Grosse Manöver und strategische Anpassungen
Nach dem Ende der Pandemie erlebte die Bootsbranche einen regelrechten Höhenflug, die Verkaufszahlen stimmten euphorisch. Sorgt die starke Inflation jetzt für eine harte Landung? Die Kapitalbewegungen und Managerwechsel bei den grössten Marktteilnehmern könnten Anzeichen für eine neue Ära sein.
Text: François Trégouët
Bénéteau hat zu seinem 140. Geburtstag historische Geschäftszahlen veröffentlicht. Der Konzern erwirtschaftete im Jahr 2023 Umsatz von 1,784 Milliarden Euro – 18,3 Prozent mehr als im Vorjahr – und erzielte ein positives Nettoergebnis von 182 Millionen Euro (+10,2%). Dieser um mehr als zehn Prozentpunkte höhere Reingewinn ist umso bemerkenswerter, als er sich in den letzten 15 Jahren zwischen 0 und 6 Prozent bewegt hat. Mit einer Nettoliquidität von 247 Millionen Euro investiert der Weltmarktführer parallel dazu in weitere Sparten wie Finanzierung,
Charter, Concierge-Service oder Boat Club sowie in das Refit von Booten über 60 Fuss am Standort Monfalcone (Italien) und in alternative Antriebe, für die er eine bedeutende Beteiligung am schwedischen Hersteller von Foiler-Elektrobooten Candela erworben hat. Doch wie sind die an mehreren Produktionsstandorten eingeführte Kurzarbeit, die sehr kurzen Lieferzeiten für einige Modelle und die erheblichen Preisnachlässe zu deuten? Stehen sie für eine bevorstehende Marktumkehr? Die Bootsbranche hat schon immer sensibel auf das makroökonomische Umfeld reagiert. Dieses ist derzeit sehr volatil und von anhaltender Inflation, steigenden Zinsen und aufflammenden Konflikten in Europa und im Nahen Osten geprägt. Bénéteau wird an der Pariser Börse mit 1,1 Milliarden Euro gehandelt, erscheint aber einigen Analysten unterbewertet und könnte deshalb Begehrlichkeiten wecken, auch wenn die Gruppe zu mehr als 54 Prozent von der Familienholding Béri21 kontrolliert wird. Branchenkenner blicken derweil gen Osten. Was, wenn Bénéteau 2021 dem Wolf im Schafspelz die Tür geöffnet hat?
Hat PPF einen Schmetterlingseffekt ausgelöst?
2021 übernahm die französische Gruppe (41%) gemeinsam mit PPF (59%) die durch Corona schwer angeschlagenen Charterunternehmen Dream Yacht und Navigare und bildete daraus die Blue Sea Holding. Der 1991 gegründete tschechische Investmentfonds PPF hat ein Vermögen von 60 Milliarden Euro und investierte davor vor allem in Telekommunikation, Medien, Finanzdienstleistungen und Immobilien. Mit der Blue Sea Holding stieg er in die Schifffahrt ein. Erster Dominoeffekt dieser Übernahme: Sunsail und The Moorings, die beiden Hauptkonkurrenten der Chartersparte von Blue Sea, beendeten ihre langjährige Partnerschaft mit dem zu Bénéteau gehörenden Jachthersteller Jeanneau und wechselten zu Dufour, das 2018 von Fountaine Pajot aufgekauft wurde. Es folgten zwei weitere Übernahmen, die ebenfalls hohe Wellen schlugen: Im März 2023 schluckte PPF den südafrikanischen Katamaran-Hersteller Robertson and Caine, dessen Vereinbarungen mit den Vercharterern Sunsail und The Moorings nach Angaben der neuen Eigentümer aber bestehen bleiben sollen. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass die neuen Besitzverhältnisse die Beziehungen zwischen den beiden Charterunternehmen und der Werft mittel- bis langfristig unberührt lassen sollen.Die jüngste Akquisition des tschechischen Fonds PPF, der bereits mehrere Marinas besitzt, verdeutlicht seine Wachstumsstrategie. Er strebt ein umfassendes Angebot in der Bootsbranche an. Gleichzeitig sorgt er für Wirbel in den Führungsetagen. Mit Privilège Marine hat PPF
nicht nur ein Aushängeschild für Luxusjachten erworben, sondern auch Gildas le Masson von Nautitech als neuen Geschäftsführer abgeworben. Als Ersatz holte Nautitech (im Besitz von Bavaria) Yves Basle ins Boot. Er kehrt nach Stationen bei Dufour, Bénéteau und Zodiac zu seinen Wurzeln zurück. Die letzten zwölf Monate waren in der Bootsbranche ohnehin turbulent, kein Stein schien auf dem anderen zu bleiben. Marsaudon Composites, das in grossen Schwierigkeiten steckte, wurde von Grand Large Yachting übernommen, Cantiere Del Pardo vom italienischen Textilspezialisten Calzedonia Group. Ocean Shipyard, der Hersteller der Discovery-Segeljachten, musste liquidiert werden, bei JFA gab es einen Aktionärswechsel und Tricat wechselte ohne grosses Aufsehen den Besitzer.
Der Reiz der Unabhängigkeit
In Greiswald an der Ostsee, wo sich der Firmensitz der Hanse Yachts AG befindet, hat man für diese Manöver nur ein müdes Lächeln übrig. Der ehemalige Aktionär von Privilège hat seine Anteile an der Werft Ende 2022 verkauft und sich Anfang 2024 von der Frankfurter Börse zurückgezogen. Dank der erfolgreichen neuen Modellreihen Hanse und Fjord schreibt der deutsche Konzern hervorragende Zahlen und konnte mit seinem Mehrheitsaktionär Aurelius 20 Prozent des Streubesitzes erwerben. Mit dem Börsenabzug erhofft sich die Hanse Yacht AG Einsparungen von mehr als einer halben Million Euro pro Jahr, da sie die zahlreichen gesetzlichen Auflagen einer Börsennotierung nicht mehr erfüllen muss. Ausserdem will sie mehr Zeit in die Entwicklung neuer Modelle stecken. Zeit liessen sich auch die Alubat-Aktionäre, bis sie den Mitarbeitenden die Zügel der auf Aluminium-Integralschwerter spezialisierten Werft übergeben haben. Fast zehn Jahre sind seit der Übernahme der strauchelnden Werft im Jahr 2014 vergangen. Im Sommer konnten Generaldirektor Luc Jurien und sechs Angestellte endlich die Geschicke von Alubat in die Hand nehmen. Erfolgreiche Präzedenzfälle wie Amel im Jahr 1979 oder Harken im Jahr 2020 zeigen, dass die Übernahme eines Unternehmens durch die Belegschaft gelingen kann. All diese Veränderungen sind bezeichnend für einen sich ständig wandelnden Markt, der zwar stark konjunkturabhängig, aber noch immer begehrt und vor allem lebendig ist!