In der Schweiz gibt es knapp 1500 Seen, doch wie viele kennen wir wirklich? Die aktuelle Situation ist ein Ansporn, unser Glück innerhalb der Landesgrenzen zu suchen. Das gilt auch fürs Segeln. In dieser und den nächsten Ausgaben von Skippers stellen wir Ihnen deshalb die Schweizer Seen vor, die Sie unbedingt näher kennenlernen sollten. Einheimische, die ihr Revier wie ihre eigene Hosentasche kennen, verraten Ihnen ihre Geheimtipps.
Text: Quentin Mayerat
Neuenburgersee, sein Südufer und seine Natur
Der Neuenburgersee ist der grösste ganz in der Schweiz gelegene See. Er grenzt an die vier Kantone Waadt, Freiburg, Bern und Neuenburg. Besonders eindrücklich und wild präsentiert er sich am Südufer, wo sich über praktisch die gesamte Länge das Feuchtgebiet Grande Cariçaie erstreckt. Es umfasst acht kantonale Naturschutzgebiete und beherbergt rund einen Viertel der schweizerischen Flora und Fauna. Manuel Chablais, der Gründer der Reiseagentur ailes und erfahrener Segler, sagt uns, wo es besonders schön ist.
«Der grosse Vorteil des Neuenburgersees ist seine Lage. Er liegt genau auf der Achse des
Westwindes und der Bise. Dadurch ist er viel windsicherer und windstärker als der Genfersee. Was ihn so besonders macht, sind aber vor allem die Sandbänke vor dem Südufer. Man findet sie zum Beispiel in Font und Estavayer- le-Lac rund einen Kilometer vom Ufer entfernt. Auf den Bänken, also eigentlich mitten im See, kann man im knietiefen Wasser spazierengehen. Der Ankerplatz von Font ist eher ruhig und etwas für Naturliebhaber, derjenige in Estavayer deutlich lebendiger und lauter. Neben Booten sind viele SUPs und Pedalos unterwegs und man kreuzt auch schon mal einen schwimmenden DJ. Unbedingt empfehlen kann ich einen Abstecher in die mittelalterliche Altstadt von Estavayer. Auf dieser Seeseite sind Boote in der Uferzone (300 Meter seeeinwärts) wegen der vielen Naturschutzgebiete allerdings praktisch überall verboten. Wer sich die Mühe
nimmt, die Region zu erkunden, wird begeistert sein von der intakten.
Tier- und Pflanzenwelt. Im Schilf rasten, überwintern und nisten Millionen von Wasser- und Zugvögeln. Wer es weniger beschaulich mag, findet etwas weiter südlich in Yvonand, am grössten Binnensee-Sandstrand Europas, sein Glück. Bei Bise stürzen sich dort ganze Heerscharen von Kitern ins Vergnügen. Familien kann ich einen Ausflug ins BirdLife-Naturzentrum La Sauge mit seinem Ausstellungszentrum, den Hütten zur Tierbeobachtung und dem Naturpfad ans Herz legen. Mit dem Boot erreicht man das Schutzgebiet über den Broye-Kanal, der den Neuenburger- mit dem Murtensee verbindet. Die Region ist atemberaubend schön, was offenbar schon unsere Vorfahren wussten. 5000 Jahre v. Chr. gehörte das Gebiet zu den am dichtesten besiedelten Gegenden der Welt! Die Pfahlbauer hatten sich hier niedergelassen und eine florierende Zivilisation gegründet. Im nachgebauten Pfahlbaudorf Gletterens kann man die Steinzeit hautnah erleben.»
Bodensee, Paradies der Kreuzer
Der Bodensee ist nur gerade 44 Quadratkilometer kleiner als der Genfersee und damit der zweitgrösste Grenzsee der Schweiz. Ähnlich einem kleinen Binnenmeer bietet er je nach Segelrevier enorm viele Möglichkeiten und vor allem die schweizweit besten Infrastrukturen für Fahrtensegler. Eugen Munz, Eigentümer der Werft X-Yachts Marine in Bottighofen, kennt ihn bis ins kleinste Detail und verbringt selbst viele Familienferien auf dem See.
