Ich habe genau das gefunden, wonach ich gesucht habe: gutes Wetter, abwechslungsreiches Segeln, hübsche, nicht überfüllte Orte, Einheimische mit umgebundenen Schürzen, ein idyllisches Meer und gute Freunde, die sich in allen möglichen Sprachen unterhielten und bei einem guten Essen und italienischer Musik fröhlich feierten.
Ich mag den Begriff «Flottille» nicht.
Viel lieber sage ich, dass ich mit Jacques, Sheila, Ainis, Sue und Suzanne, Richard und Richard, John, Eduardo, Elina, Marc und vielen anderen unterwegs war. Ich mag den Begriff «Flottille» nicht, weil er mich an eine Horde Touristen im Car erinnert. Ein Segeltörn mit Gleichgesinnten ist dagegen eine Lebensart, ein Erlebnis für alle fünf Sinne. Ich spüre es noch, das Salz auf der Zunge, schmecke die italienischen Köstlichkeiten, rieche die betörenden Düfte und höre die schönen Gesänge. Mit der Wein- und Genussflottille von Sunsail und Sailitalia kann man schöne Segeltage mit kulinarischen Freuden verknüpfen. SailEATalia: Sail, eat and drink like an Italian, heisst das Programm. Das Paradies auf Erden, heaven’s gate! Ich hatte mich entschieden: Ich würde trotz allem oder gerade deshalb in einen Touristencar einsteigen, schliesslich wusste ich, was mich erwartete. Dachte ich zumindest, denn es kam alles anders. Ich habe mich noch immer nicht von dieser Erfahrung erholt.
Via con me
Ich gehöre zu den Seglern, die die Einsamkeit auf dem Meer geniessen. Mittlerweile schätze ich es aber auch anders. Ich mag es, meine neuen Freunde abends im kleinen Hafen oder am Ankerplatz zu treffen, mich zum Restaurant Aurora führen zu lassen, wo man die besten Gnocchi alla Sorrentina von ganz Italien, ganz Europa und der ganzen Welt isst. Ich mag es, wenn John mir das Wetter erklärt und mir die schönsten Liegeplätze von Sorrento empfiehlt, wo ich im stahlblauen, wie eine heisse Quelle dampfenden Meer baden kann. Ich mag es, wenn Eduardo mich zum kleinen Fischerdorf Atrani mitnimmt, weit weg von den Menschenmassen von Amalfi, mich dem Chef der Taverna in Serrara Fontana vorstellt, der mir sein Kaninchen-Rezept nach Ischia-Art verrät. Und ich mag es, mit vollem Mund mit Kanadiern, Schweizern, Iren, Italienern, Engländern, Litauern, Schotten, einem Russen und ein paar Typen aus Ohio zu lachen, bis der Bauch schmerzt. Wie gut es doch tut, Teil einer Multikulti-Gemeinschaft zu sein. Ich hätte diese Segler unterschiedlichster Art und Herkunft nie kennengelernt: den Anfänger, den Yachtmaster, den alten Seebären, die Kapitänin und den grossen Jungen mit seiner Mutter.
Nur mit der Ruhe, wir sind in den Ferien!
Wenn du dich fürchtest, bei 20 Knoten Wind von Ischia nach Sorrento oder Capri zu segeln, schlägt dir John eine Alternative vor: ein Rendezvous in Amalfi am übernächsten Tag. Wenn du dich aber sicher genug fühlst und ein erfahrener Skipper bist, brichst du nach Capri auf und wir treffen uns in Sorrento. Oder du besuchst Pompei – Eduardo kümmert sich um die Organisation, während Paolo Conte «Via con me» singt. Jeden Morgen führt Skipper John ein nautisches Briefing durch und Eduardo macht uns gluschtig, indem er uns das Abendessen so farbig ausmalt, dass wir bereits den Duft riechen.
Falls du wie ich manchmal Panik schiebst, schwitzt und dir der kalte Schweiss auf der Stirn steht, weil du in einem unbekannten Hafen einparken musst und ein starker Wind weht, dann ist John zur Stelle. Er lenkt den Bug mit seinem Beiboot oder erteilt dir vom Steg aus Tipps. In der Flottille wird dir das Schlimmste abgenommen und dir bleibt nur das Beste. John auf der Begleitjacht ist wie ein Vater oder Bruder, immer hilfsbereit. Er bringt dir alles bei, was du lernen möchtest und ist in fünf Minuten an Bord, egal, ob du ein Problem mit der Wasserpumpe, einem Fall oder der Rollanlage hast. Wenn du verloren gehst, findet er dich. «Bei Westwind segelt ihr südlich oder nördlich an Ischia vorbei. Wer Herausforderungen und Abenteuer mag, wählt den Norden, die anderen den Süden, der ist safer. Bei Fragen meldet ihr euch über Channel 72 oder per Telefon.» John ist wie ein Sherpa. Er hat Zeit für jede und jeden, bemuttert seine Schützlinge aber nicht. Du lebst dein Leben und rufst ihn, wenn du ihn brauchst. Das Begleitboot Serenessa bricht immer als letztes auf und ist immer als erstes am Ziel, schliesslich muss es sichergehen, dass alle im sicheren Hafen sind. Seine Besatzung hilft, die Leinen zu lösen und an der Mole anzulegen. Jeder startet, wann er will, manchmal kreuzen wir uns erst am Horizont. Flottillensegeln bedeutet allein segeln und dabei stets jemanden an seiner Seite haben, Törns unternehmen, die du solo nicht gewagt hättest und Begegnungen machen, von denen du immer geträumt hast. Und es bedeutet gemeinsam Zeit verbringen, Spass haben und lachen, gut essen, an kleinen Stränden faulenzen und über malerische Wege wandern, die du allein nie gefunden hättest. Die Teilnehmer sind hier, weil sie für ihr Leben gern segeln und die italienische Küche und die guten Weine lieben. Sie wollen das echte Italien erleben und das lernt man nur über den Gaumen kennen.
Briefing um 9 Uhr an Bord der Serenessa: Start in Procida, 20 sm unter Segeln, Destination Ischia. Treffpunkt im kleinen Hafen von Foria um 19.30 Uhr. Von dort geht es in die Höhe, damit wir den Sonnenuntergang geniessen können. In der Taverna Verde mit Blick aufs Meer essen wir das Tier mit den grossen Ohren nach Ischia-Art, Coniglio all’ischitana.