Text: Servane Dorléans

Fotos: Gilles Martin-Raget

An der Jubiläumsveranstaltung der Voiles de Saint-Tropez standen alle Lichter auf Grün. Bei sommerlichen Temperaturen, 8 bis 18 Knoten Wind und abwechslungsreichem Wetter konnten die 4000 Bootseigner und Segler den 20. Geburtstag der Traditionsveranstaltung im grossen Stil feiern. Obwohl sich zum Schluss noch der Mistral dazugesellte, sorgten die 300 klassischen und modernen Jachten für einen krönenden Saisonabschluss der Mittelmeerregatten.

Als würdige Nachfolgerin der Nioulargue gehören die Voiles de Saint-Tropez zu den wenigen Anlässen, an denen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verschmelzen. Wohl auch deshalb durften sie in den letzten 20 Jahren einige der schönsten Jachten und besten Skipper der Welt begrüssen. Der seit 1999 von der Société Nautique de Saint-Tropez ausgerichtete Anlass trifft den Nerv der Zeit, bleibt seiner Geschichte treu und wirft einen Blick nach vorne. Und um den Ursprüngen der Regatta zu gedenken, die auf ein freundschaftliches Wettsegeln zwischen der 12-Meter-Jacht Ikra und der amerikanischen Swan Pride zurückgeht, tragen die Jachten jeweils zum Schluss den Club 55 Cup aus.

Über 100 Jahre Bootsbau an einem Ort vereint

Ein Grund für den Erfolg der «Voiles» ist vermutlich die Fähigkeit der Organisatoren, Zeitzeugen aus dem goldenen Zeitalter des Segelsports und moderne Boote zusammen zubringen. Das sieht auch Loick Peyron so: «Ich habe hier die Ester entdeckt, ein fantastisches Boot mit Baujahr 1901, das seiner Zeit 50 Jahre voraus war. Es war für damalige Verhältnisse viel futuristischer als heute die IMOCA. Tradition und Moderne werden einander ständig gegenübergestellt, aber solche Boote waren die Zukunft von vorgestern, genauso wie die heutigen Boote die Klassiker von morgen sind. St. Tropez ist vermutlich der einzige Ort auf der Welt, an dem man hundert Jahre Bootsbau und technologische Entwicklung nebeneinander sieht. Das ist einfach nur genial!», frohlockt der Weltklassesegler. Michel Desjoyeaux, der die ganze Woche auf der Q-Class Jour de Fête segelte, stimmt ihm zu: «Es ist eine Freude, so gut gepflegte und kompetent gesteuerte klassische Jachten Bug an Bug neben deutlich moderneren Booten zu sehen. Dieser Mischung verdanken die Voiles ihren Erfolg. Die Zuschauer mögen lackiertes Holz ebenso wie Masten aus Kohlefaser. Dass ein Anlass so viele geschichtsträchtige Boote aufbieten kann, ist grossartig», kommentiert der Franzose, der in der elterlichen Werft inmitten von Holzbooten gross geworden ist und die Bootsentwicklung der letzten Jahrzehnte aus nächster Nähe verfolgt hat.

Freude am Segeln als oberstes Gebot

Natürlich waren wie jedes Jahr viele gekom- men, um zu gewinnen. Aber in St. Tropez ist der Spass am Segeln und am Miteinander fast genauso wichtig. «Die Voiles sind ein extrem sympathischer Anlass, die Stimmung an Land und auf dem Wasser ist einzigartig», schwärmt Reinold Geiger, Hauptaktionär und Geschäfts- führer der L’Occitane-Groupe. Er nehme mit ein paar Freunden teil. «Wir sind keine Profis, bauen viel Mist, aber im Grossen und Ganzen schlagen wir uns ganz gut», fügt der Wahlgenfer und Eigentümer der Code 2 Black Legend 4 hinzu. «Während den Voiles herrscht in St. Tropez eine ganz andere Atmosphäre als sonst. Die Stadt ist in der Hand von Seglern und Sportlern und das ist sehr sympathisch.»

