
© Gilles Martin-Raget
Zwanzig Ihrer Kollegen sind zur Vendée Globe gestartet. Inwiefern unterscheidet sich diese Regatta von den Ausgaben, an denen Sie teilgenommen haben?
Es waren damals nur halb so viele Boote am Start. Ich hoffe aber, dass diesmal etwas mehr das Rennen zu Ende segeln können, denn an der letzten Ausgabe schafften es nur zehn der dreissig Teilnehmer ins Ziel. Zudem sind weniger neue Boote dabei. Es wird bestimmt spannend.
Wo steht Energy Team und wie sieht Ihr persönliches Engagement am 34. America’s Cup aus?
In der Hoffnung, dass der europäische Tourstopp im Frühling auch tatsächlich stattfindet, hat sich Energy Team verpflichtet, die 2. Saison der America’s Cup World Series auf AC45 zu bestreiten. Parallel dazu werde ich wahrscheinlich einem der Challenger unter die Arme greifen. Das Handling der AC72 hat sich als viel schwieriger erwiesen als erwartet und die Erfahrung der grauhaarigen Segler, zu denen auch ich gehöre, ist da sehr wertvoll!

© Guilain Grenier
Was bewegt Sie zu der Aussage, dass die auf AC45 ausgetragenen Events in Venedig und Neapel nicht stattfinden könnten?
Seit den Ereignissen in San Francisco im Herbst ist viel Wasser den Bach hinuntergeflossen und nicht unbedingt immer in die richtige Richtung. Am deutlichsten wurden die Probleme bei der Kenterung der AC72 Oracle, die dabei stark beschädigt wurde. Dadurch ist natürlich auch die Polemik über die unpassende Grösse der Flügel neu aufgeflammt. Für Oracle, das heisst für Larry Ellison, fallen zusätzliche Kosten an und er finanziert ja auch die ganze Organisation. Das Budget der America’s Cup World Series in Europa ist beträchtlich. Es ist verständlich, dass er sich an einem gewissen Punkt die Frage stellt, wozu das Ganze gut sein soll. Die Veranstalter haben sich zwar verpflichtet, die Series zu Ende zu führen und wir hoffen, dass das auch so sein wird, aber wir sind mehrere, die die Regattaserie der AC45 unabhängig vom America’s Cup fortsetzen möchten. Die AC45 sind faszinierend und ein Zukunftsprodukt.
Teilen Sie die Ansicht, dass die AC72 gefährlich sind?
Katamarane und Waffen haben eines gemeinsam: Es kommt darauf an, wer sie in den Händen hat. Die AC72 sind Prachtboote, bei den heftigen Nachmittagswinden in San Francisco kann man damit aber auf die Schnauze fallen. Sie sind perfekt bei Wind unter 20 Knoten, in den Cupregeln sind aber bis zu 33 Knoten zugelassen! Bei solchen Verhältnissen sind sie stark übertucht und ihr Flügelsegel ist viel zu breit. Als die Regeln der Bootsklasse aufgestellt wurden, war lediglich ein kleines Flügelsegel zugelassen. Vor einem Jahr wurde jedoch entgegen unseren Empfehlungen beschlossen, diese Einschränkung zu streichen. Wir hatten damals argumentiert, dass ein grösseres Flügelsegel viel zu viel Kraft entwickelt und die Boote zu wenig kursstabil sind. Heute bedauern die Verantwortlichen, dass sie unsere Vorbehalte in den Wind geschlagen haben. Letztes Jahr in San Diego haben wir sogar ernsthaft in Betracht gezogen, den America’s Cup auf AC45 zu segeln, unter anderem auch deshalb, weil nur wenige Teams das Geld für eine AC72 zusammenbringen. Drei grosse gemeldete Syndikate – Oracle, Artemis und Prada – erklärten sich grundsätzlich einverstanden, nicht aber die Kiwis. Zur Schadensbegrenzung in San Francisco müssen die Regatten früher gestartet werden, denn die Statistiken sind ziemlich zuverlässig: Am schwächsten ist der Wind jeweils um 11 Uhr, am stärksten um 15 Uhr. Es bestünde auch die Möglichkeit, den America’s Cup um ein oder zwei Monate zu verschieben. Im Juli-August ist in San Francisco Winter, während im September und Oktober deutlich angenehmeres Wetter herrscht. Oracle täte gut daran, diese Lösung zu wählen, vor allem seit ihrem Unfall.

