Nach der Teilnahme von Team Tilt in den Jahren 2013 und 2017 kehrt die Schweiz zurück in den Youth America’s Cup. Diesmal tritt sie in den Farben von Okalys Youth Project an und ist nicht mit einem, sondern gleich mit zwei Challengern vertreten. Für Team Manager Nicolas Grange stehen alle Lichter auf Grün. Er ist überzeugt, dass die Schweiz im Februar-März 2021 eine starke Schweizer Delegation nach Auckland schicken kann.

Interview: Quentin Mayerat

Fotos: Loris von Siebenthal

Wann und warum haben Sie sich für eine Teilnahme am Youth America’s Cup entschieden?

Es kamen mehrere Umstände zusammen. Wir wollten dieses Jahr mit Okalys Youth Project eine verkürzte D35-Saison mit der Bol d’Or Mirabaud und der Genève-Rolle-Genève bestreiten und gemeinsam mit dem Genfer Centre d’Entraînement à la Régate an der Tour Voile teilnehmen (Anm. d. Red.: Das Interview wurde vor der weltweiten Gesundheitskrise geführt).. Als im Januar die Notice of Race des Youth America’s Cups veröffentlicht wurde, rief mich mein Freund Alex Schneiter (Anm. d. Red.: Eigentümer von Team Tilt) an. Er hatte die Ausschreibung vor mir gelesen. Wir trafen uns zu einem Gespräch. Alles an dem darin definierten Rennformat deutete darauf hin, dass die Ampeln für uns auf Grün stehen. Wir können uns berechtigte Hoffnungen auf einen Schweizer Sieg machen. Ein weiterer Grund, die Kampagne zu starten, ist die hohe Qualität unserer 18- bis 25-jährigen Nachwuchssegler. Einige der ehemaligen Mitglieder von Team Tilt erfüllen überraschenderweise noch immer die Alterskriterien des Cups.

Wie sieht das Format konkret aus und welche Gegner erwarten Sie?

Der neue Youth Cup wird auf insgesamt sieben Foilerjachten, den AC9F, ausgetragen. Sie wer- den von den Veranstaltern zur Verfügung gestellt und von vierköpfigen Teams aus je zwei Frauen und Männern gesegelt. Die neun Meter langen Boote sind anspruchsvoll und fordern von den Teams viel körperlichen Einsatz. Sie sind beispielsweise einen Meter länger als das Monofoil Gonet, das zu fünft gesegelt wird. Im November können sich die zwanzig besten Teams in China im Rahmen mehrerer Flottenregatten qualifizieren. Im Februar und März 2021 folgt dann die Finalphase in Form von Match Racing. Was unsere potenziellen Gegner betrifft, so gehe ich davon aus, dass alle America’s-Cup-Syndikate ein Team anmelden. Sie werden für uns entsprechend gefährlich sein, denn sie können vor Ort die gesamte Infrastruktur der «Grossen» nutzen.

Wie wollen Sie Ihr Team in so kurzer Zeit vorbereiten? Die ersten Qualifikationen für den Youth America’s Cup finden ja schon im November statt.

Bis August wird ein Teil des Teams mit dem D35 an mehreren Regatten auf dem Genfersee und danach auf dem Diam 24 an der Tour Voile der Hoffnung auf eine Qualifikation auf die Olympischen Sommerspiele in Tokio vor. Ich bin überzeugt, dass die Tour Voile dem Team viel bringen wird, denn es misst sich während zwei Wochen an hochkarätigen Mannschaften und muss rund hundert Reaching-Starts hinlegen. Diese werden auch am Youth gefragt sein. Im August startet dann auf dem Genfersee das Intensivtraining auf einer Foilerjacht. Da ich sieben Jahre mit Eric Monnin auf Okalys gesegelt bin, weiss ich, dass er enorm viel Können und Wissen auf Foilerjachten wie dem Monofoil Gonet mitbringt und als Weltnummer 1 auch im Match Racing ein Crack ist. Für Match Racing auf einer Foilerjacht gibt es daher keinen besseren Coach als Eric! Wir werden auf seinem Monofoil Gonet oder auf auf den Foilerjachten 69F vom Gardasee segeln, von denen bereits mehrere in die Genfersee- region verkauft wurden. Da die AC9F vom Veranstalter des Youth bereitgestellt werden, haben die Teams nur wenig Zeit, sich mit den Booten vertraut zu machen. Diesbezüglich haben wir einen grossen Trumpf im Ärmel, denn es gibt keinen anderen Ort auf der Welt mit annähernd so vielen Foilerjachten wie den Genfersee. Wer die AC9F am schnellsten in den Griff bekommt, gewinnt den Youth America’s Cup. Langer Rede kurzer Sinn: Wir haben im Prinzip alles für eine erfolgreiche Teilnahme – die Infrastruktur, die Boote, Top-Coaches und fähige Teammitglieder, davon im Übrigen eher zu viele als zu wenige. Warum hätte wir uns also dagegen entscheiden sollen?

