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Zeit für Bilanzen

von Quentin Mayerat

Alles, was in der Profi-Regattaszene Rang und Namen hat, trifft sich regelmässig bei grossen internationalen Events wie beim America’s Cup, den olympischen Spielen oder bei Hochseerennen. Das World Yacht Racing Forum, kurz WYRF, gibt den Fachleuten der Szene die Möglichkeit, fern vom Druck der Wettfahrten in gediegenem Rahmen Visitenkarten auszutauschen. Zur zweiten Ausgabe im Dezember 2009 hatten sich 350 Delegierte und 60 Medienschaffende eingefunden. Vervollständigt wurde das hochkarätige Aufgebot durch Seglergrössen wie Russell Coutts, Brad Butterworth, Michel Desjoyeaux, Ellen MacArthur, Samantha Davis, Paul Cayard und Sir Robin Knox-Johnston, die lässig durch die luxuriöse Lobby des Grimaldi Forums schlenderten.

Die Debatte über die Zukunft des America’s Cups sollte den Höhepunkt des Prestigeanlasses bilden, doch die anderen Konferenzen und Podiumsgespräche erwiesen sich als genauso spannend und lebhaft wie das medienwirksame Schlussbouquet. Ebenfalls erfreulich war der freundschaftliche Umgangston zwischen Angelsachen und Franzosen, deren Kommunikation sonst eigentlich eher durch grundlegende Meinungsverschiedenheiten geprägt ist. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die Zukunft der Regattamultis, das Marketing und die Rolle des Weltverbandes. Ausserdem gab die am WYRF bekannt gegebene, äusserst fragwürdige Vergabe der Startplätze für die World Match Racing Tour (siehe S. 66) und die Entscheidung der ISAF, den Tornado aus dem Olympiaprogramm zu kippen, viel zu reden.

Es gibt viel zu tun

Bei einigen besonders hitzigen Debatten wurde den Delegierten klar, dass die Beteiligten zwar viel Herzblut in die Projekte stecken, es aber oft an Professionalität fehlt. Mark Turner, CEO von OC Events, einem der grössten Organisationsunternehmen für Segelanlässe, wies zu Recht darauf hin, dass es nicht darum geht, aus Spass an der Freude Regatten zu organisieren oder daran teilzunehmen, sondern „die mit diesem Sport verbundene einzigartige Leidenschaft Sponsoren und Investoren zu verkaufen, die über die nötigen Mittel verfügen, um die steigenden Kosten der Projekte zu finanzieren“, wie er es ausdrückte. Ulrich Lacher, Direktor von IFM Sports, sieht ein weiteres Problem in der Komplexität des Sports, da sie das Interesse der breiten Öffentlichkeit schmälert. „Es gibt zu viele Klassen, zu viele Anlässe und zu viele Bootstypen“, betonte der Fachmann für Sportmarketing. „Das wirtschaftliche Potenzial des Segelsports wird viel zu wenig genutzt.“ Auch die ISAF bekam ihr Fett ab. Ihr Generalsekretär Jérôme Pels musste sich den unbequemen Fragen über die Rolle des Weltverbands stellen. Gegenüber Nick Fry, einer schillernden Persönlichkeit aus dem Automobilsport und Besitzer des Rennstalls Brawn GP, machte Jérôme Pels keine sehr gute Figur. Er hatte den Argumenten des Briten nicht viel entgegenzusetzen. „Statt euch auf Details zu versteifen, solltet ihr eure Gesamtstrategie hinterfragen. Ich kenne euren Sport nicht sehr gut, aber ich habe nicht das Gefühl, dass er professionell geführt wird“, lautete Nick Frys trockenes Fazit, das er dann auch gleich veranschaulichte: „Ich besitze eine kleines Team mit 450 Angestellten und einem Jahresbudget von 100 Millionen Euro, über das 400 Journalisten berichten. Diese Zahlen zeigen klar, welche Kluft zwischen dem Segeln und anderen grossen Sportarten liegt.“

Kosten senken oder nicht?

Die Frage der Kostensenkung, über die sich eigentlich alle Organisatoren einig sind, löste einige interessante Reaktionen aus. Während Michel Desjoyeaux und auch Nick Fry überzeugt sind, dass das Problem am falschen Ende angepackt wird und in erster Linie auf die Erhöhung des „Return on Investment“ für Partner und Sponsoren hingearbeitet werden sollte, vertritt Knut Frostad, CEO des Volvo Ocean Race, eine gegensätzliche Position. Der mehrfache Weltumsegler aus Norwegen sieht im Kostenfaktor – wahrscheinlich zu Recht – einen entscheidenden Punkt für das Überleben vieler Regatten. „Unser Sport ist relativ klein und es liegt an uns, zusammenzuspannen, um ihn grösser zu machen. Es wird viel zu viel Geld für die Technik ausgegeben“, kritisierte er und setzte gleich noch einen drauf: „Zudem bin ich für eine Begrenzung der Löhne.“

Networking hat Priorität

Neben den Diskussionen und Debatten wurden fleissig Visitenkarten ausgetauscht. Wie immer wieder zu hören war, ging es vielen Delegierten darum, ihr Netzwerk auszubauen. „Es sind 350 Personen anwesend, mit 80 Prozent von ihnen möchte ich mich gerne unterhalten“, sagte Mark Turner und betonte damit das Potenzial, das dieses Forum in Bezug auf Networking bietet. Laut Peter Gilmour, Chairman des Events und gefürchteter Businessman, wird der Erfolg des WYRF auch an der Anzahl abgeschlossener Geschäfte gemessen. Sir Robin Knox-Johnston, Organisator des Velux 5 Oceans und des Clipper Race, ist überzeugt, dass die gewonnenen Informationen und Kontakte ihm helfen, die Performance seines Teams zu erhalten. Er ist deshalb auch gleich mit fünf Personen angereist. 

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