Text: Quentin Mayerat
Für Manuela Jungo steckt das Leben voller Überraschungen. Die Kitesurferin aus Düdingen (FR) versteht sich selbst als Storytellerin… kein Wunder, führt sie doch ein Leben wie im Märchen. Alles begann damit, dass die junge Frau ihr Business-Kostüm gegen ein Lycra-Shirt und einen Badeanzug tauschte. Danach ist sie Spitzensportlerin geworden und inzwischen lässt sie andere Gleitsportfans an ihren Reisen und Erfahrungen teilhaben. Und weil eine Geschichte erst dann so richtig perfekt ist, wenn eine unmögliche Liebe wahr wird, hat die Schweizerin ein uraltes Tabu gebrochen – und einen Windsurfer in ihr Leben gelassen! Und zwar nicht irgendeinen, sondern den Weltmeister Victor Fernandez.
Bei der Ankunft auf dem kleinen familiengeführten Bauernhof im Kanton Freiburg, inmitten von Kühen und grünen Weiden, kann man sich kaum vorstellen, dass hier eine der besten Kitesurferinnen der Schweiz wohnen soll. Doch nein, wir haben uns nicht in der Adresse geirrt, es ist tatsächlich Manuela, die zwischen zwei Reisen zum Auftanken zu Hause ist und uns die Tür öffnet. «Im Kiten habe ich meine Leidenschaft gefunden, meine Berufung, das, was ich im Leben machen möchte. Ich fühle mich eng mit dem Meer verbunden. Ohne das Meer kann ich einfach nicht längere Zeit sein. Ich weiss, das klingt komisch bei einem Mädchen, das auf dem Bauernhof aufgewachsen ist, aber es ist so», gesteht sie. Im Gegensatz zu den jungen Kitesurferinnen, die aktuell bei der World Tour am Start sind, hat sie diesen Sport erst recht spät entdeckt, nämlich bei einem Sprachaufenthalt auf Hawaii 2004: «Ich war wie verzaubert, als ich das erste Mal einen Kite gesehen habe. Als ich dann 2006 als Marketingassistentin nach Cabarete gegangen bin, hatte ich ganz viel Gelegenheit zum Kiten. Danach habe ich eine Laufbahn als Brandmanagerin bei einem Uhrenhersteller eingeschlagen, wobei mir aber klar wurde, dass ich mich zu jung fühlte, um in einem Bereich zu arbeiten, der mich gar nicht wirklich fasziniert», erzählt sie. Die junge Frau wollte reisen, kiten – und nochmals reisen!
Storytellerin, nicht Influencerin
Bald schon entfloh die Freiburgerin per Kite dem Alltag und erkundet seither mit dem Sportgerät die Welt. Manuela, Globetrotterin durch und durch, erklärt: «Ich mag es, Land und Leute wirklich kennenzulernen und nicht nur auf der Durchreise zu sein. Daher bin ich gern länger am gleichen Spot.» Um aber von ihrer Leidenschaft leben zu können, musste sie sich zunächst dem Wettkampf stellen: «Ohne diesen Schritt geht es nicht, denn du brauchst Sponsoren», sagt sie und fügt hinzu: «Ohne Ergebnisse hätte mir niemand für die Unterstützung meiner Projekte das Vertrauen geschenkt.» Sie du wirst den besten Lehrer der Welt haben›. Aber mir war überhaupt nicht klar, wen ich da vor mir hatte!» Seither sind die beiden unzertrennlich: Manuela hat Gefallen am Windsurfen gefunden und übt von Zeit zu Zeit im Victor Fernandez Center in Almerimar, während Victor seinerseits den Schritt in Richtung Kitesurfen gewagt hat! «Victor hat letzten November auf Maui Unterricht bei mir genommen. Er ist echt talentiert, macht keine Fehler und hat seinen Schirm den ganzen Tag über nicht einmal fallen lassen», erzählt Manuela.hat hart gearbeitet und so ihren Rückstand aufgeholt. So schaffte sie es sogar, bei der PKRA World Tour gleich dreimal den 5.Platz im Freestyle zu holen! Ihre Wettkampfkarriere hat sie aber schliesslich 2016 an den Nagel gehängt, um sich ganz auf ihre Reisen und ihre Berichte zu konzentrieren: «Ich mag den Begriff ‹Influencerin› nicht, der ist mir zu abgedroschen. Ich betrachte mich eher als Storytellerin. Als Teamriderin bei Duotone reise ich an viele Spots und probiere Produkte aus, die zu meinem Lebensstil passen. Das alles verarbeite ich in meinen Berichten, die ich in Kite-Magazinen veröffentliche und im Internet und in den sozialen Netzwerken poste.» Ein Lebensstil, von dem Manuela gut leben kann, schliesslich kostet das Reisen mitunter weniger als ein Leben in der Schweiz! Manuela Jungo ist daher im Schnitt circa vier Wochen unterwegs, bevor sie sich wieder eine Woche Pause auf dem elterlichen Hof gönnt. Ein Leben wie im Traum!
Wie das Windsurfenin Manuelas Leben trat
Das seit jeher turbulente Leben der Kitesportlerin nahm eine geradezu romantische Wendung, als sie Victor Fernandez, den aktuellen Weltmeister in der Disziplin Waveriding der PWA, traf. Fast wie bei Romeo und Julia haben es Manuela und Victor geschafft, zwei Lager miteinander zu versöhnen, die traditionell eher nicht gut aufeinander zu sprechen sind: Kiter und Windsurfer! Die Anekdote ist so schön, dass man sie einfach zum Besten geben muss: «Ich war gerade für ein Shooting für Duotone auf Maui, im April 2018, als man mich zum ersten Mal bat, auf ein Surfbrett zu steigen. Bei der Gele-genheit habe ich Victor kennengelernt, der mir zei-gen sollte, wie das geht. Man hat mir gesagt: ‹Hey, So kommt es, dass die Kitesurferin aus Düdingen jetzt zusammen mit dem amtierenden Weltmeister in ihrem Van durch die Weltgeschichte reist. Diesen Sommer nimmt das Paar Kurs auf Silvaplana, bevor es sich über Dänemark nach Island begeben wird, wo Victor sich im kalten Wasser auf das Fina-le der PWA auf Sylt vorbereiten will. Dank Manuela hat nun endlich auch die Schweiz ihren Champion im Bereich Wave gefunden! Will sie sich vielleicht auch selbst als neues Talent dem Wettbewerb in diesem Bereich stellen? «Ich weiss noch nicht», meint sie dazu. «Ich habe gerade ziemlich viel zu tun, vor allem, um im Strapless Freestyle richtig fit zu werden. Aber warum nicht, wir werden sehen!» Eines ist jedenfalls sicher: Im Buch ihres Lebens hat Manuela noch viele Seiten zu füllen, und eine ist spannender als die andere.