Für Sébastien Schneiter und sein Team endete das Jahr 2022 mit einem frustrierenden Ergebnis (9.). Obwohl sie erstmals in einem Lauf auf dem Podest standen, reichte es dann doch nur für den letzten Platz.

Text: Grégoire Surdez

Manchmal liegen Freud und Leid eng beieinander. Das mussten Sébastien Schneiter und sein Team in Dubai am eigenen Leib erfahren. Noch nie waren sie so nahe an einer Finalqualifikation und doch landeten sie am 7. Grand Prix der Saison auf dem letzten Platz. Noch ärgerlicher war das schlechte Abschneiden, weil sie am Samstag ihren ersten Podestplatz ersegelt hatten. «Diese erste Top-3-Platzierung tut uns gut», sagte der jüngste Steuermann des SailGP nach diesem Erfolg erleichtert. «Wir erleben seit Beginn der Meisterschaft schwierige Zeiten, der Lernprozess ist wirklich nicht einfach. Doch wir machen ständig Fortschritte. Leider spiegelt sich das nicht immer in den Ergebnissen wider.»

Nulltoleranz

Die Regatten in Dubai haben exemplarisch gezeigt, warum der SailGP so attraktiv und gleichzeitig so hart ist. Bis zur Überquerung der Ziellinie bleibt alles möglich, egal in welchem Lauf. Will heissen: Der winzigste Fehler, das geringste Nachlassen, die kleinste körperliche Schwäche oder Unaufmerksamkeit können die Crew teuer zu stehen kommen. Und da sich
jeder gewonnene oder verlorene Platz auf den Punktestand niederschlägt, kann ein traumhafter Lauf sehr schnell zum Alptraum werden. Selbst die Grössten bleiben nicht verschont,
auch ihnen können folgenschwere Patzer passieren. Sir Ben Ainslie, der im letzten Manöver des grossen Finales den Sieg verspielte, kann ein Lied davon singen. Als er an der offiziellen
Cocktailparty des SailGP darauf angesprochen wurde, räumte er freimütig ein: «Ich habe einen Riesenfehler gemacht.»
Laurane Mettraux, die Focktrimmerin und Grinderin auf dem Schweizer Boot, meinte dazu: «Es ist beruhigend zu sehen, dass unter Druck auch die besten Segler der Welt Fehler machen. Die meisten Menschen sind sich nicht bewusst, wie intensiv diese Rennen sind und dass sie mental und körperlich an die Substanz gehen. Wenn sich der Puls im roten Bereich befindet, ist es schwierig, einen klaren Kopf zu bewahren.» Man kann also auch als dreifacher Olympiasieger, zigfacher Weltmeister und America’s-Cup-Gewinner aussehen wie ein Junior und
spektakulär scheitern.

IN DUBAI SEGELTEN DIE TEAMS IN NÄCHSTER NÄHE DES PUBLIKUMS

Generelle Fortschritte

Das Spektakel am zweiten Tag des Dubai GP war zweifellos das bisher attraktivste in der Geschichte der Regattatour. Bei einer 15 Knoten starken Thermik wurde dem Publikum und den Teams alles geboten. Die Australier, die seit zwei Saisons souverän über den SailGP herrschen, erlebten am ersten Tag die Hölle, konnten sich dann aber fangen und dank des britischen Blackouts doch noch einen knappen Sieg einfahren. Die Franzosen um Quentin Delapierre bestätigten ihre momentane Topform und schoben sich wenige Wochen nach ihrem Sieg in Cádiz auf den hervorragenden 2. Platz. Bei einem so offensichtlichen Talent dürften viele französische Segelfans bedauern, dass ihr Land den nächsten America’s Cup verpasst.

Das SailGP-Team hätte eigentlich als Grundlage für ein AC-Projekt dienen sollen, jetzt muss es sich selbst genügen. Doch die Segler scheint David Gray Ricardo Pinto der SailGP momentan vollends zu beglücken. Sébastien Schneiter kann das französische Team zum Vorbild nehmen, denn der Erfolg hat sich auch bei ihm nicht von heute auf morgen eingestellt, im Gegenteil. «Es war ein langer Lernprozess, bis wir endlich Resultate brachten», bestätigt Quentin Delapierre. Bruno Dubois, der Direktor von France SailGP, weiss, wie viel Zeit nötig ist, um kleine Fehler auszumerzen, die sich in der Rangliste rächen, und ist daher überzeugt: «Seb und sein Team werden es schaffen, auch wenn man jetzt vielleicht noch nicht alle der in letzter Zeit erzielten Fortschritte sieht.»

BEI DEN MANÖVERN WERDEN DIE SEGELNDEN AUF DEM TRAMPOLIN DER F50 ZU AKROBATEN.

Die grösste Baustelle des Schweizer Teams ist der Start. Dort gibt es noch viel Verbesserungspotenzial. Seb Schneiter: «Zwischen Tag 1 und Tag 2 konnte man einen deutlichen Unterschied sehen. Am Sonntag haben wir dreimal versucht, uns oben zu positionieren, aber wir hatten jedes Mal Mühe, von der Linie wegzukommen. Es kommt wirklich auf Details an, aber solche Fehler lassen sich korrigieren. Im letzten Rennen haben wir eine Strafe eingefangen, die ich doch etwas sehr streng fand, denn die Kiwis hatten genug Platz für eine LayLine-Halse. Die Sofortstrafe bedeutete für uns, dass wir warten mussten, bis die Neuseeländer an uns vorbeigezogen waren. Da sie aber wieder auf ihre Rümpfe gefallen sind, hat uns das viel Zeit geraubt.»

JEAN-FRÉDÉRIC DUFOUR, CEO VON ROLEX, ÜBERREICHT DEN AUSTRALIERN NACH EINEM PACKENDEN GRAND PRIX DEN SIEGERPOKAL.

Die so verlorenen Plätze kosteten viele Punkte, was umso ärgerlicher ist, als angesichts der sehr eng beieinanderliegenden Teams jeder Punkt Gold wert ist. In Dubai zum Beispiel hat
Switzerland SailGP das Finale nur um winzige sieben Punkte verpasst. Es war bei Weitem sein bestes Ergebnis der Saison, und doch wurde der Schweizer F50 nur 9. und damit Letzter.

AUCH WENN ES AUF DEM PAPIER NOCH NICHT SO AUSSIEHT, KONNTE DIE SCHWEIZER CREW OFT MIT DEN BESTEN MITHALTEN.

Eine frustrierende Erfahrung, die aber zeigt, dass man am SailGP auch dann, wenn alles verloren scheint, nie aufgeben darf. «Man muss sich nur die Australier anschauen», so Sébastien Schneiter. «Sie legen einen unglaublichen Kampfgeist an den Tag und geben sich nie geschlagen. Natürlich hatten sie manchmal auch Glück, aber eigentlich ist es kein Zufall, dass es immer die gleichen trifft. Es liegt an uns, den Erfolg herbeizuführen, indem wir weiterarbeiten. Wir spüren, dass wir auf einem guten Weg sind. Die Woche in Dubai mit grossartigen Trainings und einem hart umkämpften Grand Prix, bei dem wir uns nie haben abhängen lassen, stimmt uns zuversichtlich.» Hoffen wir, dass er recht behält und Switzerland SailGP nächstes Jahr mehr Freud als Leid erlebt.