«Was den Bodensee von anderen Seen unterscheidet, ist seine Cruisertauglichkeit. Er erfüllt alle Bedürfnisse von Törnseglern. Die Marinas sind grösser als anderswo, mit erstklassigen Sanitäranlagen ausgestattet und in jedem Hafen findet man im Nu eine Fachperson, die bei Bedarf Arbeiten am oder auf dem Boot ausführt. Der grösste Pluspunkt aber ist das findige Bootsplatz-System. An jedem Liegeplatz sind ein rote und eine grüne Plakette angebracht. Wenn der Platzmieter ausläuft, platziert er die grüne Plakette und notiert darauf das Datum und die Uhrzeit der geplanten Rückkehr. So finden Gäste meistens problemlos einen Bootsplatz und gleichzeitig wird die Nutzung der Infrastrukturen am See gefördert. Segeltechnisch hat der Bodensee enorm viel zu bieten, interessante Orte gibt es in Hülle und Fülle. Ich selbst gliedere den Bodensee in vier Gebiete.
Beim ersten handelt es sich um den Konstanzer Trichter, eine wunderschöne Bucht vor der gleichnamigen Stadt mit einer maximalen Tiefe von 40 Metern im Zentrum und fünf Metern Tiefe an den Rändern. Konstanz selbst hat architektonisch und historisch viel zu bieten. Die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg aufgrund ihrer Nähe zur Schweiz von den Alliierten verschont. Im Sommer weht hier bis auf Höhe von Altnau eine Thermik mit guten fünf bis acht Knoten. Im Nordwesten auf deutscher Seite liegt der Überlinger See. Auch er bildet ein schönes Segelbecken, die Winde sind dort allerdings extrem wechselhaft. Die drei hübschen Ufer-städtchen Überlingen, Bodman und Sipplingen sorgen für eine reizvolle Abwechslung. An den Überlinger See schliesst der Hauptteil des Bodensees, der Obersee, an. Dessen mittlerer Teil wird durch die Achse Romanshorn (CH) – Friedrichshafen (DE) begrenzt. Dort ist der See am breitesten und am windsichersten, ideal also für lange Schläge. Mein Lieblingsrevier ist aber mit Abstand der Abschnitt östlich dieser Linie, der bis nach Österreich reicht. Am östlichen Seeufer erheben sich die Alpen zu einer überwältigenden Silhouette. Sehr zu empfehlen ist die österreichische Stadt Bregenz mit ihren vier oder fünf bestens ausgestatteten Jachthäfen und ihrem hervorragenden Kulturangebot. Zum Ankern bietet sich der ehemalige Steinbruch in Fussach an. Er mutet an wie ein Fjord und hat eine regelmässige Wassertiefe von drei Metern. Da die Region zum Rheindelta gehört, kann dort eine heftige Thermik mit 15 bis 18 Knoten aufkommen und auch Föhnstürme sind keine Seltenheit. Wer Zeit hat, sollte unbedingt das Land erkunden. Es bietet eine Menge touristischer Angebote. Sie sind mit Mietvelos gut erreichbar. Anbieter gibt es in der Region viele.»
Oberer Genfersee, Land der Winzer und Hirten
Der Genfersee lässt sich in einen oberen Teil, den Haut-Lac, und einen unteren Teil, den Petit-Lac vor Genf, gliedern. Der Haut-Lac entspricht dem grösseren, östlichen Abschnitt und ist landschaftlich sehr abwechslungsreich. Kaum hat man die Achse Cully-Meillerie passiert, betritt man eine andere Welt. Imposante Berge fallen in die Tiefen des Genfersees ab und untermalen eindrücklich seine alpine Identität. Umgeben von Reben und Bergen ist der Haut-Lac zweifellos der faszinierendste Teil des Genfersees, aber aufgrund der unberechenbaren Winde bestimmt auch der schwierigste. Simon Brunisholz hat in dieser Region das Optisegeln gelernt, bevor es ihn 2012 mit dem technischen Team von Bernard Stamm und 2015 an der Mini-Transat auf die Meere zog. Im Segelclub von Villeneuve engagiert er sich für den «neuen Genferseeklassiker» Route des îles, bei der die Kenntnisse der nächtlichen Winde im Haut-Lac entscheidend sind.