© Chris Cameron
Glauben Sie, dass der Sieger des Louis Vuitton Cups gegen Oracle eine ernstzunehmende Chance hat?
Der Ausgang war noch nie so offen. Die Boote sind sehr unterschiedlich gebaut, deshalb glaube ich auch, dass alles möglich ist. Worauf es ankommt, ist ein solides Boot, mit dem man die Regatta zu Ende segeln kann. Es müssen viele Variablen berücksichtigt werden, am weitesten ist momentan aber Team New Zealand. Mit der Teilnahme der Koreaner rechne ich hingegen weniger.
Welches sind die wahrscheinlichsten Szenarien für den 35. America’s Cup?
Hier liegt das ganze Problem: Wie jedes Mal wird bei einem neuen Sieger alles in Frage gestellt. Mein Bruder Bruno hat sich bei den vier grossen Syndikaten stark gemacht, um sie zu überzeugen, einen Konsens für die Zukunft des Cups zu suchen und nicht wie gewohnt abzuwarten, dass sich der neue Defender sechs Monate oder ein Jahr lang Zeit nimmt, um dann allein über den Ablauf des nächsten Cups zu entscheiden. Reglementarisch haben wir natürlich nichts zu entscheiden, aber unser Engagement bei den AC45 und unsere Multihull-Erfahrung erleichtern den Dialog und machen ein überzeugendes Lobbying möglich. Eine Teilnahme am Cup ist nach wie vor ein Privileg. Russell Coutts gibt unumwunden zu, dass er zu hoch hinaus wollte und dadurch zu viele Interessenten von einer Teilnahme ausgeschlossen hat. Sein Hauptanliegen für den nächsten Cup ist deshalb auch eine grössere Beteiligung. Die Entwicklung hat aber auch etwas Positives. Da am Cup und am Volvo Ocean Race die gleichen Teams teilnehmen, können sich junge Segler aus verschiedenen Bootsklassen wie zum Beispiel Nathan Outteridge einen Platz an der Sonne verschaffen. Sicher ist, dass niemand zu den Einrümpfern zurück will. Nach der letzten Regatta der AC45 Artemis in San Francisco verriet mir Paul Cayard, dass er gerade einen seiner schönsten Segelmomente der letzten 20 Jahre erlebt habe.

© Chris Cameron
Wie kann die Zahl der Challenger erhöht werden?
Ganz einfach durch ein kleineres Budget. Dazu braucht es einerseits Boote, die irgendwo in der Mitte zwischen den 45- und den 72-Füssern liegen, andererseits müssen One-Design-Regeln eingeführt werden. Man könnte zum Beispiel das gleiche Flügelsegel für alle Boote vorschreiben und den Teams nur in Bezug auf die Schwimmer Freiraum lassen. Trotzdem darf der Cup aber nicht allzu strengen One-Design-Regeln unterworfen werden, denn die technische Forschung ist Teil seiner DNA.
Was halten Sie als erfahrener D35- und Extreme40-Segler von den MOD70?
Das Konzept der Multi One Design ist sehr interessant. Eine Regattatour, die Merkmale eines Offshore-Circuits und eines Grand Prix vereint, fehlte bisher. Die Bemühungen, ausländische Teams zu interessieren, sind lobenswert, nur schade, hatten sie so wenig Erfolg. Die Tour ist aber sehr gut gemacht.