Nach dem Erfolg des Golden Globe Race will dessen Initiant Don McIntyre eine weitere Weltumsegelung im Retro-Modus ausrichten. Er plant ein Revival des Whitbread-Rennens von 1973. Der Gedanke dahinter: Das echte Abenteuer soll in der Offshore-Regattaszene wieder in den Fokus rücken.
Text: Vincent Gillioz
Das Vorhaben klingt verrückt. Warum sollte man auf einer vor 40 Jahren entworfenen 36-Fuss-Jacht ohne elektronische Navigationshilfen mit fünf Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit nonstop um die Welt segeln, während IMOCA-Racer die gleiche Strecke im Eilzugstempo, d.h. in weniger als 100 Tagen, absolvieren?
Als Don McIntyre 2015 die Idee äusserte, das Golden Globe Race von 1969 nachzusegeln, wurde er von vielen als Spinner abgestempelt. Trotzdem schien er den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Im Nu hatten sich viele Interessierte gemeldet, 18 fanden sich schliesslich am Start ein. Wenn ihnen das Abenteuer keinen Ruhm und keinen Erfolg eintragen sollte, dann doch zumindest unvergessliche Erlebnisse. Ins Ziel schafften es schliesslich nur fünf Boote. Als Sieger wurde nach 211 Tagen der mit 73 Jahren älteste Teilnehmer Jean-Luc Van Den Heede gefeiert. Nach 322 Tagen folgte mit dem Finnen Tapio Lehtinen das Schlusslicht. Knox-Johnston hatte bei seinem Sieg vor fünfzig Jahren 313 Tage gebraucht.
Im Kielwasser Moitessiers
Als Gegenstück zum kommerziell ausgerichteten Golden Globe Globe Race 2018 verstand sich die Longue Route, eine von Guy Bernardin im Gedenken an Bernard Moitessier geplante Jubiläumsveranstaltung. Nachdem Bernardin bei einer Transatlantik Überführung 2017 tödlich verunglückte, übernahm Olivier Merbeau die Organisation dieser «Wallfahrt» ohne Regattaambitionen. Die Longue Route stand allen offen, kannte keine Vorschriften und kein Klassement. Den Veranstaltern ging es vor allem darum, Moitessier zu würdigen. Der Franzose hatte vor fünfzig Jahren die Golden Globe Challenge abgebrochen und auf den sicheren Sieg verzichtet, um «seine Seele zu retten». Ganz im Sinne von Moitessiers Entscheidung für die Freiheit und gegen den Rummel gab es bei der Longue Route keinen Sieger und kein Preisgeld, nur die Belohnung, sich einen Traum erfüllt zu haben. 18 Teilnehmer nahmen das Abenteuer auf sich. Vier gelang die Nonstop-Weltumsegelung, vier mussten einen Zwischenstopp einlegen, neun gaben aus verschiedenen Gründen auf und der einzige Mehrrümpfer kenterte und musste zurückgelassen werden. Ende Juni trafen sich alle Teilnehmer in Bono im Golf du Morbihan, um den Jahrestag der Ankunft Moitessiers in Tahiti am 21. Juni 1969 gemeinsam zu feiern.
Zurück zum Wesentlichen
Bestärkt durch den Erfolg dieser Retro-Veranstaltungen gab Don McIntyre im Juli bekannt, dass er das Whitbread-Race in seiner ursprünglichen Form durchführen will. Name des Revivals: Ocean Globe Race. Die Regatta nach dem Vorbild des Golden Globe Race soll 2023 starten und dem Kurs des Whitbread von 1973 folgen. Zugelassen sind Boote, die vor 1988 entworfen wurden, aus Glasfaser bestehen und zwischen 47 und 66 Fuss lang sind. Computer, GPS und Satellitenkommunikation sind verboten. «Ein Rennen für einfache Segler, aus einer Zeit, bevor die Jachten schneller und unbezahlbar wurden», erklärte der Australier unseren Kollegen von Yachting Monthly. Das aktuelle Ocean Race (ehemals Volvo Ocean Race) habe sich von seinen ursprünglichen Werten entfernt und es gebe Segler, die der Urversion nachtrauern.
Die Meinung des Mentors
Sir Robin Knox-Johnston kann die Begeisterung für RetroRegatten nachvollziehen, denn sie entsprechen den Erwar tungen zahlreicher Segler. «Das GGR 2018 war finanziell stemmbar und stand nicht nur den üblichen Rockstars des Segelsports offen. Das Format hat funktioniert und die Öffentlichkeit zeigte Interesse», stellt er zufrieden fest.
Er hoffe, dass die Ausgabe von 2022 ausgebucht sein werde, d.h. sich 30 Boote anmelden. Zum Revival des Whitbread äussert sich der erste Mann, der die Welt nonstop umsegelt hat, hingegen vorsichtiger: «Der Erfolg wird ganz davon abhängen, welchen Status das Rennen und die Teams haben. Am ersten Whitbread waren nur Amateure und Soldaten am Start, das machte die Sache relativ einfach. Heute segeln aber Profis und Leute mit, die für ihren Platz an Bord bezahlen. Administrativ bedeutet das einen enormen Mehraufwand. Die Boote müssen zertifiziert sein und zahlreiche Sicherheitsnormen erfüllen. Ich bin nicht sicher, dass es wirklich gelingt, den Spirit von 1973 aufleben zu lassen.» Gut möglich, dass diese klugen Worte McIntyres Begeisterung etwas dämpfen. Zu bedenken ist auch, dass die Veranstaltung auf einem Markt, der bereits vom Clipper Race besetzt ist, ihren Platz finden muss. Am Clipper Race können Amateursegler zu einem bezahlbaren Preis einen Punkt ihrer «Bucket List» abhaken.
Nicht McIntyres erster Streich
McIntyre hat sein Projekt aber bestimmt nicht ins Leere hinein geplant und vor dessen Ankündigung das Interesse bei potenziellen Teilnehmern sondiert. Eine Weltumsegelung ohne Zwischenstopps ist und bleibt aber sowohl für die Organisatoren als auch für die Konkurrenten eine kostspielige Angelegenheit. Ob sich der «Golden Globe Race»-Effekt auch am Ocean Globe Race einstellen wird, ist schwer abzuschätzen. McIntyre geht garantiert ein grosses Risiko ein. Doch ein Blick auf den Lebenslauf des Abenteurers zeigt, dass ihm schon ziemlich viel – auch scheinbar Aussichtsloses – gelungen ist und er weiss, was er tut. Der Australier wird im November am Yacht Racing Forum in Bilbao mehr über das ehrgeizige Projekt erzählen. Dort wird sich zeigen, wie die Idee des ungewöhnlichen Retro-Rennens von der Offshore-Segelgemeinschaft aufgenommen wird. Wir bleiben auf jeden Fall dran.