die gutmütigen Beelzebuben eine groteske Vorstellung ab. Während sich der Abend schattenartig über die ebene Fläche legt, brechen Giraffen mit ihren langen Hälsen die waagrechte Linie des Horizonts auf.

Einmal waschen bitte

In Tofo, 600 Kilometer weiter nördlich, warten weitere Riesen, diesmal aber im Wasser. In der Region sind zwei Mantaarten heimisch: der Rie- senmanta mit seinem komplett weissen Bauch und der etwas weniger imposante Riffmanta mit «nur» drei bis vier Metern Spannweite und schwarzen Flecken auf der Unterseite. «Rund um Tofo leben von jeder Art rund 700 Exemplare», sagt Anna Flam, eine Forscherin aus New York, die hierhergekommen ist, um für eine NGO das Wachstum und Verhalten der Mantas zu untersuchen. In den letzten Jahren seien aber nur noch halb so viele gesichtet worden, fügt sie an. «Das muss nicht heissen, dass ihr Bestand geschrumpft ist. Sie haben vermut- lich ihre Gewohnheiten geändert und machen einen weiten Bogen um Reviere, in denen sich zu viele Taucher oder Haie aufhalten. Drei Viertel weisen Spuren von Schwarzspitzenoder Bullenhaibissen auf!» Während das Tauchboot von den Brechern unsanft hinund hergeschüttelt wird, stürzen sich ein paar Einheimische mit Tauchmaske und Schnorchel in die Brandung. Wollen sie etwa schnorcheln? Nicht wirklich. Plötzlich bricht Hektik aus. Wie auf Kommando springen die Männer auf, werfen ihre Masken an den Strand und ziehen ein Netz voller kleiner, zappelnder Silberfische an Land, die auf dem Sand mit dem Tod ringen. Ihre Körper werden steif, die Schuppen verlieren ihren Glanz und die Mäuler öffnen sich ein letztes Mal um Luft ringend. Mit einer Wasserschaufel, einem alten Eimer oder mit den blossen Händen sammeln die Männer den wundersamen Fang ein. Die Öffnung des Landes für den Tourismus durch den ehemaligen Präsidenten Joaquim Chissano im Jahr 2004 darf nicht vergessen lassen, dass Mosambik nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt gehört und das Überleben der Küstendörfer weitgehend vom Fischfang abhängt. Nach einer Dreiviertelstunde Gehüpfe auf den Wülsten des Schlauchboots ist es endlich soweit: Mit einer Rückwärtsrolle lassen sich die Taucher in die Planktonbrühe fallen. Das körnige Grün erinnert an eine Lauchsuppe. Doch mit Speck fängt man ebensowenig Mäuse wie mit Mineralwasser Mantas. Eine rautenförmige Gestalt huscht geisterhaft über das Riff. Sie sieht aus wie ein ins Meer gefallenes Segel, das von der Strömung mitgerissen wurde und über einer Korallengruppe gestrandet ist. Hier hatte ein geschäftstüchtiges Team Lippfische die gute Idee, eine Servicestation für Mantas zu eröffnen. Sie können dort ihre Haut überholen und ihren Kiemendruck überprüfen. Wohlig winden sich die Mantas unter den sanften Bissen der eifrigen Putzer. Ihre Flügel zucken im milchigen Schein des grünen Wassers vor Verzückung. Man ist fast geneigt, den Neoprenanzug abzustreifen und es ihnen gleichzutun.


Praktische Infos

Anreise

Mit TAP ab Genf, rund 17-stündiger Flug nach Maputo mit Zwischenstopp in Lissabon, ab 900 €. www.flytap.com

Übernachten

Coco Rico Resort. Es liegt zwischen zwei Tauchclubs in Ponta do Ouro und besteht aus zwanzig grossen, um einen Pool angeordneten DreiZimmer Bungalows. 145 € (NS) oder 225 € (HS) pro Übernachtung. cocorico.co.mz

Liquid Dive. Elf Bungalows für zwei Personen im skandinavischen Design, alle zum wilden Strand Tofo geöffnet. Das Resort führt einen eigenen Tauchclub und ein Restaurant für Frühstück und Mittagessen. 85 € pro Nacht. liquiddiveadventures.com

Tauchen

In Ponta do Ouro: Back to Basics Adventures. Tauchgang mit Haien: 55 €. backtobasicsadventures.com
In Tofo: Liquid Dive. Tauchgang: 45 €. liquiddiveadventures.com

Sehenswertes im Wasser

Im Südsommer von November bis Mai ist die Sicht am besten, aber es gibt in jeder Jahres- zeit Spannendes zu sehen. In Ponta do Oura hat man von Februar bis April die grössten Chancen, Bullhaie zu sichten. Von Dezember bis März ist Hammerhai-Saison und von Juli bis November halten sich die Buckelwale dort auf. In Tofo findet man das ganze Jahr hindurch Mantarochen und Walhaie. Für Buckelwale bieten sich Juli bis September an, für Hammerhaie September bis November und für Zebrahaie Januar bis Juli.

Sehenswertes an Land

Maputo Special Reserve. Das 1040 Quadratkilometer grosse Naturschutzgebiet liegt 68 Kilometer südlich von Maputo und 40 Kilometer von Ponta do Oura entfernt. In seinen Savannen und Wäldern leben rund 350 Elefanten und etwa hundert Giraffen. Die Seen Xingute, Piti und Munde locken Flusspferde, Krokodile und Zugvögel an. Der Park ist noch sehr spärlich erschlossen und kaum besucht. Mike Turner organisiert Ausflüge von Ponta do Oura aus. Ein ganztätiger Privatausflug mit seinem Lkw (10 Personen) kostet rund 250 €. +258.84.272.5914, mobile.facebook.com/mozamwild/

Für massgeschneiderte Reisen und/oder Törns:
my Charter, info@mycharter.ch mycharter.ch