Gunboat 72 Series
Wenn es eine Marke für Mehrrumpfboote gibt, die Seglerherzen höher schlagen lässt, dann Gunboat. Selbst eingefleischte Einrumpf-Fans geraten ins Schwärmen. Was wohl Eric Tabarly dazu sagen würde? Für den verstorbenen Skipper waren Katamarane «keine Boote». Die französische Werft erntet für ihre neue Produktreihe auf jeden Fall viel Lob. Sie besteht aus drei Modellen, darunter dem Gunboat 72, der wiederum in drei Ausführungen erhältlich ist. Wir haben uns den prestigeträchtigen Multihull genauer angeschaut.
So jung und schon legendär
Gunboat ist jünger, als man vermuten würde. Die Werft wurde 2001 in den USA von Peter Johnstone gegründet. Er setzte sich mit seinen Vollcarbon-Bauten im attraktiven Design von Anfang an klar von den Mitbewerbern ab. Der Schuss sass, der Name passte. Die ersten Modelle trugen die Handschrift von Morelli-Melvin und wurden in Südafrika bei Harvey Yachts gebaut. Sie schlugen bereits bei ihren ersten Auftritten hohe Wellen. Das Video eines Gunboat 62, der bei einem Regattastart eine Flotte von Einrümpfern deklassiert, ging viral. In den sehr traditionellen Jachtclubs der amerikanischen Ostküste riss man sich um die avantgardistischen Katamarane in den knalligen Farben und taufte sie auf Namen, die keinen Zweifel an den Zielen der Eigner liessen. Sie suchten nach purem Segelspass, wie auf einer Jacht. Im Winter hatten die ersten Gunboats in St. Martin und St. Barth ihren grossen Auftritt. Mit Koryphäen aus dem Offshore-Zirkus und dem America’s Cup am Steuer lieferten sie eine eindrucksvolle Show ab. Obwohl es der Werft gelungen war, in kürzester Zeit mit nur knapp 30 Modellen Kultstatus zu erlangen, geriet sie nach der Produktionsverlagerung nach China und später in die USA in Schieflage.
NUR ALS DAYSAILER, IM GEGENTEIL! ©ZvG
WURDE AUF DIE FLYBRIDGE VERZICHTET. ©ZvG
Grand Large Yachting am Ruder
Im Jahr 2016 erwarb die französische Gruppe Grand Large Yachting, die bereits Eigentümerin von Allures Yachting, Outremer Catamarans und Garcia Yachting war, auch Gunboat. Die Übernahme stellte den Konzern vor eine grosse Herausforderung: Was tun mit einer Marke, die im Wassersport das ist, was Aston Martin bei den Autos? Um Antworten zu finden, analysierte das neue Team das Profil der Gunboat-Kunden und -Skipper sorgfältig und sondierte Entwicklungs- und Individualisierungsmöglichkeiten der Katamarane. Gleichzeitig wurde in La Grande Motte neben den Hallen von Outremer ein neues Werk gebaut und mit den Konstrukteuren von VPLP sowie den renommierten Designern Patrick le Quément und Christophe Chedal-Anglay ein erfahrenes Team zusammengestellt. Auch bei der Auswahl der Zulieferer und Subunternehmen wurde nichts dem Zufall überlassen. Nur die Besten waren gut genug. 30 Monate später lief das erste Modell der neuen Generation, der Gunboat 68, vom Stapel. Er etablierte sich auf Anhieb als schnellstes Fahrtenboot seiner Klasse. Der schnittige und entsprechend leistungsstarke Katamaran nahm das Grundkonzept von Gunboat auf, präsentierte sich aber gleichzeitig einen Tick aufgeräumter und technischer. Mit diesem Modell war der Marke erneut ein grosser Wurf gelungen. Heute befindet
sich bereits das achte Exemplar in Produktion. «Es ist die längste Serie, die wir je produziert haben», betont Benoît Lebizay, Managing Partner von Gunboat. Aufbauend auf diesem Erfolg wurde der exklusive Gunboat 80 lanciert: ein Geschoss auf zwei Rümpfen mit über 30 Knoten Topspeed, das der Marke viel Publicity brachte. «Wir erhielten mehrere Anfragen für den 68er,
allerdings wurde mehr Wohnraum und vor allem eine Flybridge gewünscht. Die Eigner wollten Performance kombiniert mit mehr für gemütliches Miteinander und Lifestyle.»
