Wie fühlen Sie sich nur wenige Wochen vor dem Start ?

© Thierry Martinez
Dominique Wavre: Ich bin sehr konzentriert. Es gibt zwar noch viel zu tun, aber ich bin ruhig, denn alles läuft nach Terminplan. Jetzt darf ich allerdings nicht nachlassen, denn die Vorbereitungen sind noch nicht abgeschlossen. Man muss bei der Sache bleiben und darf sich nicht gehenlassen. Das Geheimnis einer guten Vendée Globe ist die Vorbereitung und ich denke, dass wir alles Nötige und Mögliche getan haben. Wir haben am Boot, an mir und an der Ernährung gearbeitet. Ein Osteopath hat mir geholfen, besser mit meinen Wachphasen umzugehen. Die gesamte Ergonomie wurde optimiert. Die Situation ist unter Kontrolle.

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Bernard Stamm: Ich bin eifrig bei der Arbeit. Das Ende ist in Sicht, aber wir sind noch nicht ganz so weit. Es handelt sich um ein langwieriges Projekt und Zeit ist nie genug vorhanden. Auch wenn wir zusätzliche Zeit zur Verfügung hätten, würde sie uns am Ende doch fehlen. Wir hatten entschieden, ab Juli nicht mehr an der Geschwindigkeit des Bootes zu feilen, sondern uns um seine Solidität zu kümmern. Durch die Havarie an der Jacques Vabre habe ich rund drei Monate verloren, aber das ist nur ein Element von vielen. Es mussten viele hochkomplizierte Aspekte geregelt werden, die viel Zeit in Anspruch nahmen. Das Erfolgsrezept besteht darin, Pannen und Brüche zu vermeiden. Deshalb ist eine lückenlose Vorbereitung auch so wichtig. In den letzten Wochen habe ich mit meinem Boot zudem viele Fortschritte gemacht. Ich gehe im Verhältnis zur verfügbaren Zeit bestmöglich gerüstet an den Start, mehr wäre nicht drin gewesen.
Unterscheidet sich diese Vendée Globe von den früheren, die Sie gesegelt sind?
DW: Die Schraube wurde angezogen, dadurch haben auch alte Boote Erfolgschancen – vielleicht mehr als zuvor. Grenzen gibt es aber dennoch, wir sind weit entfernt von einer Einheitsklasse. Geld spielt noch immer eine wichtige Rolle. Einige konnten es sich deshalb auch leisten, mehr in die Technologie zu investieren. Trotzdem ist die Flotte aber ziemlich homogen. Was ich etwas bedaure, ist die Positionierung der Eistore. Ich verstehe die Überlegungen der Organisatoren und sage auch nicht, dass sie sich irren, sportlich ist die Regatta so aber weniger interessant, denn es wird weniger taktische Entscheidungen geben.
BS: Gemessen an der letzten Ausgabe, die eine Rekordbeteiligung verzeichnete, sind wir meiner Ansicht nach heute mit zwanzig Konkurrenten näher an der Normalsituation. Die Konstruktionsregeln haben sich im Übrigen nicht geändert, wodurch die Boote einheitlicher geworden sind. Auch ältere Generationen können mithalten und das ist ein Plus. Leistungsmässig wird es enger, ich denke, dass 13 oder 14 Boote die Vendée Globe gewinnen können.
Gibt es Konkurrenten, die Sie besonders im Auge behalten werden?
DW: Nein, bestimmt nicht. Das wäre ein Fehler. Die Vendée Globe ist kein Match Race.
BS: Ich würde eher sagen, dass man die Besonderheiten der einzelnen Segler je nach Regattaverlauf beachten sollte. Jean-Pierre Dick hat ein bewährtes, schnelles Boot, das aber eventuell schon etwas müde ist. François Gabart muss bestimmt die Arschbacken zusammenkneifen, denn sein Boot ist extrem sensibel. Man sollte genau diese Besonderheiten im Auge behalten.
Hat die IMOCA Ihrer Meinung nach das Nötige getan, damit möglichst viele Segler das Ziel erreichen?
