Eine Reise durch Argentinien beginnt gezwungenermassen in Buenos Aires, wo das sternförmige Strassennetz seine Fühler nach den wichtigsten Tourismuszielen des Landes ausstreckt. Der Nordosten ist eine lohnenswerte Alternative zum berühmten Patagonien.
Etymologisch bedeutet Mesopotamien „Zweistromland.“ Dabei denkt man natürlich in erster Linie an das Gebiet des heutigen Irak. Auf der anderen Seite der Erdkugel, weit entfernt von Euphrat und Tigris, befindet sich aber noch ein anderes von Flüssen eingefasstes Land, ein argentinisches Stück Erde mit faszinierenden Natur- und Kulturschätzen. Eingekeilt zwischen den Flüssen Uruguay und Paraná nimmt die Landzunge das Grenzgebiet zwischen Uruguay, Brasilien und Paraguay ein. Sie hat die Grösse eines europäischen Staats, obwohl sie auf der Karte des achtgrössten Landes der Welt nur einer Provinz entspricht.
Von 1550 bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelangte man am sichersten und schnellsten auf dem Wasser in diese Wildnis. Während über 350 Jahren wagten sich Entdecker und Siedler in den dichten Dschungel vor. Heute ist nur noch ein Bruchteil davon übrig. Ruinen der Jesuitenreduktionen aus dem 17. Jahrhundert erinnern im Guarani-Land an den damaligen Missionierungsdrang. Die Missionarsstation von San Ignacio Mini wurde zum UNESCO-Welterbe erklärt.
Pompöse Pampa

Die Landschaft lässt Fotografenherzen höher schlagen. Lange, dem Urwald geraubte und vom Eisenoxyd rot gefärbte Strassen führen über Hügel vorbei an Pinien, Eukalyptus, Tierweiden und Tee- oder Mate-Plantagen.
Dschungelcamp in echt

Das argentinische Mesopotamien ist eine Region der Wasserfälle. Überall sprudeln sie zwischen hundertjährigen Bäumen und Riesenfarnen. Wie ein Prolog der Iguazú-Fälle (siehe Kasten) bilden die Saltos de Moconá bei San Pedro im Yabotí-Naturreservat eine weltweit einzigartige Abfolge von Wasservorhängen. Aus rund 15 Metern Höhe schiessen sie auf einer Länge von drei Kilometern über die Felskante, als wollten sie mit ihrem gewaltigen Rauschen und der schäumenden Gischt die Schlauchboote, die sich ihnen zu nähern wagen, einschüchtern.
Die Schlucht des Teufels
Iguazú bedeutet in der Sprache der Guarani „grosses Wasser“. Eine glatte Untertreibung! Auf einer Länge von 2,7 Kilometern donnern inmitten ungebändigter Vegetation 200 Fälle senkrecht in die Tiefe. Durch den grünen Mantel befördert der Fluss seine enormen Wassermassen mal in feinen Rinnsalen, mal in breiten Katarakten mit ohrenbetäubendem Tosen in die Teufelsschlucht. Am eindrücklichsten ist das überdimensionale Amphitheater in Vollmondnächten. In silbern schimmerndem Licht stürzt der Iguazú unter den Stegen in einen dunklen Schlund, aus dem Dunstwolken emporsteigen. An keinem anderen vergleichbaren Ort auf der Welt spürt man die unbändige Gewalt der Natur in einer solchen Kraftexplosion. Als Winzling unter den Sternen fühlt man sich wie eingesogen in einen kosmischen Trichter.