Zu zehnt haben wir auf dem Neel 45 in sieben Tagen 530 Seemeilen zurückgelegt. Der Trimaran brachte uns mit bis zu 18 Knoten von Cherbourg über Südengland zu den Scilly-Inseln.
Wir waren alle aus dem gleichen Grund in Nordfrankreich: Wir wollten den Neel 45, seine Geschwindigkeit, das Rigg und die Stabilität auf Herz und Nieren prüfen und freuten uns darauf, das vielgerühmte neue Segelgefühl zu erleben. An diesem Samstag, 8. April, durchquerte der Trimaran das Hafenbecken von Cherbourg. An Bord warteten zehn Mitglieder des Cruising Clubs der Schweiz ungeduldig darauf, die Segel zu hissen. Der von uns gecharterte Neel war fast neu, die Schoten und Fallen lagen gut in der Hand. Etwas gewöhnungsbedürftig war hingegen die Anordnung der Winschen. Hier war Koordination gefragt. Ein Ostwind schob uns mit fast 10 Knoten zu den Scilly-Inseln im äussersten Westen Englands. Mehrere Delfine begleiteten uns und hüpften fröhlich um die drei Rümpfe des Neel herum. Nach fast 30 Stunden reibungsloser Fahrt machten wir das Boot an einer Boje vor St Mary’s, der grössten Scilly-Insel, fest. Am nächsten Tag erwartete uns eine kürzere, aber deutlich sportlichere Etappe. Auf der gewählten Route nach Tresco trafen wir auf ein aufgewühltes Meer und der Nordwind zwang uns, am Wind zu segeln. Wir versuchten unser Glück mit der Selbstwendefock, aber der Steuermann bekam das Boot nicht in den Griff. Oft steckte es steuer- oder backbordseitig fest. Die Seekranken an Bord waren nicht zu beneiden. Also beschloss der Skipper einen Taktikwechsel. Wir refften das Segel und der Neel stabilisierte sich. Ein paar Stunden später lag das Boot vertäut vor New Grimbsy. Im Eiltempo besichtigten wir die wunderschöne, mit exotischen Pflanzen bewachsene Insel. Es blieb kaum Zeit für einen Drink auf der Sonnenterrasse, als sich schon wieder die Flut einstellte. Für uns das Zeichen, zu einer weiteren Nachtetappe Richtung Südengland aufzubrechen.
Die richtige Wendetechnik
Das Boot rauschte unter sternenklarem Himmel übers Wasser. Am nächsten Morgen machten wir vor Salcombe eine neue Erfahrung. Mehrmals versuchten wir zu wenden, aber der Neel blockierte im Wind. Für das Team, das meist auf Einrümpfern segelt, war das Manöver ungewohnt, denn die Genua musste vor der Wende ein- und danach wieder ausgerollt werden. Dadurch wurde das Boot langsamer und wir schafften es nicht, zu wenden. Der Skipper liess sich nicht aus der Ruhe bringen. Er schlug vor, beizudrehen, zu frühstücken und die Sache in Ruhe zu bereden. Zwischen zwei Butterbroten hatte eine Binnenseglerin mit Katamaranerfahrung die Idee, das Grosssegel stärker zu fieren, damit das Boot für die Wende mehr Schwung aufnehmen kann. So wurde es denn auch gemacht und die Methode klappte tatsächlich. Gegen Mittag fuhr der Trimaran in Salcombe ein. Der Hafen war voll besetzt, aber der Neel 45 ist trotz seiner 13,5 Meter Länge und 8,5 Meter Breite auch bei wenig Raum einfach zu steuern. Er wurde schliesslich an einem Steg direkt vor dem Stadtzentrum vertäut. Nach der Ruhe und relativen Einsamkeit der Scilly-Inseln erkundeten wir das belebte Salcombe. In den Pflastersteingassen herrscht reges Treiben, dennoch hat der von grünen Feldern und darauf weidenden Schafherden umgebene kleine Badeort durchaus seinen Reiz.
Im Temporausch
Nach einem erholsamen Schlaf zogen wir weiter nach Lulworth. Es sollte der schönste Segeltag des gesamten Törns werden. Bei Nordostwind Stärke 5 hissten wir den Gennaker und konnten so die Segeleigenschaften des Neel bei mehr Wind testen. Fasziniert vom Tempo und den Rümpfen, die sich aus dem Wasser hoben, wollten alle den Trimaran steuern. Der Wind frischte mehr und mehr auf und das Boot schoss mit 15 Knoten und Spitzen von bis zu 18 Knoten durch die Wellen, wurde aber ausser im Luv zunehmend schwieriger zu steuern. Auf Befehl des Skippers wurde eher widerwillig wieder die Genua gesetzt. An diesem Abend schliefen einige Teammitglieder auf dem ruhigen Ankerplatz in der Lulworth-Bucht mit dem Steuer in der Hand und Wellen vor Augen ein.
Der Törn neigte sich dem Ende zu. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Yarmouth, wo wir die nadelförmigen weissen Felsen, die sogenannten Needles, bestaunten, nahmen wir Kurs Richtung Süden, um den Neel nach Cherbourg zurückzubringen. Die Überquerung des Ärmelkanals gestaltete sich relativ ruhig, sodass alle Besatzungsmitglieder die verbleibenden Stunden an Bord noch geniessen konnten. In sieben Tagen hatten wir über 530 Seemeilen zurückgelegt. Noch einmal liessen wir die wellengepeitschte Landschaft, die verzwickten Manöver und die einsamen Momente am Steuer im Mondlicht Revue passieren. An diese Erlebnisse erinnerten wir uns, als wir in die Reede von Cherbourg einfuhren. Dabei verspürten wir nur einen Wunsch: So schnell wie möglich wieder Wasser unter den Bug zu bekommen.