Das Segment der Fahrtenkatamarane entwickelt sich im Schnellzugtempo. Angesichts der heftigen Konkurrenz können sich die Hersteller nicht mehr damit begnügen, die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen, sie müssen antizipieren. Das genau plant die Beneteau-Gruppe mit der Marke Excess. Excess-Modelle sollen etwas sportlicher, jünger und cooler sein als die verkaufsstarken Lagoon. Aber halten sie auch, was sie versprechen?
Text: Quentin Mayerat
Fotos: Christophe Launay
Fahrtenboote auf zwei Rümpfen boomen erst seit Anfang der 2000er-Jahre. «Der Markt ist reif», sagt Yann Masselot, CEO der Werft Construction Navale Bordeaux und Initiant der neuen Kat-Marke der Beneteau-Gruppe. «Wir haben gemerkt, dass viele Bootseigner bereits ihren zweiten oder dritten Katamaran kaufen. Sie haben also eine genauere Vorstellung davon, welche Anforderungen ihr künftiges Boot erfüllen soll.» Das richtige Produkt zu finden gestalte sich aber nicht einfach, denn auf dem Mehrrumpfmarkt klaffe eine Lücke, so Masselot. Genau die soll geschlossen werden. «Der Markt gliedert sich in zwei Gruppen», erklärt der Generaldirektor. «Den Löwenanteil haben mit 90 Prozent Blauwasserkatamarane, bei denen der Komfort und die Wohnlichkeit im Vordergrund stehen. Die restlichen 10 Prozent entfallen auf schnellere, aber auch kompliziertere und anspruchsvollere Schwertka- tamarane.» Mit Excess hat die Beneteau-Gruppe daher den idealen Kompromiss gesucht. Der besteht in einem Boot, auf dem Segeln, Steuern und Trimmen Spass machen soll, ohne dass man Eingeständnisse an den Komfort machen muss. Kurz: ein Boot für den kattypischen Geniesser.
Weniger ist mehr
Die Wette ist gewagt, der Anspruch hoch. Kathersteller konzentrieren sich heute auf die Ausstattung, die nie komfortabel genug sein kann. Der Fokus liegt so stark auf Klimaanlage, Kühlschränken, Eismaschinen, Grill, Sonnenliegen und Flybridge, dass der eigentliche Zweck des Boots, nämlich das Segeln, etwas zu kurz kommt. Das sollen Excess-Boote ändern. Mit ihnen soll das Steuern wieder Spass machen, das Segeln Hochgefühle wecken und Feintrimm möglich sein. Die Eigner sollen den Wunsch verspüren, den Autopiloten häufiger auszuschalten und sich öfter unter Segeln als mit Motor fortzubewegen. Mit dieser Strategie spricht Beneteau folglich den kleineren Markt an – Kunden nämlich, denen es nicht darum geht, dank noch mehr Bordgeräten noch komfortabler unterwegs zu sein, sondern die sich mit weniger zufrieden geben, weil sie Wert auf Performance legen.
Probe aufs Exempel
Wir sind auf den beiden ersten Excess, dem 12er und dem 15er, auf Mallorca ein paar Testschläge gesegelt, um herauszufinden, ob die Beneteau- Gruppe ihre Versprechen gehalten hat und worin sich die neue Marke von Kats ohne Schwerter unterscheidet. Offen gesagt ist der Unterschied auf den ersten Blick nicht erkennbar. Erst und nur auf dem Wasser zeigt sich, was es mit der andersartigen Konstruktion auf sich hat. Optisch überzeugen die Excess zwar durch ihren betont sportlichen Look, wir möchten uns unsere Meinung aber mit handfesten Erkenntnissen bilden. Ein Blick nach oben zeigt: Der Mast des Excess 15 ist in der Performance-Version namens «Pulse Line» mit 25 Metern ähnlich hoch wie derjenige auf dem jüngsten Gunboat 68! Das Fathead-Grosssegel beeindruckt mit sage und schreibe 116 m2 Fläche.
Wir verlassen den Hafen, machen es uns am Steuerstand bequem, der nach achtern versetzt und über Dyneema-Seile mit den Rudern verbunden ist, und stellen fest: Das Boot ist tatsächlich wendiger und lässt sich feiner steuern als mit herkömmlichen, von der Flybridge aus regulierbaren Hydrauliksystemen. Wir rollen den Code 0 aus und rauschen mit 117 m2 zu- sätzlicher Segelfläche vorwärts. Obwohl eine schwarze Sturmfront mit 20 Knoten Wind auf uns zukommt, lassen wir die Segel oben. Bei 95° wahrem Wind wird das Boot luvgierig und beschleunigt. Wir lassen es laufen… und es hält! Wir erreichen 12 Knoten über Grund, nicht schlecht für einen Kat! Das Ruder wird extrem hart, höchste Zeit, die Segelfläche zu reduzieren. Eigentlich ein klares Signal, aber auf einem Boot, das sich weniger feinfühlig segelt, wäre es vielleicht weniger offensichtlich gewesen.
Mit weniger Tuch wird das Boot ruhiger. Auf der Kreuz lässt es sich kontrolliert auf dem Lee-rumpf segeln. Den Kurs zu halten ist zwar nicht ganz einfach, aber das Tempo ist gut und wir haben Spass. Bei einem Winkel von 60° zum echtem Wind und von 45° zum scheinbaren Wind erreichen wir bei 16 Knoten wahrem Wind 8,5 Knoten. Segler, die gern mit ihrem Boot spielen, dürften an den nach achtern versetzten Steuerständen ihre helle Freude haben. Dort ist man näher am Wasser und den Wellen, bleibt aber konzentriert und aufmerksam. Ausserdem behält man die Übersicht über das Boot. Sogar die Diagonale zwischen Steuerstand und dem Bug des Leeschwimmers bleibt im Blickfeld, was auf einem Katamaran sehr schwierig zu bewerkstelligen ist. Für einen Kat ebenfalls ungewöhnlich, aber sehr praktisch ist das Cockpitdach aus Stoff, das sich wie ein Schiebedach zurückfahren lässt. Ein weiteres wichtiges, weil seltenes Detail: Vom Steuer- stand aus hat man das Grosssegel voll im Blick.
Segeln, aber nicht nur
Die Beneteau-Gruppe hat mit dieser neuen Marke nicht einfach nur eine weitere Modellreihe lanciert, sondern Boote mit einer neuen Identität geschaffen. Obwohl es sich um Fahrtenkats handelt, sind sie spritzig, sportlich und richten sich in erster Linie an eine junge, aktive und sportliche Kundschaft. Ausserdem eignen sie sich für alle, die den Kat als Plattform für weitere Aktivitäten wie Surfen, Wakeborden, Tauchen, Angeln oder als Ausgangspunkt für Wanderungen nutzen möchten.
Die grosse Gefahr, einen Abklatsch der weltweit führenden Lagoon zu produzieren, wurde erfolgreich umschifft. Zwar ist die Verwandtschaft allein schon wegen der ähnlichen Formen und anderer vergleichbarer Elemente nicht von der Hand zu weisen, aber das Segelgefühl ist ein komplett anderes. Die Excess dürften ihren Markt finden, da sie sich klar von der Konkurrenz abheben und den Kunden etwas bieten, das sie nirgendwo sonst finden. Machen Sie sich selbst ein Bild. Machen Sie sich selbst ein Bild. An der boot Düsseldorf wird der Excess 11 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.