Fotos: ©Bertrand Duquenne
Die umwerfende Schönheit der thailändischen Inseln hat ihren Preis: Man hat die Tropenparadiese nicht für sich allein. Um den Touristenmassen zu entfliehen, gibt es nur eins: Schleichwege benutzen und gegen den Strom schwimmen.
Thailand ist mit tausend Klischees behaftet. Der Name weckt in uns Bilder einer spontanen und freundlichen Bevölkerung, von Tempeln im Überfluss, ursprünglichen Bergvölkern im Norden, geschmacksintensiven Speisen und berüchtigten Rotlichtvierteln. Wer das tropische Asien erleben will, für den ist das Land des Lächelns die Destination schlechthin – vor allem in unseren grauen, kalten Wintern. Fluch des Erfolgs: Immer grössere Touristenmassen aus der ganzen Welt überschwemmen das Land. Der Fremdenverkehr nimmt teilweise beängstigende Ausmasse an.
Als mir Familie Duquenne vorschlägt, mich auf ihrer Weltreise zu ihnen zu gesellen und mit ihr gemeinsam die Andamanensee zu entdecken, hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Schliesslich deutet vieles darauf hin, dass der Januar in Thailand sämtliche Besucherrekorde brechen wird. Unmöglich, die Auswüchse des überbordenden Tourismus zu ignorieren, für den Phuket, Patong, Kho Phi Phi oder Koh Lanta zu Symbolen geworden sind. Die fünfköpfige Truppe lässt nicht locker. Sie leistet so viel Überzeugungsarbeit, dass ich alle meine Vorbehalte über Bord werfe und gegen Verstand und Bauchgefühl zusage. Sie versprechen mir einen Törn fernab von Trubel und Touristenströmen.
James Bond wird überbewertet, das Abenteuer ist anderswo
Dank ausgezeichneter internationaler Flugverbindungen sind wir kurz darauf auf einem praktisch brandneuen Bali 45 vereint, sie braungebrannt, ich bleich. Welch eine Wohltat, die Sonne, die sich in unseren Gefilden schon viel zu lange nicht mehr blicken liess, auf der Haut zu spüren. Es herrscht schönstes Wetter, die leichte Brise wirkt wie ein Lockruf, die Segel zu setzen. Mit grosser Vorfreude stechen wir in See. Die Andamanensee wartet. In der Strasse von Pak Pra, die das Festland von der Insel Phuket trennt und uns aufs offene Meer führt, machen wir etwas brutal mit den thailändischen Gepflogenheiten Bekanntschaft. Egal, wie eng die Fahrrinne ist, überall lauern Reusen und Netze. Chaos pur! Als Bojen dienen alte Plastikflaschen oder unförmige Polystyrolstücke, in denen sich unsere Ruder verheddern könnten. Während wir uns einen Weg durch dieses Minenfeld bahnen, knattern die hölzernen Longtail-Boote mit ihren langen Propellerwellen munter übers Wasser und missachten dabei die elementarsten Sicherheitsregeln. Wir sind gewarnt: Vorfahrt ist etwas fürs Theoriebuch, in der Praxis wird sie überbewertet.
Entschlossen, unseren guten Vorsatz umzusetzen, treffen wir kurz nach dem Start unsere erste unkonventionelle Entscheidung: Wir kehren der weltberühmten Insel Khao Phing Kan alias James-Bond-Insel den Rücken. Warum sollen wir uns einen 15 Seemeilen langen Umweg antun, nur um einen Felsen zu betrachten, auf dem der Bösewicht in Der Mann mit dem goldenen Colt seine Räuberhöhle eingerichtet hatte, wenn der nördliche Teil unseres Törnreviers voll solcher Kulissen ist? Die bis 400 Meter hohen Karstinseln mit ihren zerklüfteten, in sich verdrehten und bizarr geformten Felsen, den undurchdringlichen Mangrovenwäldern voller Leben und dem grünen Wasser, das Schlamm des Irrawaddy aus dem Schoss des Himalaja führt, sind überwältigende Naturwunder.
