Hervorragende Bilanz für die Schweizer Delegation in Lagos: Hinter WM-Sieger Christian Zürrer auf Black Star belegte Alinghi Red Bull Racing den 3. und Team Tilt den 4. Platz.

Text: Grégoire Surdez

Die GC32 sind fest in Schweizer Hand, 2022 macht da keine Aus- nahme. Auch dieses Jahr wurde zum Klang der Schweizer Nationalhym- ne die rote Flagge mit dem weissen Kreuz gehisst. Eigentlich hatte man ein anderes Team auf dem obersten Treppchen erwartet. Nach Team Tilt (2018), Alinghi (2019) und Red Bull Sailing Team, das im letzten Jahr kurz vor seiner Fusion mit Alinghi zum WM-Sieger gekrönt wurde, gewann im Juli im portugiesischen Lagos überraschenderweise Black Star den vierten WM-Titel in der Klasse der fliegenden Katamarane.
Alinghi Red Bull Racing, grosser Favorit und künftiger Herausforderer des 37. America’s Cup, schaffte es immerhin noch aufs Podest (3). Er war mit einer neuen Crew und dem 24-jährigen Maxime Bachelin am Steuer ange- treten, da Stammskipper Arnaud Psarofaghis und ein Teil der Crew bereits nach Barcelona gereist waren, um die Einwasserung des BoatZero vor- zubereiten. Die zweitplatzierten Franzosen von K-Challenge mit Quentin Delappiere schrammten nur ganz knapp am ganz grossen Erfolg vorbei.

NACH IHREM WM-SIEG VON 2018 MUSSTEN TILT UND SEB SCHNEITER DIESMAL MIT DEM 4. PLATZ VORLIEB NEHMEN.

Vom SailGP und dem America‘s Cup zum GC32

Zur WM in der Algarve hatte sich eine stattliche Flotte aus zehn Teams eingefunden. Mit drei Booten war die Schweiz zahlenmässig eindeutig im Vorteil. Neben Alinghi Red Bull Racing und Black Star Sailing trat in Portu- gal auch Team Tilt an. Trotz des vollen Regattakalenders am SailGP wollte Sébastien Schneiter auf keinen Fall auf die WM verzichten, schliesslich konnte er hier schon grosse Erfolge feiern. Nach seinem Sieg im Jahr 2018 und seinem zweiten Platz ein Jahr später trat Team Tilt diesmal mit einer internationalen Crew in den Farben von Switzerland SailGP an. Obwohl er das Podest nur knapp verpasst hatte (4.), wirkte Seb Schneiter alles andere als enttäuscht. Im Interview schwärmte er: «Wir hätten uns bei mehr Wind sicher besser geschlagen, denn darauf hatten wir uns vorbereitet, die WM war aber trotz der schwierigen Bedingungen grossartig. Es wurde auf sehr hohem Niveau gesegelt und die Skip- per haben eine super Leistung gezeigt.»

Das Team weiss, dass es die knappe Zeit zwi- schen den Regatten des SailGP möglichst effi- zient nutzen muss. Jede Minute, die es mit Re- gattieren und Foilen verbringt, ist kostbar. Für Switzerland SailGP, das sich noch in der Aufbau- und Konsolidierungsphase befindet, war die WM eine Chance, sich weiter zu steigern.
Auch bei Alinghi Red Bull Racing ging es in La- gos um mehr als nur den WM-Titel. Laut Nils Frei, dem neuen Headcoach des Schweizer Syndikats, hat das einzige teilnehmende Boot des Challengers seine Zeit in dieser ereignis- reichen Woche nicht verschwendet. Er ver- glich die WM mit einem Test Event auf dem Weg zum grossen Ziel, dem Sieg des America’s Cups. «In dieser Hinsicht war die Regatta eine gute Gelegenheit, die richtigen Automatismen zu erlernen und besser zu harmonieren.»

