Das Mittelmeer bietet Segelnden nahezu unendlich viele Möglichkeiten. Auch wenn man nur eine Woche zur Verfügung hat, locken unvergessliche Erlebnisse. Wer bereit ist, sofort aufs offene Meer zu fahren und nicht zuerst der Küste entlang zu dümpeln, kann sich ganz auf die Inseln seiner Träume konzentrieren. Wir haben uns dieses Jahr für die Balearen entschieden – mit allem, was dazugehört.
Text und Fotos: Emmanuel van Deth
Erstes Kennenlernen
Unser Bali Catspace liegt in Canet-en-Roussillon im Südwesten Frankeichs an einem Steg der Catana-Werft. Alles ist bereit: Die Backskisten und Kühlschränke sind gefüllt, die Wassertanks voll und der Gennaker am Bugspriet angeschlagen. Ich gehe los, um uns eine spanische Gastflagge zu besorgen. Ich will sie hissen, sobald wir die spanische Grenze rund 20 Seemeilen weiter südlich überquert haben. 24 Stunden müssen wir uns noch im Hafen gedulden, erst dann schwächt die Tramontana ab. In den nächsten Tagen ist eher eine Hitzewelle zu befürchten. Wir nutzen die Zeit für die Routenplanung. Unsere Reise soll uns zunächst nach Menorca, dann nach Mallorca und wieder zurück führen. Macht insgesamt 400 Seemeilen. Eine relativ lange Strecke, für die wir über den Daumen gepeilt wohl mindestens zwei Nächte segeln werden. In den ersten Stunden auf dem Meer machen wir uns mit dem Katamaran vertraut. Die vielen Aufenthaltsbereiche – Vordeck, Flybridge, Bänke – bieten genug Möglichkeiten, damit jeder seinen Lieblingsplatz findet, sei es im Schatten, an der Sonne, an oder unter Deck. Da kaum Wellengang herrscht, fahren wir möglichst nahe am berüchtigten Cap de Creus entlang und legen dann in der Cala Jugadora einen kurzen Zwischenstopp ein.
Erste Nacht auf hoher See
Eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang stechen wir in See und nehmen Kurs auf Menorca, Richtung Süd-Süd-Ost. Unter Gennaker und Motor machen wir uns an die 130 Seemeilen lange Überfahrt. Das Meer bleibt relativ ruhig. Manchmal nimmt der Wind genügend Fahrt auf, sodass wir den Motor abschalten können. Solange wir mindestens fünf Knoten erreichen, sind wir zufrieden. Während meiner Wache von Mitternacht bis 3 Uhr morgens sehe ich zweimal verspielte Delfine und einmal einen Frachter in rund zwei Seemeilen Entfernung. Um 14 Uhr ankern wir drei Meter über Grund im Osten der grossen Meeresbucht von Fornells, in der Nähe der Cala Sabra Salada. Die Hafenbehörden bitten uns, auf die andere Seite in Stadtnähe zu wechseln. In den Balearen ist es neuerdings verboten, über dem geschützten Neptungras (Posidonia) zu ankern. Man muss daher nach sandigem Grund Ausschau halten. Das ist nachts einfacher gesagt als getan!
Idyllisches Menorca
Wir lassen unser Beiboot zu Wasser und setzen an Land über. Fornells ist eine hübsche Ortschaft, deren weiss getünchte Fischerhäuser viel Charme ausstrahlen. Nach einer ruhigen Nacht beschliessen wir, nach Westen weiterzuziehen. Die leichte Dünung aus Nordosten kombiniert mit dem für den Nachmittag erwarteten Nordwind verunmöglicht die Zufahrt zu den meisten Ankerplätzen. Zum Glück ist die grosse Cala Algaiarens vor allem im östlichen Teil etwas geschützt. Wir finden dort einen traumhaft schönen Platz mit weniger als vier Metern unter den Kurzkielen. Die bisher gnädigen Wetterprognosen sagen Böen von mehr als 20 Knoten aus allen Richtungen voraus. Keine wirklich guten Voraussetzungen, wenn man wie wir in der offenen Bucht ankert! Da der vorherrschende Wind im Osten bleibt, ziehen wir uns beim Eindunkeln an den Spot S’Aigua Dolça zurück. Er ist gegen Westen offen, sodass wir uns im Notfall schnell davonmachen können. Abgesehen von der Tatsache, dass wir gegen Mitternacht wegen des wild schwojenden Bootes neu ankern müssen, verläuft die Nacht recht ruhig. Am nächsten Tag legen wir einen Ruhe- und Badetag ein. Unsere Wahl fällt auf Platja de Son Saura. Der Liegeplatz ist gross und grösstenteils naturbelassen, das Wasser leuchtet in einem herrlichen Türkis.
