Text: Oliver Dufour Fotos: Jean-Marie Liot
Die diesjährige Transat Jacques Vabre ist am 7. November 2021 mit einer Rekordbeteiligung in Le Havre gestartet. Ein Schweizer Team kämpft mit um den Sieg.
Leider können wir an dieser Stelle nicht über den Ausgang der Zweihand-Atlantiküberquerung berichten, da die Zeitschrift in Drucklegung muss. Wir hatten die Offshore-Geschosse (Ultims und OceanFifty) und die Einrumpfjachten (IMOCA und Class44) eigentlich früher in Martinique erwartet, sie wurden von den flauen Winden an den ersten zehn Renntagen jedoch erheblich ausgebremst. Ihre Rekordgelüste währten denn auch nicht lange. Thomas Covilles und Jean-Luc Nelias’ Bestzeit von acht Tagen aus dem Jahr 2017 ist definitiv nicht in Gefahr. Erschwerend hinzu kommt das neue Format mit drei verschiedenen Kursen für die vier vertretenen Klassen. Die Veranstalter wollten die Distanz für die Schnellsten mit einer Zusatzschleife verlängern und haben für die OceanFifty und die IMOCA eine Wegmarke bei der Inselgruppe Fernando de Noronha und für die Ultim bei Trindade und Martim Vaz hinzugefügt.
Trotz der neuen Regelungen hat diese 15. Transat Jacques Vabre eine neue Dimension erreicht. Mit 79 gestarteten Booten – 76 waren bei Redaktionsschluss noch im Rennen – wurde der Teilnehmerrekord von 60 Booten aus dem Jahr 2007 deutlich übertroffen. Bei den Class40 ist die Flotte von 27 auf unglaubliche 45 Teams angewachsen, was der einzigen reinen Schweizer Paarung die Aufgabe logischerweise nicht einfacher macht. Valentin Gautier und Simon Koster alias Rösti Sailing Team sind am 7. November in Le Havre mit einem klaren Ziel gestartet: Nachdem sie mit ihrer Banque du Léman 2019 trotz chaotischer Vorbereitung den 4. Platz erreicht hatten, streben sie jetzt einen Podestplatz an.
«Wir haben Gewicht verloren und an Gleichgewicht gewonnen»
«Es ist auf jeden Fall angenehm, loszufahren, ohne in die roten Zahlen zu geraten, wie wir das vor zwei Jahren gemacht haben», meinte Valentin Gautier ein paar Tage vor dem Startschuss lachend. Das Boot sei stabil, zuverlässig und bei allen Bedingungen schnell, daher hätten sie die Latte auch hoch gelegt: «Das letzte Mal haben wir das Podest knapp verpasst, dieses Mal wollen wir eine Medaille.» Die beiden Schweizer haben hart auf dieses Ziel hingearbeitet und ihre Jacht fortlaufend optimiert. «Wir haben unter anderem den Schnitt einiger Segel geändert und neue Segel hinzugefügt», verrät der Genfer aus Versoix. «Zudem haben wir den Motor rund zwei Meter nach hinten unter das Cockpit versetzt, um die Ergonomie zu verbessern und den Schwerpunkt zu verlagern. Schliesslich haben wir den Durchmesser der Ballastschläuche verkleinert und so 20 Kilo eingespart.»
Nicht planbar waren die Wetterbedingungen. Sie bereiteten den Teilnehmenden wie so oft viel Kopfzerbrechen. «Es sieht nach viel Flaute aus», fluchte Valentin Gautier, als er das letzte Wetterbulletin vor dem Start studierte. «Paradoxerweise sind wir fast ein wenig enttäuscht, dass wir in den Doldrums nicht Revanche nehmen können. Wir haben dort das letzte Mal viel Zeit verloren. Von Vorteil ist, dass die Strecke dem Kurs der Mini-Transat sehr ähnlich ist, mit dem Unterschied, dass wir nicht dicht an der brasilianischen Küste entlang segeln können. Schade, denn unser Boot liebt Reaching. Da es sich vor dem Wind ebenfalls gut verhält, wird das schon klappen», meinte er voller Zuversicht. Seine Einschätzung sollte sich bewahrheiten. Nach einem etwas verkorksten Start machte das Rösti Sailing Team viel Boden gut. Es verlor den Anschluss auf die Führungsgruppe nie und lag in den ersten zwei Wochen vorübergehend sogar an der Spitze der Class40. Bis ins Ziel in Martinique war es bei Redaktionsschluss allerdings noch ein weiter Weg.
Frühes Aus durch Mastbruch
Justine Mettraux, die einzige Seglerin mit Schweizer Pass am Start, rechnete sich zusammen mit ihrem Co-Skipper Simon Fisher aus Grossbritannien ebenfalls berechtigte Chancen auf eine vordere Platzierung aus. Die beiden segelten auf einer der beiden IMOCA des 11th Hour Racing Teams. Sie mussten ihre Hoffnung leider frühzeitig begraben. Vor dem Kap Finisterre erlitt ihre Open 60’ einen Mastbruch, bei dem sie selbst zum Glück unverletzt blieben. An eine Weiterfahrt war nicht mehr zu denken, die Jacht musste zu ihrer Basis in Port-la-Forêt geschleppt werden. «Wir hatten Zeit, den Frust zu verdauen, es bringt nicht viel, wenn wir Trübsal blasen», sagte die Genferin ein paar Tage später. «Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir noch nicht, was genau passiert ist. Wir werden die nötigen Abklärungen treffen, um den Fehler zu finden. Jetzt soll unser Team erst einmal die wohlverdiente Ruhepause geniessen, schliesslich hat es bis zum Start hart gearbeitet.»
Nach den abgeschlossenen Untersuchungen wird die havarierte Jacht an den Franzosen Benjamin Dutreux übergehen, der die ehemalige Hugo Boss 2016 für seine Teilnahme an der Vendée Globe 2024 gekauft hat. Justine Mettraux erhält dann die zweite IMOCA des 11th Hour Racing Teams namens Mālama. Sie wurde im August 2021 zu Wasser gelassen und kämpfte beim Verfassen dieses Artikels um eine Spitzenplatzierung. «Wir werden das Training im Frühling im Hinblick auf The Ocean Race im Herbst wieder aufnehmen», sagt die Schweizerin. Trotz ihres kurzen Intermezzos an der diesjährigen Transat Jacques Vabre zieht sie eine positive Bilanz: «Simon und ich harmonieren bestens. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit konnte sich sehen lassen und wir haben uns bei wenig Wind gut geschlagen. Das gibt uns Zuversicht.»
Bei den Ultim-Trimaranen hatte sich bei Redaktionsschluss Maxi Edmond de Rothschild mit Franck Cammas und Charles Caudrelier klar vom Feld abgesetzt. Banque Populaire XI mit Armel Le Cléac’h und Kevin Escoffier sowie SVR-Lazartigue mit François Gabart und Tom Laperche folgten kurz nach der Wegmarke von Trindade abgeschlagen auf Platz 2. und 3.