ALINGHI RED BULL RACING BELEGTE MIT SEINEM JUNGEN TEAM DEN HERVORRAGENDEN 3. PLATZ

Testlauf für Alinghi

Da Steuermann Arnaud Psarofaghis wegen seines vollen Cup-Programms verhindert war, überliess er seinen Posten Maxime Bachelin. Tatkräftig unterstützt von Nicolas Charbonnier, Yves Detrey, Bryan Mettraux und Florian Trüb konnte der erst 24-Jährige Waadtländer die Er- wartungen erfüllen. «Es war nicht einfach, aber wir machen Fortschritte, das ist das Wichtigs- te», schätzte Maxime Bachelin die Situation ein.
«Die Regatten waren sehr eng und erforderten viel Konzentration. Wir nehmen das Positive aus der WM mit. Dass wir schnell sind, haben wir ge- zeigt. Bei den Starts hapert es noch, ich werde daher in den nächsten Trainings schwerpunkt- mässig daran arbeiten.» Seinem ersten Podest- platz in der GC32-Klasse kann Maxime aber vor allem Gutes abgewinnen, denn «sich schwieri- gen Situationen wie diesen zu stellen, ist eine gute Vorbereitung auf den Cup.»

BLACK STAR SICHERTE SICH IN PORTUGAL MIT EINEM HOCHKARÄTIGEN INTERNATIONALEN TEAM GOLD UND BESCHERTE DER SCHWEIZ DAMIT BEREITS DEN DRITTEN VON VIER MÖGLICHEN WM-SIEGEN IN DER GC32-KLASSE.

Gold für die Deutschschweiz

Es war also der dritte Schweizer im Bunde, der die Kastanien aus dem Feuer holte. Für das Black Star Sailing Team ging es im Gegensatz zu Tilt und Alinghi einzig und allein um den Sieg. Teameigentümer und Grosssegeltrim- mer Christian Zürrer erfüllte sich mit dem Titel einen grossen Traum. Es war sein erster Sieg auf einem GC32. Das 2019 ins Leben ge- rufene Black Star Sailing Team lernt unter der Anleitung der mit dem GC32 bestens vertrau- ten Legionären an Bord unglaublich schnell. Mit Steuermann Chris Steele aus Neuseeland, Pierluigi De Felice aus Italien, dem Kiwi Ste- wart Dodson und dem Briten Will Alloway hat Christian Zürrer ein brandgefährliches Team zusammengestellt. Dass sich Black Star vor die lange dominierende K-Challenge schieben konnte, verdankt es vor allem seiner Konstanz. Im zweitletzten Lauf war der Widerstand der Franzosen gebrochen, sie mussten die Schwei- zer ziehen lassen. Christian Zürrer meinte strahlend: «In der letzten Saison hatten wir viele Hochs und Tiefs. Dieses Jahr wollten wir konstanter segeln und das ist uns gelungen. Die Chemie im Team stimmt, wir vertrauen ei- nander voll.» Auf den fliegenden One-Design- Geschossen sei dies wohl der Schlüssel zum Erfolg, mutmasst der Weltmeister, denn «je stabiler ein Team, desto erfolgreicher.»

Für den Teameigentümer, der in der Deutsch- schweiz kaum Beachtung findet, ist dieser WM- Titel nach der durchzogenen Saison 2021 eine umso schönere Belohnung, aber: «Selbst ein Sieg gegen Alinghi scheint die Deutschschwei- zer Medien nicht zu interessieren», seufzt er. «Bei uns ist Segeln leider noch immer eine Randsportart. Jetzt hoffen wir, dass wir an diesen Erfolg anknüpfen können und auch noch die Klassenmeisterschaft gewinnen.» Ob ein weiterer Sieg gegen den Challenger des 37. America’s Cups ausreichen würden, um Black Star etwas mehr ins Scheinwerferlicht zu rücken? Zürrer zweifelt: «Da bin ich nicht überzeugt.»