Die Klippen von Mallorca
Um 18 Uhr stechen wir wieder in See Richtung Mallorca. Unser Ziel ist die Bucht von Alcudia, wo wir einen guten Ankerplatz kennen – zumindest solange der Wind nicht aus Nordwesten weht. Unsere 30 Seemeilen lange Überfahrt beginnt unter Motor, später können wir dann doch noch die Segel hissen. Als wir uns dem imposanten Cap Farrutx nähern, werden die Wellen höher und der Wind nimmt zu. Sobald wir die Kaps hinter uns gelassen haben, beruhigt sich die Lage wieder. Um Mitternacht erscheint im Schein unserer Taschenlampe der halb zerstörte Steg von Es Caló. Ein paar Boote, die hier den Abend verbracht haben, ziehen weiter, sodass wir praktisch allein sind. Am nächsten Tag durchqueren wir unter Thermik von 12 bis 15 Knoten die grosse Bucht von Alcudia. Nachmittags laufen wir im Windschatten die Isla Alcanada nordöstlich von Alcudia an. Der Ankerplatz steht nicht in unserem Reiseführer, gefällt uns aber sehr. Am frühen Abend umrunden wir das Cap del Pinar und ankern in Pollença. Die Bucht bietet vor allem nordöstlich des Hafens hervorragenden Schutz. Abends lassen wir uns in einem Restaurant kulinarisch verwöhnen. Zurück an Bord ist die Luft aufgrund der Windstille drückend heiss. Einige von uns schlafen unter freiem Himmel, andere im Salon. Die Kabinen sind weniger beliebt. Am nächsten Morgen bunkern wir Wasser, denn schon bald heisst es zurück nach Frankreich. Der Wetterbericht kündigt eine besonders günstige schwache bis mässige Südostströmung an, die wir nicht verpassen wollen. Die Isla de Formentor soll unser letzter mallorquinischer Ankerplatz sein. Bis vor Kurzem konnte man dort sein Boot an Bojen festmachen, aber heute müssen alle Boote ihre Anker setzen. Um 16 Uhr segeln wir zum imposanten Cap Formentor, bevor wir die Rückreise Richtung Norden unter die Buge nehmen.
Wir sind nicht allein vor Barcelona…
Wie vorausgesagt geht ein Südostwind. Wir segeln einmal mehr unter Gennaker, während die Berge Mallorcas allmählich am Horizont verschwinden. Diese letzte Überfahrt fängt gut an: genügend Wind und ruhige See. Als die Sonne untergeht, verabschiedet sich auch die Brise. Vorbei ist es mit der Stille, jetzt knattern die Motoren. Wir übernehmen die gleichen Wachen wie in unserer ersten Nacht. Die Rückfahrt verläuft deutlich unruhiger als die Hinfahrt, am Horizont tanzen lauter Lichter. Dank AIS können wir den Kurs der meisten Boote voraussehen, doch eines kommt uns an Steuerbord so nah, dass mich mein Bruder weckt, um sich zu vergewissern, dass er das richtige Manöver ausführt. Wir verständigen uns mit unseren Taschenlampen und können die Kollision so gerade noch verhindern. Manchmal kann es auch auf offenem Meer ganz schön eng werden! Kurz danach erblicken wir vor unserem Backbordbug die orangefarbenen Lichter von Barcelona. Im Morgengrauen erreichen wir die Costa Brava bei Tossa de Mar. Die Landschaft hier ist traumhaft schön. Kurz bevor die Sonne hinter den ersten Ausläufern der Pyrenäen verschwindet, geht unsere Reise zu Ende. Der Katamaran ist nach 400 Seemeilen sicher zurück im Hafen.