Ausgediente Boote und Wracks werden in den herkömmlichen Abfallverwertungsanlagen entsorgt. Eine spezielle Einrichtung für die Verschrottung und das Recycling von Jachten gibt es in der Schweiz aufgrund der zu geringen Nachfrage nicht.
Mit dem Journalisten Vincent Gillioz
Die ersten Boote aus glasfaserverstärktem Polyester (GFK) wurden in den 1960er-Jahren gebaut. Sie lösten die traditionellen Holz- und Sperrholzboote ab und sorgten in der Cruiser- Szene für einen regelrechten Boom. 25 Jahre später wurden bereits 90 Prozent der Fahrten- boote mit dieser für die gewerbliche Produktion relativ einfach umsetzbaren Bauweise herge- stellt. Voll-, Form- oder Sperrholz hingegen fand immer seltener Anwendung und entsprechen- de Konstruktionen entwickelten sich im Lauf der Jahre zum Nischensegment.
Der Trend hält bis heute an. Polymere sind nach wie vor das wichtigste Schiffbaumaterial. Sie machen neun Zehntel der Bootsmasse aus, Ballast und Motor nicht eingerechnet. In Anbetracht der knapp 100 000 in der Schweiz immatrikulierten Boote wäre anzunehmen, dass eine zunehmend grosse Anzahl schrottreifer Modelle rückgebaut und entsorgt werden müsste. Das ist ein Trugschluss. Entgegen theoretischer Prognosen haben GFK-Boote eine extrem lange Lebensdauer. Abgesehen davon können sie sogar in schlechtem Zustand meist weiterkauft oder an einen handwerklich geschickten Bootsliebhaber weitergegeben werden. In der Schweiz können es sich die Eigner zudem in der Regel leisten, ihre Schiffe sorgfältig und regelmässig zu warten, was die Lebensdauer der Boote zusätzlich verlängert. Dann müssen Schiffe auch nicht wie Autos regelmässig zur Fahrzeugprüfung, ihre Besitzer haben also keinen Grund, sie loszuwerden, nur weil sie befürchten, dass sie die Sicherheitsauflagen nicht mehr erfüllen. Schliesslich verlassen viele alte Motorboote die Schweiz auf dem Exportweg, häufig in Richtung Osteuropa, werden also ebenfalls nicht hier entsorgt.
Verschwindend kleine Nachfrage
Aus all diesen Gründen gibt es in der Schweiz keine Verschrottungs- und Recyclinganlagen speziell für Boote. Ein paar wenige Anläufe wurden zwar gemacht, zustande gekommen ist aber nichts. In der Romandie war Ende der 1990er-Jahre ein Abwrackzentrum geplant, das trotz eines gut durchdachten Konzepts nie gebaut wurde. Mit einer geschätzten Zahl von insgesamt höchstens 300 Wasserfahrzeugen pro Jahr (Paddleboards, Jollen, Motor-, Segel-, Ruderboote) ist der Bau einer solchen Einrichtung weder sinnvoll noch rentabel, zumal be- reits der Transport dorthin unter Umständen äusserst kostspielig wäre. In der Westschweiz werden die wenigen abwrackbereiten Boote in den grossen Abfallentsorgungszentren wie Serbeco in Genf, STRID im nördlichen Waadt- land und Goutte bei Lausanne verschrottet. Die nötige Vorarbeit leisten meist die Werften. Sie entfernen die Batterien und die Elektronik, ent- leeren die Flüssigkeiten, demontieren die noch brauchbaren Beschläge und Takelagenteile.
der auch den Verein für umweltbewusstes Fahrtensegeln APER (Association pour la Plaisance Eco-Responsable) ins Leben gerufen hat. Im Lauf der Jahre hat dieser Verein mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Seit Anfang 2019 wirkt APER als offizielle Organisation für den Rückbau und die Wiederverwertung von Fahrten- und Sportbooten. Seither besteht in Frankreich für alle Jachten eine Recyclingpflicht. Das System funktioniert ähnlich wie unsere Umweltabgabe auf Elektrogeräten. APER übernimmt die Kosten und die administrativen Schritte für den Rückbau. Die Finanzierung erfolgt über die von den Herstellern für jedes ausge- lieferte Boot entrichtete Ökoabgabe und aus einem Anteil der Naviga- tionsabgabe DAFN (Droit Annuel de Francisation et de Navigation). Mit diesen beiden Einnahmen werden die Kosten für die Abmeldung, die Zerlegung und den Rückbau des Bootes und für die Abfallverwertung bezahlt. Da APER eng mit den Entsorgungsfirmen zusammenarbeitet, kann die Rückbau- und Recyclingkette ständig verbessert werden.
Was tun mit Polyester?
Entsorgungszentren aufzubauen und ihre Finanzierung zu sichern reicht aber nicht aus. Es müssen auch Abnehmer und Einsatzlösungen für die Abfälle gefunden werden. Frankreich geht trotz der fortschrittlichen Prozesse nicht wirklich mit gutem Beispiel voran, denn ein Grossteil der Materialien wird als Ersatzbrennstoff in Zementwerken verwendet. Anderswo werden die Schredderabfälle, die bei der Verschrottung der Boo-Die Rümpfe und Decks werden normalerweise nicht wiederverwertet, sondern geschreddert und verbrannt.
In unseren Nachbarländern
Anders sieht die Situation in unseren Nachbarländern aus. In Frankreich zum Beispiel, wo je- des Jahr 12 000 Boote neu zugelassen werden und 80 Prozent der Flotte älter sind als 40 Jah- re, stellen der Rückbau und das Recycling alter Boote eine ganz andere Herausforderung dar. Dennoch wurde die Entsorgung nicht mehr genutzter Jachten erst spät systematisiert. Mass- geblich daran beteiligt war der Schiffbauverband FIN (Fédération des industries nautiques),
te anfallen, als Aggregate unter Baumaterial gemischt. Auf St. Martin erwies sich diese Lösung als äusserst nützlich, als nach dem zerstörerischen Wirbelsturm Irma hunderte von kaputten Booten geborgen und entsorgt werden mussten und für den Wiederaufbau der Infrastrukturen dringend Material gebraucht wurde. Doch nicht alle Modelle sind übertragbar, vor allem solche nicht, die in Notsituationen entstanden sind. In der Schweiz ist die fehlende Abwrackkette umwelttechnisch kein Problem, da nur sehr wenige Boote wild entsorgt werden und irgendwo in der Natur landen, wo sie vor sich hingammeln. Eine vermehrte Wiederverwertung der Materialien durch Recyclingfirmen wäre zwar möglich, die Menge ist aber momentan schlicht zu gering, um ein spezielles System aufzubauen. Es könnte jedoch gut sein, das die Situation in zehn Jahren ganz anders aussieht. Bis dahin sollten wir mit gutem Beispiel vorangehen und die nicht mehr brauchbaren Boote ökologisch verantwortungsbewusst entsorgen. Denn Umweltschutz geht uns alle etwas an.