Gunboat 68 + Volumen = Gunboat 72
Auch die nächsten Modelle von Gunboat setzten auf mehr Platzangebot und Komfort. Der 68 XL zeichnet sich der Nachfrage entsprechend durch mittig breitere Rümpfe und einen erhöhten Steuer- und Manöverstand über dem Decksaufbau aus. Aus diesem Design ging schliesslich der Gunboat 72 Flybridge hervor. Er wurde am Cannes Yachting Festival im September 2023 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit seinem über 30 Meter hohen Carbonmast überragte er alle anderen Segeljachten im Port Canto. Seine Flybridge und die Badeplattform im Heck lösten ungläubiges Staunen aus, so untypisch waren die beiden Elemente. Gunboat war tatsächlich über seinen Schatten gesprungen, seine Grund-philosophie hat die Werft trotz der Neuerungen aber nicht über Bord geworfen. Besonders grosse Bedeutung wurde der optischen Erscheinung des Gunboat 72 beigemessen. Der Katamaran sollte trotz des zusätzlichen Volumens rassig bleiben. Die Konstrukteure, die bereits den GB 68 entworfen hatten, lösten das Problem, indem sie die herausstehende Flybridge geschickt in den Decksaufbau integrierten. Um mehr Wohnraum zu schaffen, wurde dieser grösser dimensioniert als beim 68er-Modell, der für Gunboat charakteristische Look aber beibehalten. Er ist mit seinen scharf geschnittenen Wave-Piercer-Rümpfen, den fliessenden, aerodynamischen Linien der Aufbauten aus Kohlefaser und den tropfenförmigen Fenstern kompromisslos elegant und damit klar ein Gunboat. Durch das hohe Deckshaus kann die hydraulische Badeplattform auf das Niveau des Cockpits hochgefahren werden, sodass eine grosse Fläche entsteht und der 4,20 Meter lange Tender kaschiert wird. Damit die Performance stimmt, darf das Boot nicht zu schwer sein. «Es wird bis ins kleinste Detail Gewicht gespart, das ist sogar vertraglich festgelegt», verrät Lebizay. Tatsächlich erreicht der Katamaran beachtliche Geschwindigkeiten. Schon bei den ersten Probeschlägen durchbrach der Gunboat 72 mühelos die 20-Knoten-Marke. «Dieses Modell erfüllt exakt die Erwartungen des Marktes: mehr Volumen, viel Raum für geselliges Miteinander und eine Performance, die dem Namen Gunboat gerecht wird», bringt es der Manager auf den Punkt. Er erinnert daran, dass sich die Anforderungen in den letzten 20 Jahren geändert haben. «Heute sollen unsere Boote ab 7 bis 8 Knoten Wind mit Windgeschwindigkeit segeln, sodass sie auch bei schwachen Verhältnissen möglichst schnell unterwegs sind. Gunboat ist durchaus in der Lage, reine Tempobolzer zu bauen, wir wollen aber bei jedem Modell die DNA der Marke wahren.» Daher werde die Performance den Erwartungen des Kunden und der gewählten Ausbauvariante entsprechend angepasst. «Das Ziel bleibt aber stets gleich: Der Katamaran soll über längere Strecken mühelos eine Marschgeschwindigkeit von 12 bis 15 Knoten erreichen.»
DEN KATAMARAN NICHT WIRKLICH LEICHTER
UND TRAGEN AUCH NICHT ZU EINER OPTIMALEN
GEWICHTSVERTEILUNG BEI, ENTSPRECHEN ABER EINER
STARKEN NACHFRAGE. ©zVg
GESCHEHEN: SIE BEOBACHTEN DEN SKIPPER UND
HABEN FREIE SICHT AUFS WASSER ©zVg
Der Erfolg des 72 Fly hat das Interesse an personalisierten Modellen geweckt, die zum jeweiligen Segelprogramm passen. Laut Lebizay zeichnen sich zwei Tendenzen ab. Einerseits besteht eine starke Nachfrage nach dem vorderen Cockpit, dem Signaturmerkmal von Gunboat, andererseits wollen die Kunden traditionellere Elemente wie ein Deckslayout mit Steuerständen achtern. «Je grösser und teurer das Boot ist, desto individueller die Ausstattung», fasst er zusammen. In diesem Sinne wird Auch der Gunboat 72 in drei verschiedenen Modellen angeboten, damit er den unterschiedlichen Programmen und Segelstilen gerecht wird.