«Fahrtensegler empfehle ich zwei schöne Stellen. Die erste ist ein Naturschutzgebiet zwischen Rhone und Grangettes, eine der letzten wirklich geschützten Uferstreifen am Genfersee. Wenn man die alte Rhone hochfährt, ist man plötzlich allein in der Pampa, umgeben von Schilf und Enten. Achtung allerdings vor der geringen Wassertiefe! Das zweite Highlight im oberen Genfersee ist der Abschnitt zwischen Vevey und Lutry. Dort segelt man am Fuss der berühmten Lavaux-Weinberge. Im Frühling, wenn die Reben aus dem Winterschlaf erwachen, ist das Panorama umwerfend schön. Besonders malerisch präsentiert sich der Hafen von La Tour-de-Peilz direkt vor dem Schloss und in unmittelbarer Nähe des Ortzentrums mit seinen Geschäften. Auch Villeneuve hat seinen Reiz. Das sympathische Städtchen ist wunderbar in die Landschaft eingebettet, verfügt über eine gute Infrastruktur und einen historischen Stadtkern. Einen Schlag weiter findet man sich direkt vor dem herrschaftlichen Schloss Chillon wieder.
Die Wasserburg, einstige Festung der Savoyer und der Berner, ist das meistbesuchte Baudenkmal der Schweiz. Man kann sich ihm gefahrlos nähern, muss aber wohl den Motor anwerfen, da die Winde sehr unbeständig sind. Da der Haut-Lac auf mehr zu drei Vierteln von Bergen umzingelt ist, sind die Winde nicht sonderlich konstant. Umso häufiger treten Thermik und Standorteffekte auf. Im östlichen Teil des Sees wird der Wind vom Rhonetal kanalisiert, dadurch können tagsüber der Vaudaire und nachts der Vaudron entstehen. Der Vaudaire ist bekannt dafür, dass er ziemlich stark auffrischen kann. Während der Südwestwind vom Haut-Lac gepuffert wird, trifft die Bise voll auf den höchsten Berg der Region, den Grammont oberhalb von Meillerie (FR), und kann um 180° nach Südwesten drehen. Je nach Temperaturunterschieden, die durch den Einfluss der umliegenden Gipfel sehr gross ausfallen können, entstehen verschiedene Thermikwinde wie der nach dem gleichnamigen Berg benannte Grammont oder der Jaman, der von der Dent de Jaman oberhalb von Montreux herabweht. Ankermöglichkeiten gibt es dort praktisch keine, ausgenommen rund um das Naturschutzgebiet Grangettes, wo der Boden sandig ist. Der Seegrund sinkt relativ schnell auf über 300 Meter ab. Denken Sie daran: Der Haut-Lac grenzt an eine Weinbauregion. Kehren Sie in einem der vielen Keller ein, degustieren Sie einen «Lavaux» und lassen Sie die besondere Atmosphäre auf sich wirken. Wir haben das Winzerfest nicht umsonst erfunden. Zum Abschluss einer Regatta wird hier in den seltensten Fällen Mineralwasser getrunken!».
Praktische Infos
Boatsharing
Auf allen drei Seen ist das Boatsharing-Angebot relativ gut. Der Neuenburger- und der Bodensee bieten eine wirklich grosse Auswahl, der Genfersee holt langsam auf. Für alle, die verschiedene Reviere ausprobieren möchten, ist Boatsharing die ideale Lösung. Die beiden grössten Anbieter sind sailbox.ch und sailcom.ch.
Charter
Je nach Bedürfnissen und gewünschtem Bootstyp können Sie sich auch an Ihre gewohnte harterfirma wenden, die Ihnen einen massgeschneiderten Törn zusammenstellt:
my charter, info@mycharter.ch, mycharter.ch