Eine Odyssee voller Um- und Irrwege
Unser erstes Wow-Erlebnis schenkt uns Koh Roi. Die kleine Insel und die ihr vorgelagerte Felsnadel, die von etlichen Brahminenweihen wie eine Festung verteidigt wird, wirft unser Programm auf Anhieb über den Haufen. Nach einem kleinen Nickerchen schaffen wir es beim besten Willen nicht, den Anker zu lichten und unsere Reise fortzusetzen. Eine rätselhafte Atmosphäre mit unwiderstehlicher Magnetwirkung nimmt uns gefangen. Der Wunsch zu verweilen wird noch stärker, als sich einige mit Touristen vollbepackte Longtails anschicken, die Insel zu verlassen und eine baldige Einsamkeit verheissen. Die Kinder gehen als Kundschafter voraus. Sie erforschen die bescheidenen Sandstreifen, die sich mehr schlecht als recht gegen die überbordende Vegetation behaupten. Lautstark bekunden die Tiere, dass sie hier das Sagen haben. Durch einen von der Natur gegrabenen Tunnel gelangen wir zu einem von schwarzen Felsen umzingelten Mangrovengürtel. Wir haben den Eindruck, einen geheimen, wilden Dschungel zu betreten. In einem chaotischen Wirrwarr von Luftwurzeln und breiten Blättern verströmen kleine Blüten einen betörenden Duft. Am Boden verraten Spuren die Anwesenheit von Bindenwaranen, jenen bis zu drei Meter langen, kräftigen Echsen, in den Baumkronen hängt eine riesige Kolonie Kalong-Flughunde. Die grossen Fledertiere fliegen tagsüber und nachts laut kreischend durch die Luft.
Im schwindenden Tageslicht fegen heftige Böen durch die kleine Bucht. Sie bringen die angestaute Hitze regelrecht zum Platzen. Heftiger Regeln prasselt auf den Wald nieder, der intensive Geruch feuchter Erde erfüllt die Luft. Wir an Bord haben unseren Frieden gefunden. Die Entdeckung der Karstinseln ist eine Odyssee voller Irr- und Umwege, die lauter Schönheiten bereithält: hier ein steiler Felsen, dort eine verborgene Felsbucht. Auch Koh Hong Krabi gehört dazu. Am Rand der Insel entfaltet sich überall dort, wo sie nicht von Felsen und Steinen gestoppt wird, ein Mangrovendickicht. Nur eine wenige Meter schmale Schlucht konnte sich den Eroberungsgelüsten der Felsen erwehren. Sie scheint sich den Gesetzen der Schwerkraft zu entziehen und ermöglicht die Zufahrt bei Ebbe.
Da wir unserem Entdeckerdrang freien Lauf lassen, kommen wir nur langsam voran. Auf der Karte erscheint die Distanz zwischen unserem ersten und zweiten Stopp in Koh Pak Bia wie ein Katzensprung. Ganze acht Seemeilen haben wir seit letzter Nacht gewonnen. Sei’s drum. Unser neuer Liegeplatz verlangt Geduld. Auf einem hübschen, äusserst verlockenden weissen Sandstreifen kommen und gehen die Besucher in Scharen. Sie alle möchten ein paar Stunden an diesem paradiesischen Flecken verbringen. Die Zeit ist eindeutig auf unserer Seite. Mit unverhohlener Freude beobachten wir, wie die Touristen abziehen. Plötzlich sind wir allein. Wie kleine Robinsons können die Kinder den ganzen Abend herumstreifen und planschen.
