Der Augenblick, in dem ein Boot erstmals Wasser unter den Bug bekommt, ist immer ein grosser Moment. Obwohl er eher fliegt als schwimmt, macht der TF35 da keine Ausnahme. Wir waren für die Premiere vor Ort bei der SNG, wo die Baunummer 0 entstanden ist, und haben miterlebt, wie in der Geschichte des Schweizer Segelsports ein neues Kapitel eröffnet wurde.
Text ) Quentin Mayerat
«Jedes Projekt hat interessante Seiten, dieses ist aber etwas ganz Besonderes. Wir mussten uns weder an Bauvorschriften noch an andere Vorgaben halten. Wir haben ganz einfach das getan, was wir für gut hielten. Im America’s Cup ist alles streng kontrolliert und eigentlich geht es nur darum, die Regeln möglichst auszureizen», vergleicht Luc Dubois. Nach sieben America’s Cups, bei denen er in verschiedenen Design Teams tätig war, hat der Westschweizer mit den TF35 eine neue Herausforderung gefunden, bei der er sein ganzes Talent einbringen kann. «Es ist das erste Boot, das im Rennen komplett softwaregesteuert sein wird», erklärt Dubois, der für das vollautomatische Flugsteuerungssystem zuständig ist. Die Flughöhe werde dabei abhängig von den Informationen eingestellt, die ein unter dem Katamaran befestigter Sensor in Echtzeit übermittelt.
Dank der elektronischen Steuerung der Foils und des speziellen Designs des Unterwasserschiffs sollten die «Early Foiler» bereits ab 6 bis 7 Knoten Wind abheben. Um möglichst viel Gewicht zu sparen, wurden die Beams gebogen. Dadurch konnten die Schwimmer tiefer gebaut werden, was sie wiederum leichter macht. Als Folge davon liegt das bis zum mittigen Pod hochgezogene Trampolin schräg, was für die Teams natür- lich gewöhnungsbedürftig ist.
Im Fokus stehen aber die T-Foils. «Die Foiltechnologie ist praktisch die gleiche wie bei den nächsten AC Cuppern. Bei der Arbeit mit solchen Projekten lernt man im Hinblick auf den Cup sehr viel», sagt Design- und Performancechef Gonzalo Redondo, der auch beim amerikanischen Challenger American Magic mitwirkt. Die Schwimmer verfügen über einen strukturierten Bugwulst aus Titan, der den Foils sicheren Halt bietet. Die meisten Flügel sind an der Hinterkante mit einstellbaren Flaps versehen. Laut Marc Menec, einem weiteren Mitglied des Design Teams, eine bautechnische Meisterleistung: «Der TF35 ist hochkomplex. Bei der Verbindung von Foil und Flap arbeiten wir mehr als millimetergenau. Dieses Vorgehen hat jedoch auch seine Tücken. Bei hoher Geschwindigkeit müssen wir die Kavitation der Foils in den Griff bekommen. Sie entsteht durch die mikroskopisch kleinen Löcher, die durch eben diese Verbin- dung verursacht werden.»
Der TF35 ist fürs Fliegen gemacht und soll bei jeglichen Bedingungen die Vorherrschaft über den Genfersee gewinnen. Damit ihm das gelingt, können die Foils durch Schwerter ausgetauscht werden. Dadurch wird der Katamaran leichter und der Wasserwiderstand reduziert sich, was ihn bei Leichtwind schneller macht. Ob mit oder ohne Foils, der TF35 ist auf jeden Fall gut betucht und auf Tempo ausgelegt. Die taktischen Entscheidungen der Teams an der nächsten Bol d’Or Mirabaud dürften interes- sant werden!