Ende September fiel vor der SNG der Vorhang: Die Décision 35, kurz D35, hatten nach 16 Jahren heftig umkämpfter Regatten ihren letzten Auftritt. Zeit, einen Blick zurückzuwerfen, bevor die T35 das Zepter übernehmen.

Text: Vincent Gillioz

Am Samstag, 21. September hörten fünfzig Privilegierte, wie Nicolas Grange auf dem Radiosender des Grand Prix de Clôture mit zitternder Stimme verkündete: «Ich danke allen, die sich während sechzehn Jahren für den Erfolg unserer Meisterschaften eingesetzt haben. Heute geht ein Kapitel Genfersee-Segelgeschichte zu Ende.» Als der Klassenpräsident den Start zur allerletzten Regatta der Genferseeschwäne freigab, wurde er von den Gefühlen übermannt. Auch auf dem Wasser und in den Teams war die Stimmung sehr emotional. Da geriet der Kampf um den Sieg schon fast zur Nebensache. Gewonnen hat dann doch Alinghi.

Die erste Bestellung

Im Anschluss an den Grand Prix trafen sich die Akteure, die das Geschehen der Klasse mitgeprägt hatten, zu einer gemeinsamen Schlussfeier. Dabei wurde in Erinnerungen geschwelgt und auf die Anfänge zurückgeblickt. Die liegen fast zwei Jahrzehnte zurück. Damals setzten sich die Eigentümer der an der Bol d’Or havarierten F40-Katamarane zusammen, um über das weitere Vorgehen zu debattieren. Es galt abzuklären, ob jeder sein eigenes Boot entwerfen und dafür ein Vermögen ausgeben sollte oder ob eine Einheitsklasse genügend Befürworter fand, um ein neues Abenteuer zu starten und dem Wettrüsten ein Ende zu setzen. Man entschied sich für die zweite Möglichkeit, die schon seit einiger Zeit in den Köpfen der Beteiligten herumgeisterte und ganz offensichtlich die vernünftigere Variante war. Das Witzige an der Sache: Ernesto Bertarelli, Nicolas Grange, Guy de Picciotto, Philippe Cardis, Frédéric Amar, Nicolas Gonet und Yorick Klipfel hielten die Grundsatzvereinbarung auf einem Tischset fest.

Teamarbeit

Wenige Monate und viele Stunden Entwick- lungszeit später nahm Décision SA den Bau der One-Design-Boote auf. Die Werft nutzte die Gelegenheit, ihre Produktion zu optimie- ren, um die ersten Einheiten bereits für die Bol d’Or ausliefern zu können. «Wir hatten uns für sechs Boote verpflichtet», erinnert sich Bertrand Cardis, «konnten dann aber Mitte Juni bereits acht Stück ausliefern. Unser Fokus lag auf der Vereinfachung. Wir haben viel innoviert, damit wir die Arbeiten bequem ausführen konnten. Das war wichtig für das Team. Dabei wurden alle am Genfersee verfügbaren Kräfte und Kompetenzen auf dem Gebiet der Mehrrümpfer gebündelt. Edouard Kessi, Gérard Gautier und Christian Favre haben ihr Fachwissen eingebracht. Und auch Jean-Marie Fragnière, Claude-Alain Jacot und Steve Wassem spielten beim Erfolg des Projekts eine Schlüsselrolle. Es war auf jeden Fall eine Teamarbeit und darauf kam es an», betont der damalige Geschäftsführer von Décision.

Vorreiter

Die grosse Revolution des Bootes war der zen- trale Pod, der anstelle eines komplexen Kabelgeflechts als stabilisierendes Strukturelement dient und die Belastungen aufnimmt. Mittlerweile findet dieses Prinzip auf allen Regattakatamaranen Anwendung. Im Lauf der Jahre wurden an den D35 kleine Veränderungen vorgenommen. Bereits nach der ersten Saison wurde nach einigen Schreckmomenten die Heckleiter hinzugefügt, auf der sich die Segler beim Abfallen in Schutz bringen können. «Anfangs hatten wir einen Looping pro Jahr. Jedes neue Team musste seine Erfahrungen machen», erzählt Serie Master Bertrand Favre. In den ersten Jahren waren die Masten anfällig. Sie wurden zwar verstärkt, trotzdem mussten in den sechzehn Jahren ganze 32 Stück produziert werden. Der letzte, der vorsichtshalber als Reserve aufbewahrt wurde, leistete wertvolle Dienste, als auf Realteam an der unvergessenen Bol d’Or Mirabaud 2019 der Mast brach. Da die Serie von Anfang ein Riesenerfolg war, wurde nach den ersten acht Booten vier weitere gebaut. Die weltbesten Regatteure sind auf dem D35 gesegelt. Russell Coutts, Paul Cayard, Loïck Peyron, Alain Gautier, Pascal Bidégorry, Franck Cammas und Michel Desjoyeaux haben einige der schönsten Seiten der Geschichte der aussergewöhnlich langlebigen Regattaserie geschrieben und dazu beitragen, dass der D35 stets eine Referenz in seiner Kategorie geblieben ist.

Boote, die an der D35-Saga beteiligt waren

SUI 1 Alinghi
SUI 2 Bedat & Co, Okalys, Okalys Youth Project
SUI 3 Ferrier Lullin, Julius Baer, De Rham, Oryx
SUI 4 Zen Too
SUI 5 Zebra 5, Foncia, Team Tilt, Phaedo 2
SUI 6 Cadence, Alinghi 2, Ylliam, Ylliam – Comptoir Immobilier SUI 7 Zebra 7, Axiom, CER, Realstone, Realteam Sailing
SUI 8 Gonet & Cie, Romandie.com, Nickel, Racing Django
SUI 9 SmartHome, Zoulou, Mobimo, Cabestan
SUI 10 Ladycat, Ladycat Powered by Spindrift
SUI 11 Veltigroup, Swisscom, Eleven Sailing Team
SUI 12 Banque Populaire, Artemis Racing

Anzahl an der Meisterschaft teilnehmende Boote

12 Boote: 2009, 2010
11 Boote: 2011, 2013, 2014, 2015 10 Boote: 2007, 2008, 2016

9 Boote: 2012, 2017
8 Boote: 2004, 2005, 2006, 2018

7 Boote: 2019

Die Geschichte der D35 in Zahlen

  • Zwölf gebaute Boote: acht im Jahr 2004, zwei im Jahr 2007 und zwei im Jahr 2009
  • 32 gebaute Masten
  • Für die Einund Auswasserungen waren150 Helikopterflüge nötig
  • 25 verschiedene Teams in 16 Jahresmeisterschaften; drei warenvon Anfang bis Ende mit dabei: Alinghi, Zen Too und Okalys.
  • 16 Meisterschaften: zwei Challenges Ferrier Lullin, fünf Challenges Julius Bär, vier Vulcain Trophy undfünf D35 Trophy
  • Knapp 1000 Läufe an 123 Regatten, davon zweiim Mittelmeer

• 14 Siege an der Bol d’Or: Zebra 5: 2004;
Okalys: 2005, 2007 Gonet & Cie: 2006 Zebra 7: 2008

Foncia: 2009
Ladycat (danach Ladycat powered by Spindrift): 2010, 2014, 2016 Alinghi: 2011, 2017
Realstone: 2012
Team Tilt: 2015
Mobimo: 2018