Der Trubel von Kho Phi Phi
Wir brechen in aller Frühe auf, eine sanfte Brise kräuselt das Wasser. Die Luft scheint sich nicht zwischen lau und frisch entscheiden zu können – ein Luxus in tropischen Gewässern. Behutsam erwacht die Welt in einer Palette aus Pastelltönen, eine besinnliche Ruhe legt sich auf die Region. Die Sonne steht bereits am Himmel; sie spielt zwischen den Felsinseln Verstecken. Wehmütig verabschieden wir uns von den letzten Karstformationen und steuern die Koralleninseln im Süden an. Diesmal kommen wir nicht darum herum: Wir müssen 40 Seemeilen hinter uns bringen. An Bord macht sich Hochseestimmung breit, ein raumer Wind treibt unseren Kat gemächlich vorwärts. Die Zeit zieht sich auf dem von der Hitze gebleichten Meer in die Länge. Durch das Fehlen von Meeresvögeln am Himmel wirkt das Meer leblos. Nur ein paar fliegende Fische, die vor unseren Bugen fliehen, strafen diesen Eindruck Lügen. Da wir nicht genügend Trinkwasser an Bord haben, müssen wir wohl oder übel einen kurzen Zwischenstopp in Koh Phi Phi einlegen. Unsere Befürchtungen bewahrheiten sich. Bereits die Bucht Koh Phi Phi Don Ton Sai ist eine Strapaze. Sie wird als sicherer, vor Dünung geschützter Ankerplatz beschrieben, bringt unser beiden Rümpfe aber heftig zum Schaukeln.. Grund ist das ständige Hin und Her unzähliger Passagierschiffe, die in vollem Tempo vorbeirauschen. Mit dem Beiboot anlegen zu wollen erweist sich als Rodeo.
Der Inselkern wurde nach dem verhängnisvollen Tsunami vollkommen saniert. Er besteht aus einem Labyrinth aus schmalen, lärmigen Gassen, in denen sich die Betreiber von Marktständen, Restaurants und Kneipen auf Touristenfang machen. Es geht zu wie auf einem Rummelplatz. Amerikaner, Russen, Chinesen, Europäer und Inder quetschen sich aneinander vorbei. Jeder versucht den andern zu übertönen. Die Gassen platzen aus allen Nähten, es wird gedrängelt und gestossen. Der kurze Aufenthalt entpuppt sich als Bewährungsprobe, unsere Abreise ist eine Erlösung.
Und jeden Abend kehrt wunderbare Ruhe ein
Als wir die drei kleinen Inseln Koh Ha Yai erreichen, sind wir vom Kontrast überwältigt. Abgeschieden fristen sie mitten auf dem Meer ihr asketisches Dasein, in ihrer Mitte ein lebendiger Korallengarten. Der Übermut der Karstformationen ist felsiger Schlichtheit gewichen. Bei Einbruch der Nacht beginnt eine ganze Schar Fischerboote am Horizont zu leuchten. Ihre Lampions bilden Serpentinen aus mechanischen Leuchtkäfern. Der Koh-Rok-Archipel ist unser letzter Stopp, bevor wir unsere Rückfahrt antreten. Als Tummelplatz dienen uns die beiden dicht bewaldeten Inseln Ko Rok Nai und Ko Rok Nok. Sie sind durch einen natürlichen Kanal ge-trennt, der ungeachtet relativ starker Meeresströmungen zum Ankern ideal ist. Trotz ihrer Abgeschiedenheit kann sich auch Ko Rok dem ständigen Hin und Her der mit Touristen vollbeladenen Longtails nicht entziehen. Erst am späteren Nachmittag versiegt der unaufhörliche Strom langsam. Mittlerweile haben wir an dem Spiel Gefallen gefunden. Tatsächlich vervielfacht sich unsere Freude, wenn wir abends die Einsamkeit und Ruhe der Inseln geniessen, die ihre Intimität nur für uns aufbewahren. Auch bei diesem Stopp ist das nicht anders. Nachdem wir ein Feld aus lauter gesunden Korallenköpfen erkundet haben, das von unzähligen Papageifischen gierig und lautstark abgeweidet wird, gönnen wir uns das Privileg, an einem einsamen Strand Ruhe zu tanken.
