Die Initianten des Projekts SP80 wollen den Geschwindigkeitsrekord im Segeln knacken. Die ersten Trainings im französischen Leucate im vergangenen Herbst verliefen vielversprechend, das Team macht sichtbar Fortschritte. Ende Jahr soll dann am gleichen Ort der Rekord fallen.

Interview : Pauline Katz

2019 gründeten die drei ehemaligen EPFL-Studenten Benoît Gaudiot, Mayeul van den Broek und Xavier Lepercq das Start-up SP80. Ihr ambitioniertes Ziel: den bisherigen Weltrekord im Speedsegeln brechen. Der liegt derzeit bei 65,45 Knoten und wird von Vestas Sailrocket 2 gehalten. Seit vergangenem Herbst ist die Rekordmaschine einsatzbereit und die Tests laufen auf Hochtouren. Benoît Gaudiot, einer der Piloten der Schweizer Rakete, verrät, was in diesem alles entscheidenden Jahr ansteht.

«Wir fühlen uns bereit»

Wie waren die ersten Trainings und wie fühlt sich das Boot an?

Wir sind zwar noch nicht wahnsinnig schnell unterwegs, aber die ersten Testfahrten verliefen sehr positiv. Bisher verhält sich das Boot wie geplant. Das Feeling im Bootsinnern ist durch die ganze Ausrüstung um uns herum etwas gedämpft. Sie wirkt wie ein Filter. Wir sitzen in einem geschlossenen Cockpit und tragen Helme mit Mikros. So können wir uns auf das Wesentliche konzentrieren – ich auf das Steuern des Kiteschirms und Mayeul auf das des Boots. Wenn wir nach dem Run die Haube öffnen, sind wir zurück in der realen Welt. Die fühlt sich bei 35 Knoten deutlich chaotischer an.

Wie glauben Sie, wird dieses Gefühl mit 80 Knoten sein?

Wir versuchen, uns das Feeling vorzustellen, es gelingt uns aber nicht wirklich. Das ist auch der Grund, warum wir die Piloten von Anfang an bestimmt haben. Wir müssen uns mental vorbereiten. Das Boot ist sehr komfortabel und man spürt nicht wirklich, wie schnell man unterwegs ist, so ähnlich wie in einem modernen Auto. Bei dieser Geschwindigkeit werden unsere Körper unweigerlich viel Adrenalin ausschütten, obwohl wir das eigentlich verhindern wollen. Je weniger Adrenalin, desto besser.

Wie gut haben die ersten Fahrten mit dem 25-m2-Kite geklappt?

Ziemlich gut. Wir haben eine Startplattform auf einem der Begleitboote gebaut. Ein Mast hilft uns dabei, den Schirm so zu positionieren, dass er sein volles Potenzial ausschöpfen kann. Die ersten Starts mit einem grossen Schirm haben auf Anhieb funktioniert. Trotzdem bleibt der Start ein kritischer Moment. Er erfordert eine fehlerfreie Koordination zwischen den beiden Schlauchbooten und uns im Cockpit. Für den Rekordversuch werden wir vermutlich einen 40 Quadratmeter grossen Schirm verwenden.

Wie schwierig ist es, den Kiteschirm zu steuern?

Wir haben ein intuitives Steuerungssystem entwickelt. Die übliche Pinne wurde durch ein Lenkrad und einen Hebel ersetzt. Natürlich mussten wir uns zuerst daran gewöhnen, aber jeder gute Kiter könnte den Schirm mit etwas Übung steuern. Worauf man besonders achten muss, ist das Trägheitsmoment. Daher muss jede Bewegung vorrausschauend geplant sein. Bei Problemen können wir den Kite mit einem Notsystem abwerfen.

Wie kommunizieren Sie mit dem zweiten Piloten Mayeul van den Broek?

Im Cockpit sind wir durch ein Schott getrennt. Jeder von uns trägt 50 Prozent der Verantwortung, wir müssen uns daher perfekt abstimmen. Wir kommunizieren sowohl miteinander als auch mit dem Team in den Begleitbooten über Helme. Da wir ein eingeschränktes Sichtfeld haben, sind die Teammitglieder sozusagen unsere Augen und Ohren. Sie versorgen uns mit wertvollen Informationen über das Revier, Windböen und andere wichtige Faktoren. Ohne effiziente Kommunikation kein Erfolg.

Können Sie auch an Land trainieren?

Wir haben keinen Simulator, an dem wir unsere Steuerfähigkeiten trainieren könnten, verfügen aber über eine Software, die das Verhalten und die Leistung des Boots unter verschiedenen Bedingungen simuliert. Sie hilft uns, den optimalen Trimm, die richtige Positionierung der Foils und die ideale Segelstellung zu finden. Dadurch können wir das Maximum aus unserem Wassertraining herausholen, denn dort lernen wir am meisten.

DAS BOOT DÜRFTE MIT EINEM 40-M2-KITE SEINEN TOPSPEED ERREICHEN. AUF DEM BILD IST ES MIT EINEM 25-M2-KITE ZU SEHEN.

Haben Sie auch gewisse Befürchtungen?

Natürlich, obwohl wir bei unseren Sicherheitsvorbereitungen immer vom Extremsten ausgegangen sind. Wir fühlen uns bereit. Wir kennen das Boot und alle Bordsysteme in-und auswendig, vertrauen dem Team und setzen nach und nach grössere Kites ein. Es handelt sich um einen Lernprozess, den wir Schritt für Schritt durchlaufen. Wir überprüfen auch regelmässig alle Bordsysteme.

DIE SICHERHEITSAUSRÜSTUNG AN BORD DER SP80 GLEICHT JENER IN KAMPFJETS.

Was können Sie uns über die Beschleunigung verraten?

Wenn wir das Boot mithilfe der Begleitboote gut positioniert haben, führen wir einen letzten Sicherheitscheck durch und starten den Kite. Der Moment, in dem das Boot in Bewegung kommt, ist äusserst heikel. Der Kite zieht mit voller Kraft, das Boot kommt nicht voran und Mayeul kann die Richtung nur wenig beeinflussen. Ab einer Geschwindigkeit von 8 bis 9 Knoten haben wir das Ruderblatt dann besser unter Kontrolle. Unser Boot ist für Temporuns gemacht und daher bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten nicht sehr manövrierfähig. Wenn wir die 15 Knoten erreicht haben, ist die kritischste Phase überwunden. Daran arbeiten wir im Moment und freuen uns auf das, was uns als Nächstes erwartet. Sobald sich das Boot in der Gleitphase befindet, beschleunigt es rasant.

Was steht als Nächstes an?

Wir hoffen auf einen Frühling mit viel Wind, damit wir möglichst oft auf dem Wasser trainieren können, und auf einen Rekord gegen Jahresende.