Inwiefern profitiert der Schweizer Segelsport von dieser Kampagne?

Wir nehmen nicht nur mit einem, sondern mit zwei Viererbooten teil, denn es wäre schade, nicht möglichst vielen vielversprechenden Jungseglern die Möglichkeit zu bieten, an diesem spannenden Abenteuer teilzunehmen. Wir haben bereits zehn potenzielle, hochmotivierte Interessenten und können Match Race so effizienter trainieren. Sie werden also neun Monate lang Segelerfahrungen auf höchstem Niveau machen. Das kann ihnen Türen zu Profiteams öffnen, zum Beispiel bei den TF35, die aktiv nach Schweizer Crewmit- gliedern suchen. Wir wollen das Abenteuer zudem mit der Öffentlichkeit teilen, schliesslich vertreten zehn junge Leute die Schweiz in Auckland. Für ein kleines Land ohne Meeranstoss wie das unsere wird es fantastisch sein, zwei Boote mit dem Schweizerkreuz im Segel zu sehen.

Wer wird Ihr Team unterstützen und wie werden Sie es organisieren?

An Spezialisten, die uns unterstützen und begleiten, wird es garantiert nicht fehlen. Neben Eric Monnin können wir auf Tanguy Cariou, den langjährigen Coach von Tilt, zählen, sowie auf Arnaud Psarofaghis, der immer, wenn es sein Terminkalender erlaubt, seine Foilingerfahrung einbringen wird. Auch Pierre-Yves Jorand und Billy Besson könnten uns punktuell zur Seite stehen. Für die Teammitglieder bleibt keine Zeit für eine grosse Selektionskampagne, wir haben aber bereits zehn weitere mögliche Kandidatinnen und Kandidaten ausgemacht. Sicherlich werden einige Olympioniken dabei sein, wie zum Beispiel Nils Theuninck, der sich im Finn auf Tokio vorbereitet, Grégoire Siegwart, der im 470er in den Olympiavorbereitungen steckt, oder Maud Jayet, die in Tokio mit dem Laser Radial antreten wird. Als Steuermänner setzen wir auf Maxime Bachelin, Europameister im Flying Phantom, und auf Arnaud Granges. Er hat als jüngster Skipper eines D35 den 2. Platz an der Bol d’Or geholt und wird an der Tour Voile 2020 den Diam 24 des CER steuern. Matthieu Ravussin ist ebenfalls sehr interessiert; er ist sehr vielseitig und erfahren. Bei den Frauen denken wir an Amanda Bjork-Anastassov, die im Nacra 15 mit Max Wallenberg Weltmeisterin wurde, an Marie van der Klink, EM-Medaillengewinnerin mit Arnaud Grange, oder auch an Rosine Baudet, die sich im Laser Radial bereits aktiv auf Paris 2024 vorbereitet. Wir können uns auch gut vorstellen, Segler aus der Deutschschweiz aufzunehmen, solange die Sprache kein Problem für die Kommunikation an Bord ist. Genaueres muss in Abhängigkeit der Projekte und Verpflichtungen der Einzelnen erst noch definiert werden, aber wir werden alles tun, um dieses Abenteuer zu einem grossen Segelerlebnis zu machen.