DW: Das wissen wir im Ziel (grinst). Es wurde mehr als für die letzten Ausgaben getan. Es wurden Inspektionen der Masten und Kiele vorgeschrieben. Alle Parameter wurden verschärft, trotzdem gibt es Unwägbarkeiten, die zu Brüchen führen können. Die Teams haben begriffen, wie wichtig ein sicheres Boot ist. Ich glaube, dass die Wirtschaftskrise in dieser Hinsicht gut getan hat, auch wenn das paradox klingen mag. Regatteure und Sponsoren sind mehr denn je daran interessiert, dass alle das Rennen zu Ende segeln. Deshalb wird der Solidität auch mehr Bedeutung beigemessen und der Druck, es bis ins Ziel zu schaffen, steigt.
BS: Die Konstruktionsregeln sind ziemlich gut, auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin. Für mich als Gremiumsmitglied wäre Kritik aber unangebracht, da die Entscheidungen einvernehmlich getroffen werden. Ich bin der Ansicht, dass in punkto Sicherheit grosse Fortschritte erzielt wurden. An der Jacques Vabre konnte ich mein Boot nur aufgrund der strikten Vorlagen retten. Wir sind einen grossen Schritt vorangekommen.
Wo sehen Sie die Stärken und Schwächen Ihres Projekts?
DW: Alles ist relativ, denn die Projekte sind alle sehr homogen. Eine meiner Stärken ist Michèles (Anm.d.Red.: Michèle Paret, seine Lebensgefährtin) Arbeit an der Solidität des Bootes. Ich weiss, dass nichts dem Zufall überlassen wurde und mein Boot sicher ist. Natürlich zählt auch meine Erfahrung, davon habe ich einiges mehr als die Konkurrenz. Zu meinen Schwächen gehört eventuell mein Alter, ich bin vielleicht etwas verbrauchter als die anderen, aber in diesem Sport spielt das keine so grosse Rolle. Davon abgesehen bestand unsere Arbeit ja gerade darin, die Schwächen auszumerzen. Theoretisch sollte es also nicht mehr so viele geben, ausser vielleicht, dass ich ein Boot mit Jahrgang 2006 habe, das etwas schwerer ist.
BS: Was die Stärken angeht, so denke ich, beim Boot die richtige Wahl getroffen zu haben. Es ist eine echte Granate. Auch meine Erfahrung ist viel wert und ich werde das Boot sauber segeln können. Zu den Schwächen gehört ganz klar die Zeit, die ich ja schon erwähnt habe. Wir sind zeitlich doch etwas knapp, um völlig ruhig an den Start zu gehen. Es konnten nicht alle nötigen Tests durchgeführt werden. Zudem steckt mein Boot noch im Jugendalter und ist noch nicht ganz ausgereift. Vielleicht erweist sich aber gerade diese Schwäche als Stärke.
Sie sind beide Schweizer. Verbindet Sie eine besondere Beziehung oder fühlen Sie sich Ihrem Landsmann näher als anderen Konkurrenten?
DW: Ja, ich denke schon. Wir verstehen uns sehr gut. Da wir aber beide ein eigenes Projekt leiten, sehen wir uns selten. Wir kennen uns seit zehn Jahren, aber vor dem Start sind wir beide in unserer eigenen Welt. Durch unser Erlebnis im Kerguelen-Archipel sind wir uns natürlich näher gekommen. Nach dem Rennen werden wir bestimmt öfter Gelegenheit haben uns zu sehen und miteinander zu diskutieren.
BS: Das letzte Mal haben Dom und ich versucht, die Kerguelen-Inseln für die Schweiz zu annektieren, es hat aber nicht funktioniert (lacht). Nein im Ernst, ich respektiere Dominique sehr, er ist mit unglaublicher Leidenschaft bei der Sache. Wir haben aber nicht sehr häufig Gelegenheit uns zu sehen. Wir verfolgen die Aktionen des anderen aus der Ferne.

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