Gunboat 72
Der Gunboat 72 verkörpert die unverfälschte DNA des Herstellers. Er ist schnell, optisch schlicht und lässt sich präzise steuern. Selbstverständlich verfügt er über das markentypische vordere Cockpit, das auch mit kleiner Crew ein sicheres Manövrieren garantiert. Das klassischste der drei Modelle wurde in erster Linie für ambitionierte Segler konzipiert, eignet sich aber genauso gut für ausgedehnte Blauwassertörns sowie für den sportlichen Einsatz. Es wird sogar in einer Regattaversion mit drehbarem Mast, höherem Rigg und überdimensionierten Schwertern angeboten.
Gunboat 72 Flybridge Un ou deux postes de barre sur le flybridge ?
Ein oder zwei Steuerstände auf der Fly? Das können Sie selbst entscheiden! Passend zu ihrem primären Einsatzzweck als Fahrtenboot bietet die Flybridge-Variante viel Raum und Komfort für
bequemes Reisen und jede Menge Segelspass. Auf der Fly können sich passionierte Segler ebenso ausleben wie Genussmenschen. Die Dachterrasse erweist sich als beliebter Aufenthaltsort. Dort
kann man dem Skipper zuschauen oder einfach nur mit Rundumblick aufs Wasser entspannen. Ein perfekter Treffpunkt zum Sonnen und für den Aperitif bei Sonnenuntergang.
Gunboat 72 Explorer
Dieses Modell verbindet die Formensprache von Gunboat mit optimierter Raumaufteilung für Blauwassertörns. Da hier die Flybridge fehlt, konnte der Aufbau verlängert und das Bugcockpit darin integriert werden. Das Innere ist hell und grosszügig mit einem geräumigen Navigations-und Arbeitsbereich gegenüber dem Niedergang. Die Steuerstände befinden sich achtern auf den Rümpfen. Auch dieses Modell ist in einer Regatta-Version erhältlich.
SCHLIESSEN SICH NICHT AUS. ©zVg
VORNE UND EINE SITZGRUPPE HINTEN ©zVg
Fazit
Mit dem Gunboat 72 festigt die Marke ihren Ruf als Herstellerin feudaler, schneller Katamarane. Die drei Varianten auf Basis eines einzigen Modells decken ein beispielloses Spektrum an
Einsatzmöglichkeiten ab. Egal, ob man sich für das Modell mit Flybridge, für einen grösseren Decksaufbau oder für ultimative Performance entscheidet, die Konstrukteure, Ingenieure und
Hers Teller haben bei allen drei Varianten alles richtig gemacht. Der Gunboat 72 spielt ganz klar in der ersten Liga.
Technische Daten des Gunboat 72 Flybridge
Hersteller: Gunboat
Konstrukteur: VPLP Design
Aussendesign: Christophe Chedal Anglay – Patrick le Quément
Innendesign: Isabelle Racoupeau
Länge über alles: 22,00 m
Breite: 9,40 m
Tiefgang: 1,70/3,80 m
Masthöhe: 29,00 m
Höhe Aufbau: 0,95 m
Verdrängung (leer): 27,5 t
Max. Verdrängung: 32 t
Motorisierung: 2 x 135 PS
Grosssegel: 170 m 2
Fock: 118 m2
A3: 280 m2
Kraftstofftank: 1300 l
Wassertank: 840 l
Preis: auf Anfrage und je nach Spezifikationen
Die aufgeführten Daten sind vertraglich nicht bindend und können den Kundenwünschen angepasst werden.
RÜMPFE KANN VIEL GEWICHT GESPART WERDEN.. ©zVg