Alain Moatti, auch er ein Wahlschweizer, ist an den Voiles de Saint-Tropez Stammgast. Die letzten sechs Jahre nahm er mit seiner Serenade teil, dieses Jahr tritt er erstmals mit der Bermuda-Ketsch Sumurun an. Er lobt den Anlass ebenfalls über den grünen Klee: «Die Boote übertreffen einander an Schönheit und St. Tropez ist ein wunderbarer Ort. Wenn die Häuserfassaden von der Nachmittagssonne in ein sanftes Licht getaucht werden und sich der Portalet vom blauen Himmel abhebt, wirkt der Anblick wie ein Gemälde. Deshalb komme ich auch so gerne hierher.»

Letzter Auftritt von Mariska

Für die 15mR Mariska und ihren Eigentümer Christian Niels ist dieses Jahr ein Kapitel zu Ende gegangen. Der Unternehmer hat beschlossen, die Fife-Jacht aus dem Jahr 1908 zu verkaufen. «Die Mariska war ein 12-jähriges Projekt: zwei Jahre Renovation und zehn Jahre Regatten mit Freunden und Profis, die sich alle für das Boot begeistert haben. Wir haben sagenhafte Momente erlebt, aber ich bin ein Mann mit Projekten. Mit dem Verkauf der Mariska findet eines seinen Abschluss und ein neues beginnt», begründet der Schweizer seinen Entschluss. Seit der Einwasserung der Mariska im Jahr 2009 hat er keine einzige Ausgabe der Voiles de Saint- Tropez verpasst, an die er sich gern zurückerinnert: «Die Voiles gehören zu den wichtigsten Regatten, denn hier werden mehrere Meister- schaften entschieden und man kann in einer herrlichen Umgebung ein letztes Mal im Jahr an befreundeten Seglern, die gleichzeitig Gegner sind, Revanche nehmen. Hier die Saison zu beenden ist eine Freude. Die Organisation ist stets makellos und die Stimmung sehr freundschaftlich. Im Regattakalender stehen zwei aussergewöhnliche Anlässe: die Voiles d’Antibes zum Saisonauftakt und die Voiles de Saint-Tropez.» Christian Niels hat in den letzten zehn Jahren viel erlebt, auf ein Ereignis blickt er aber besonders gern zurück: «Der Sieg an der Rolex Trophy im Jahr 2017 war unser sportlicher Höhepunkt. Ich erinnere mich aber auch gerne an die Starkwindregatten, bei denen wir mit unseren vier noch segelnden 15mR zeigen konnten, was in ihnen steckt.» Die Sumurun konnte in der Kategorie «Grands Tradition» einen Einstandssieg feiern. Und auch Mariska und ihrem Besitzer Christian Niels hätte es nicht besser ergehen können: Sie gewannen das letzte Mal gemeinsam die 15mR-Meisterschaft. Allerdings sei Hispania dieses Jahr nicht segeltüchtig gewesen und Lady Anne habe Forfait erklärt, relativiert Niels. Die Meisterschaft habe sich wie in seinen ersten Jahren zwischen Tuiga und Mariska im Match-Race-Modus abgespielt. Für die berühmte 15-Meter-Jacht beginnt jetzt ein neues Leben, ob mit oder ohne Regatten, wird sich zeigen.

Vielversprechende Pläne

Nächstes Jahr werden die Voiles de Saint-Tropez ihr Format ändern, um den Teilnehmern noch mehr Segelspass zu bieten. Statt einer wird zwei Wochen regattiert. In der zweiten Woche können sich Maxi-Jachten, Wallys und Schoner auf speziellen Kursen miteinander messen. Start und Ziel ist jeweils der Portalet-Turm. Freuen wir uns auf ein Segelfest der Superlative!