Hochseeregatten
Ob Mini, Imoca, Einhand oder mit Crew: Felix Oberle sagt selten nein, wenn man ihm einen Platz auf einem Boot anbietet. Der Aargauer und Segler des Jahres 2024 ist überall. Nach dem Ocean Race Europe, das er zusammen mit Alan Roura bestreitet, wird er am 21. September an der Mini-Transat La Boulangère an den Start gehen und dort einen Podestplatz anvisieren.
Felix Oberle, stimmt es wirklich, dass Sie an diesem Mittwoch, dem 20. August, nicht auf dem Wasser sind?
(lacht) Kaum zu glauben, oder? Nach der ersten Etappe des Ocean Race Europe gönne ich mir zehn Tage Pause. Seit Juni hatte ich praktisch keinen einzigen freien Tag. Aber ich beschwere mich nicht, schliesslich habe ich das Glück, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Das ist ein grosses Privileg.
Wo verbringen Sie die Auszeit?
Bei meiner Familie in der Nähe von Aarau. Dort bin ich geboren und aufgewachsen, und dort war ich auch das erste Mal in meinem Leben auf einem Schiff. Ich war erst ein paar Monate alt, als mich meine Eltern auf den Hallwilersee mitnahmen. Auf Fotos sieht man mich im Maxi-Cosi, festgezurrt auf dem Deck des Familienboots. Wahrscheinlich habe ich mir damals den Segelvirus eingefangen. Ich hielt schon eine Pinne in der Hand, bevor ich gehen konnte. Meine Eltern entdeckten mit dem Segeln die Welt. Wir haben auch immer am Wasser Ferien gemacht.
Wenn man in Aarau zur Welt kommt, setzt man da zwangsläufig irgendwann die Segel?
Nicht unbedingt. Mein Weg war alles andere als klassisch. Ich bin in meiner Freizeit zwar schon immer gesegelt und habe dabei viele Abenteuer erlebt, den Regattasport habe ich aber erst entdeckt, als ich für mein EPFL-Studium in die Westschweiz kam (Anm. d. Red.: Oberle hat einen Master in Maschinenbau). Was ein Laser ist, habe ich erst in Lausanne gelernt. Meine ersten Regatten bestritt ich mit den Uni-Teams, mit denen ich auch an mehreren Hochschulmeisterschaften auf dem Meer teilgenommen habe. Ich war aber schon vorher ein Fan von Offshore-Rennen, habe die grossen Regatten mitverfolgt und gerne Geschichten von Segelnden gelesen.
Gab es einen konkreten Auslöser für deine Entscheidung, Profisegler zu werden?
Mit 16 habe ich den Hochseeausweis gemacht und bin mit dem CCS in Lorient meinen ersten Törn gesegelt. Dort sind mir die vielen Minis aufgefallen. Ich wurde neugierig, wollte wissen, was es mit diesen winzigen Einrumpfbooten auf sich hat. Zu Hause habe ich sofort im Internet recherchiert und erfahren, dass man mit ihnen den Atlantik überqueren kann. Mit 20 habe ich ein Boot gechartert und bin um die Britischen Inseln gesegelt, teilweise einhand, teilweise mit Kleincrew. Bei diesem unvergesslichen Erlebnis ist mein Traum entstanden, einmal um die Welt zu segeln.
Wie haben Sie diesen Traum wahrgemacht?
Nach dem Studium habe ich mich entschieden, mein Projekt professionell anzugehen. Ich folgte den Schweizern in Lorient in den sozialen Medien und bin dann sogar vor Ort gereist, um mir ein Bild zu verschaffen. Simon Koster, Patrick Girod und andere Skipper, die ich kenne, beteuerten, dass in Lorient die Musik spiele. Das lag auch an Tanguy Leglatin, dem Trainer von Lorient Grand Large, der seit jeher enge Kontakte zu den Schweizer Seglern pflegt.
Ihre erste Saison in der Mini-Klasse war äusserst erfolgreich.
Mein Ziel war es herauszufinden, wo ich in einer Klasse wie den Minis im Vergleich zu anderen stehe. Also habe ich mich gründlich vorbereitet und viel trainiert. Ich hatte davor schon an ziemlich vielen Regatten teilgenommen, war viel gereist und wollte wissen, ob sich die dabei gesammelten Erfahrungen und Fähigkeiten auf das Offshore-Segeln übertragen lassen. Hochseeregatten unterscheiden sich doch grundlegend von dem, was ich davor gemacht hatte. Klassenboote sind dafür ideal, weil alle mit dem gleichen Material segeln und man sich direkt mit den anderen messen kann. Bei meiner ersten Einhand-Transat wurde ich Vierter von 59 Teilnehmenden. Das hat mich bestärkt, weiterzumachen.
Diesmal treten Sie mit einem Prototyp an.
Das war der logische nächste Schritt nach 2023. Die Protos sind gleich gross, aber komplexer und etwas schneller. Ich denke, dass ich gute Karten habe. Ein Boot segelt allerdings in einer eigenen Liga. Die Nicomatic von Benoît Marie ist mit Foils und Tragflächen an den Ruderblättern ausgestattet und im Flugmodus unschlagbar. Aber eine Transat ist lang, da kann viel passieren. Mein Ziel ist ein Podestplatz. Aus meiner Sicht haben sechs oder sieben Boote realistische Chancen auf einen der drei ersten Plätze.
Sie wurden für Ihre Erfolge bei den Minis zum «Schweizer Segler des Jahres 2024» gewählt. Gibt Ihnen das zusätzlichen Rückenwind?
Ich war überrascht und fühlte mich geehrt. Die Auszeichnung ist eine schöne Anerkennung für all die Arbeit. Und ja, sie gibt mir Selbstvertrauen und motiviert mich für die Zukunft, denn ich möchte unbedingt weiter an Hochseeregatten teilnehmen.
Diesen Sommer haben Sie Ihren Horizont erweitert und sind IMOCA gesegelt.
Ja, ich habe mit meinem ungarischen Kollegen die Course des Caps rund um die britischen Inseln bestritten. Vor allem aber wurde ich von Alan Roura ins Team Amaala geholt. Das Gemeinschafts-projekt wurde in nur zwei Monaten aufgegleist und ist unglaublich professionell aufgestellt. Ich durfte die erste Etappe des Ocean Race Europe von Kiel nach Portsmouth segeln. Sie wird mir als eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens in Erinnerung bleiben. Die Menschenmassen im Kieler Hafen, der Reaching-Start bei 25 Knoten Wind und die Stimmung an Bord mit Alan, Simon, Lucie und unserer Reporterin Coline waren magisch, eine sehr intensive Erfahrung. Umso wichtiger ist jetzt die zehntägige Pause. Ich muss den Kopf freibekommen, um mich wieder voll auf mein Mini-Projekt konzentrieren zu können.