Die Schweizer Segelschulen, -verbände und -clubs haben mit viel Einfallsreichtum auf die Lockdown-Massnahmen in Zusammenhang mit dem Coronavirus reagiert. Es ist ihnen gelungen, ihr Schiff zukunftsgerichtet durch die turbulenten Zeiten zu lotsen. Wie sie das bewerkstelligt haben, zeigen die folgenden Beispiele.
Text: Vincent Gillioz
Segeln war während der Gesundheitskrise nie ausdrücklich verboten, Trainings hingegen schon. Die verschiedenen Regattastrukturen mussten angepasst werden – und das ausgerechnet zu Saisonbeginn Anfang April. Den Eliteseglern, die in ihrer Vorbereitung auf internationale Wettkämpfe jäh gestoppt wurden, blieb nichts anderes übrig, als nach Lösungen suchen, wenn sie ihr Niveau trotz fehlendem Wassertraining halten wollten. Einige haben besonders viel Kreativität bewiesen und mit dem, was sie gerade auftreiben konnten, auf dem Balkon oder im Garten Trainingsgeräte gebastelt. Die Einfälle wurden in den Social Media rege geteilt, einige gingen viral. Viele Regattasegler nutzten die Zwangspause zudem, um Theorie zu büffeln. Die kommt ja bekanntlich oft zu kurz, weil das Boot ruft.
CUST mit Blitzreaktion
Valérie Savoy, die Präsidentin der Lausanner Segelschule CUST, kann das bestätigen. «Es stimmt schon, dass es uns immer aufs Wasser zieht und wir das theoretische Wissen manchmal vernachlässigen. Das konnten wir jetzt nachholen. Wenn ich der Krise etwas Positives abgewinnen kann, dann die Tatsache, dass sie uns zwingt, die Zeit für etwas zu nutzen, das sonst zu kurz kommt.» Die kleine Regattaschule reagierte extrem schnell auf die ungewohnte Situation. Schon kurz nach den ersten Einschränkungsmassnahmen hatte sie für ihre Mitglieder ein Programm zusammengestellt. Während der üblichen Trainingszeiten wurden per Videokonferenz Wettfahrtregeln, Segeltrimm, Wetter, Regattavorbereitung und Flaggen gelehrt. «Alle Online-Kurse zusammengezählt kommen wir via Webex, Zoom oder Skype auf insgesamt 288 Teilnahmen», rechnet Valérie Savoy.
«Wir haben uns für interaktive Formate entschieden, damit die Kursteilnehmer aktiv mitmachen und Fragen stellen konnten. Die Kurse dauerten jeweils eine bis zwei Stunden.» Parallel dazu standen die kurz zuvor eingewasserten Boote den Mitgliedern auf Privatbasis zur Verfügung. Sie durften maximal zu dritt segeln. «Die Regeln waren klar», betont Valérie Savoy. «Zwischen den Ausfahrten durfte das Boot 72 Stunden nicht genutzt werden, um Ansteckungen zu verhindern.»
ACVL auf Kurs
Der Verband der Segelclubs am Genfersee ACVL, der regionale, nationale und internationale Judges ausbildet, konnte auf seine fundierte Lehrerfahrung zurückgreifen, um in kürzester Zeit Kurse anzubieten. Dabei veranlasste die Coronakrise die Geschäftsleitung aber, vermehrt Themen für Segler statt für die Betreuer und Lehrer in den Clubs zu entwickeln. Für ACVL-Präsident Yorick Klipfel drängte sich dieses Vorgehen angesichts der besonderen Lage auf: «Wir brauchten etwas, das alle ansprach. Mit unserem Online-Angebot konnten sich die Segler die Grundlagen aneignen oder sie zumindest auffrischen. Wir kamen damit einem Bedürfnis vieler Segler nach. Jean-Bernard Luther, Jonathan Heusse und Samir Saydjari haben sich wirklich ins Zeug gelegt, um attraktive und interaktive Kurse zu erarbeiten.» Jeden Dienstagabend um 18 Uhr fanden zudem Kurse statt, bei denen sich die Teilnehmer über Manage2sail anmelden mussten. «Wir haben mit der Gratisversion von Zoom begonnen», erzählt Klipfel, «aber sie kann nur von maximal 100 Personen gleichzeitig genutzt werden und das reichte nicht aus. Für die drei ersten Kurse hatten sich 250 Personen eingeschrieben, danach jeweils 200. Wir mussten daher umdisponieren.» Tatsächlich seien die Lernmodule sehr gut angekommen, bestätigt Jean-Bernard Luther, der Swiss-Sailing-Delegierte im ACVL. «Sie richteten sich an Amateursegler, vermittelten die Wettfahrtregeln und gaben taktische Tipps zu den entscheidenden Momenten einer Regatta, d.h. Start, Luvtonne, Leetonne und Zieleinfahrt. Der Lerninhalt wurde sehr geschätzt. Sowohl Segler als auch Judges und Wettfahrtleiter kamen auf ihre Kosten und warten nur darauf, dass das Experiment wiederholt wird.»
Synergien auf oberster Stufe
Swiss Sailing und Sailbox entwickelten für die gestrandeten Segler gemeinsam die Plattform on-shore.ch. Für Alexa Demander, die Sailbox- Verantwortliche für die Westschweiz, war es naheliegend, dass die beiden Organisationen zusammenspannten. «Swiss Sailing ist unser bevorzugter Ansprechpartner, unsere Zusammenarbeit kam eigentlich von selbst zustande. Die Umsetzung der Idee verlangte von uns viel Flexibilität, Kreativität und Reaktionsschnelligkeit. Olivier Luthold und Livia Naef haben ihr Netzwerk mobilisiert, damit wir keine Zeit verlieren, und wir haben viele Stunden investiert, um die Website innert vernünftiger
Frist aufzuschalten.» Das nautische Angebot auf on-shore.ch sei sehr vielfältig, sagt Alexa Demander. «Segeltrimm-Kurse mit North Sails sind ebenso dabei wie Erläuterungen von Michael Aeppli zum Foilen und ein Interview mit Alan Roura.» Sie hätten auch eine Online- Regatta organisiert, die habe aber nur mässigen Erfolg gehabt. Die Organisatoren ziehen ein sehr positives Fazit aus dieser Erfahrung. Sie wollen die Plattform nach Abschluss der Saison, wenn die Schiffe im Winterlager liegen, weiterbetreiben. All diese Projekte haben gezeigt, wie gut sich die Verbände, Schulen und Clubs der schwierigen Situation angepasst haben und wie gross die Nachfrage der Seglergemeinschaft nach solchen Initiativen ist. Die Coronakrise hat dieses Bedürfnis ans Tageslicht gebracht, ganz nach dem Motto: Alles Negative hat auch etwas Positives.