Text: Rod Vuilerouf
Nach einem verrückten Kampf haben Eric Monnin und Ute Wagner die 5 Jours du Léman für sich entschieden. Im hochklassig besetzten Feld dieses 120-Stunden- Marathons wartete das Duo den letzten Moment ab, um sich aus dem Klüngel zu befreien und als Sieger ins Ziel zu laufen. Für Monnin war es bereits der 4. Titel.
Für die Zuschauer glich die 28. Ausgabe der 5 Jours du Léman vom 26. bis 31. Juli 2020 einem Velorennen. Immer wieder brachen Boote aus, versuchten sich von den Verfolgern abzusetzen, wurden wieder eingeholt und vom Feld geschluckt. Für viele Teams an Bord ihrer Surprise und für die Fans, die das Geschehen auf der interaktiven Karte mitverfolgten, eine ungewohnte Situation, denn oft fanden sich die Führenden
am nächsten Tag im hinteren Feld wieder. «Es war fantastisch, fast so, als würden wir jeden Tag neu starten», beschrieb OK-Präsident Pierre Fayet das diesjährige 120-Stunden-Rennen, bei dem die Zweihandteams so oft wie möglich den Genfersee umrunden müssen. «So etwas haben wir noch nie erlebt, fast alle 40 Teilnehmer beendeten die Regatta in der gleichen Runde!»
Das Siegerduo Eric Monnin/Ute Wagner machte da keine Ausnahme. Auch sie erlebten etliche Positionswechsel. «Unglaublich, was da abgegangen ist», befand die aktuelle Weltnummer 1 im Match Racing. «Wir kommen von ziemlich weit her, obwohl wir mehrmals in Führung lagen. Eine Zeitlang bildeten wir sogar praktisch das Schlusslicht!» Monnin konnte die Achterbahnfahrt kaum fassen. Dass er zu den Topfavoriten gehörte, war spätestens dann klar, als er am Prolog den anderen Koryphäen um die Nase fuhr. Und davon gab es eine ganze Menge, allen voran Denis Girardet/Olivier Légeret, der erste mit vier, der zweite mit drei Siegen, Eric Monnin, ebenfalls mit drei Siegen, Loïc Forestier (2 Siege) sowie Bruno Engel, der die Bestzeit für die längste zurückgelegte Distanz hält. Weitere Topsegler hatten an den 5 Jours bereits Siege oder Podestplätze eingefahren: Loris von Siebenthal/Jérôme Plojoux, Nicolas Kauffmann/Nicolas Anklin, Jean-Pascal und Francine Chatagny, Sandro und Christa Kuster, die Stammgäste Loïc und Yannick Preitner (mit 17 bzw. 16 Teilnahmen) und das erfahrene Duo Edouard Kessi/Philippe Durr.
26 Jahre danach die zweite Frau
Die Entscheidung in diesem verrückten Rennen fiel mittwochabends, am zweitletzten Tag der Regatta. «Auf dehr Fahrt nach Le Bouveret wurde ich nervös und wollte so schnell wie möglich den Spi setzen», sagte Eric Monnin, auf spektakuläre Aufholjagd vor der französischen Küste angesprochen. «Das Glück war im richtigen Moment auf unserer Seite. Davor hatten wir bereits mehrere Gelegenheiten verpasst, davonzuziehen.» Wir, das war neben dem internationalen Topsegler aus Stäfa (ZH) seine Lebenspartnerin Ute Wagner. Obwohl für sie alles neu war – die Regatta, der See und das Boot – stand sie als erste Österreicherin und nach Kiny Parade im Jahr 1994 erst als zweite Frau auf dem Siegertreppchen der 5 Jours. «Ich kann besser skifahren als segeln», gestand sie amüsiert. «All diese Windwechsel sind eindrücklich. Der Genfersee ist eine einzige Überraschung, sogar für die, die ihn kennen. Ich weiss von meinen Teilnahmen an Langstreckenregatten wie dem Fastnet, dass Geduld und die richtige Einstellung der Schlüssel zum Erfolg sind, und liess mich daher auch dann nicht aus der Ruhe bringen, als wir den anderen hinterhersegelten. Man muss sich mental auf ein langes Rennen einstellen und hart arbeiten, um wieder den Anschluss zu finden, egal, an welcher Position man liegt. Es gab schon Regatten, da habe ich mich gefragt, was ich dort ich eigentlich tue. Hier war ich von mir selbst überrascht. Ich hatte keine einzige Minute solche Gedanken.»
769,8 Kilometer hat das Siegerduo zurückgelegt. Damit schliesst Eric Monnin zum Rekordsieger Denis Girardet auf. Vier Siege seien schon etwas verrückt, meinte der Match-Race-Spezialist. «Natürlich wusste ich, dass diese Chance bestand, trotzdem war die Situation für uns ungewohnt. » Geschlafen hat er weniger als in anderen Jahren, «vor allem beim Schlusssprint. Am besten kann man sich ausruhen, wenn man Vorsprung hat und die Gegner kontrolliert. Das kam leider selten vor. Wir haben aber darauf geachtet, dass wir uns nicht völlig verausgaben. Sonst kannst du nicht mehr richtig segeln und bist unfähig, die richtigen Entscheidungen zu treffen.»
Podest wegen zwei SMS verpasst
Die Zweit- und Drittplatzierten schliefen deutlich weniger als die Sieger. «Wir fielen jedes Mal zurück, also haben wir es gelassen», erklärte ein völlig ausgebrannter Loïc Forestier. «Bruno (Anm. d. Red.: Engel) und ich haben in den fünf Tagen zusammen vielleicht zehn Stunden geschlafen!» Sie wurden für ihr Durchhaltevermögen mit dem zweiten Platz belohnt. Das war umso erfreulicher, als sie wegen eines Frühstarts den Kurs des Prologs nochmals segeln mussten. Die Strafe weckte ihren Kampfgeist. Für Loïc Forestier war der Strafkringel nicht über jeden Zweifel erhaben. «Ich würde gern das Startvideo sehen», meinte er im Ziel. Beinahe wäre es sogar noch schlimmer gekommen. Das Team riskierte die Disqualifikation. «Der obligatorische Eimer an Bord war kaputtgegangen und während des Rennens gesunken. Wir hätten das der Wettfahrtleitung sofort melden müssen.» Glücklicherweise hatte diese Unterlassung dann aber doch keine Konsequenzen, weil die Reklamation zu spät erfolgte.
Auch die Drittplatzierten Daniel Bouwmeester/ Gaetan Van Campenhoudt erlebten ein Wechselbad der Gefühle. Da Nelson Mettraux/Max Haenssler zweimal vergessen hatten, per SMS zu melden, dass sie eine Bahnmarke passiert hatten, wurde ihnen eine 15-Minuten-Strafe aufgebrummt. Das reichte Team Bouwmeester/ Campenhoudt auf Chinook, sie um 37 winzige Sekunden vom Podest zu drängen. Fair meinten die beiden: «Wir wären mit jedem Top-10-Platz überglücklich gewesen. Nelson und Max waren insgesamt besser als wir und hätten den dritten Platz verdient. Aber ein Rennen ist ein Rennen, wir wussten, dass wir bis zum Schluss kämpfen würden, vor allem, als das Podest in Reichweite war.»