Auf unserer Weiterreise entdecken wir nichts mehr, das nur annährend so idyllisch ist wie dieser Archipel. Die Zwischenstopps sind meist stark besucht, Schleichweg gibt es auf unserer Rückfahrt zur Marina keinen mehr. Die Schönheit der Ankerplätze tröstet uns aber etwas über das verlorene Paradies hinweg. Im Nordosten von Kho Phi Phi zum Beispiel spuckt eine kuriose Klippe den Rückfluss der Wellen über einen kräftigen Geysir aus. Und in einem unauffälligen muslimischen Stranddorf im Osten der Insel Ko Yao Yai ruft der Muezzin in der Abenddämmerung zum Gebet, während aus den Karaokebars die neusten, von den Einheimischen inbrünstig mitgesungenen Hits dringen.
Unsere einsame Auszeit voller exotischer Düfte und unvergesslicher Eindrücke ist zu Ende. Bald schon werden wir unsere Seesäcke an Land hieven und das andere Thailand über uns ergehen lassen. Wir werden uns ins pulsierende Bangkok und ins lebendige Chiang Mai stürzen und das Verkehrschaos, Streetfood, die chinesischen Viertel, Tempel, Massagen und Thai-Boxkämpfe erleben. Eine ganz andere Reise, die durchaus auch ihren Reiz hat.
Reise-Infos
Anreise
Viele Fluggesellschaften bieten Langstreckenflüge nach Thailand sowie Inlandflüge an. Für Inlandflüge preislich besonders interessant sind Air Asia und Thai Airways. Es geht zwar noch günstiger, aber die lokalen Gesellschaften sind weniger sicher.
Für massgeschneiderte Reisen und/oder Törns mycharter, info@mycharter.ch, mycharter.ch
Charter
Mehrere grosse Unternehmen und eine Vielzahl selbstständiger Skipper verchartern Boote. Dream Yacht Charter zum Beispiel ist in der modernen und komfortablen Yacht Haven Marina nördlich von Phuket stationiert. dreamyachtcharter.de
Beste Reisezeit
Im Süden Thailands kann ganzjährig gesegelt werden. Die Lufttemperatur beträgt zwischen 25 und 35 Grad, die Wassertemperatur liegt bei 28 Grad. Am günstigen sind die Monate Dezember bis März, wenn es nur wenig regnet und ein moderater Nordwestwind weht. Einziger Nachteil: Dann ist auch Hochsaison. Reise-Infos
Navigation
Die Navigation ist zwar gezeitenabhängig, aber unkompliziert und erfordert lediglich eine aufmerksame Wache (Einhalten der Vorfahrtsregeln, Schleppnetze, Netz- und Reusenbojen). Die Vercharterer verbieten Nachtsegeln.
Nationalparks
Die Andamanensee wird von mehreren Nationalparks, in denen die meisten von uns besuchten Inseln liegen, geschützt. Grundsätzlich wird eine Tagesgebühr fällig, allerdings muss das Rangerboot dazu vor Ort sein. Bewahren Sie immer genügend thailändische Baths an Bord auf.
Gefahren
Von Haien geht keine Gefahr aus. Sie werden aufgrund der Überfischung immer seltener. Zeitweise wird das Meer von Würfelquallen bevölkert. Ihre Stiche sind extrem schmerzhaft und zuweilen sogar tödlich. Die einzige wirkliche Gefahr beim Baden geht aber von Schiffen aus. Um Kollisionen zu verhindern, werden vor den meisten Stränden mithilfe von schwimmenden Seilen Schutzzonen gebildet.
Wissenswertes
Nehmen Sie genügend Bargeld mit. In den Supermärkten vor Ort kann man sich günstig und unkompliziert verproviantieren. Wir haben für eine ganze Woche 40 Euro pro Person ausgegeben, plus drei Euro für das Taxi. Kreditkarten werden aber keine akzeptiert! Sorgen Sie vor, der nächstgelegene Geldautomat befindet sich nämlich am Flughafen von Phuket!