Skippers

🏛 » Rückblick auf die Entwicklung der starren Segel

Rückblick auf die Entwicklung der starren Segel

von Quentin Mayerat

Zurück am Strand: Das Flügelsegel der Lady Helmsman wird abmontiert (1968). © Guy Delafontaine

Seine Geburtsstunde erlebte der kleine America’s Cup im Jahr 1960. Damals empfing die Eastern Multihull Sailing Association in den USA einen Challenger des auf Canvey Island bei London ansässigen Chapman Sands Sailing Club zu einer Serie von sieben Regatten, die den neuen Wettkampf „International Catamaran Challenge Trophy“, allgemein bekannt als kleiner America’s Cup, bildeten.

Mit der Organisation der auf den Sommer 1961 angesetzten Regatten der brandneuen C-Class-Katamarane wurde der Seacliff Yacht Club von Long Island USA beauftragt. Als Defender (aus den USA) trat Wildcat mit John Beery und John Hickok an, Challenger war Hellcat II mit John Fisk und dem renommierten schottischen Architekten Rod Macalpine-Downie. Beide Boote verwendeten traditionelle Stoffsegel. Mit einem deutlichen 4:1-Sieg holte John Fisk den Pokal nach Europa. Hellcat II war in Brightlingsea (GB) in der Schiffswerft von Reg White gebaut worden, der 1976 an den olympischen Spielen Gold gewann.

Es stellte sich schnell heraus, dass die C-Katamarane etwas für Millionäre waren. Das Design, der Bau, das Tuning, die Wartung und die vielen Anpassungen und Änderungen trieben mehr als einen Eigner in den Ruin. Sportlich behielten die Engländer die Nase vorn. Sie verteidigten den Cup in ihrem Regattarevier sieben Jahre lang erfolgreich.

Auf dem Weg zu einer Cupregatta: Lady Helmsman in Thorpe Bay, 1968. © Guy Delafontaine

Ab 1964…

1964 nahm George Patterson, der in den USA das erste funktionstüchtige starre Segel entwickelt hatte, mit seiner Sprinter an mehreren Regatten teil und sorgte dabei für Furore. Sein Flügelsegel war DIE Sensation. Die Bootdesigner Charles und Lindsay Cunningham aus Australien, Paul Elvström und Gert Fredericksen aus Dänemark, Rodney March aus England und Rod Macalpine-Downie aus Schottland nahmen sich daran ein Vorbild.

Im Winter 64-65 baute der Konstrukteur Rodney March zusammen mit Peter Shaw den mit dem ersten starren Flügelsegel Europas ausgestatteten C-Class Katamaran Thunder II. Er gewann 1965 die erste C-Class-Meisterschaft. Im darauffolgenden Sommer machten sich vier C-Katamarane den Platz des englischen Defenders für den kleinen America’s Cup streitig. Angesichts des starken Flügelsegels der Thunder II hatten Reg White und John Osborn grösste Mühe, sich das Ticket auf Emma Hamilton zu sichern.

Als Challenger trat im Oktober 1965 Quest II der Australierin Lindsay Cunningham an. Ihr starres Segel hatte bei den Selektionsregatten in Australien für viel Aufsehen gesorgt. Skipper Reg White auf seinem mit traditionellen Segeln betuchten Boot konnte sich nur mit grossen Schwierigkeiten und mit einer bemerkenswerten Match-Race-Taktik knapp 4:3 gegen die Australier durchsetzen. Danach war aber klar: Es führte nichts mehr um das starre Segel herum.

Austin Clarence Farrar und Major-General Parham absolvierten 1965 das ganze Jahr Tests im Windkanal, sammelten zuverlässige technische Daten und konnten dem britischen Team, das bei Rod Macalpine-Downie für die Saison 1966 ein Boot mit revolutionärem Design bestellt hatte, äusserst nützliche Vergleichsdaten vorlegen. Das starre Flügelsegel machte 40 Prozent der gesamten Segelfläche aus. Im Cup 1966 setzte sich die von Reg White und John Osborn gesteuerte Lady Helmsman gegen den amerikanischen Challenger Gamecock durch. Obwohl der Katamaran der USA mit seinem 13,10 m hohen Flügel grossen Eindruck machte und Lady Helmsman mit ihrem 10-Meter-Flügel klein aussehen liess.

Lady Helmsman hatte drei Jahre Vorsprung auf ihre Konkurrenten und ich hatte das Glück, 1967 und 1968 Teil des Shoreteams zu sein. Das Flügelsegel musste vor und nach jeder Regatta zu viert getragen werden – nicht wegen des Gewichts, denn es wog nur 70 kg, sondern vielmehr, weil die Haut über dem Polystyrolschaum äusserst heikel war. Lady Helmsman ist der einzige Katamaran, der den kleinen America’s Cup drei Mal gewinnen konnte. Heute kann die Big Lady im Landesmuseum für Schifffahrt im britischen Falmouth bewundert werden.

 

Königsdisziplin Strömungslehre

In den Jahren 1967-69 spitzte sich die Lage zu. Auf drei Kontinenten lieferte man sich eine Rüstungsschlacht. Der Pole Czeslaw A. Marchaj, Autor des Buchs „Aero-hydrodynamics of sailing“ nahm eine mathematische Analyse der Segel vor und untermauerte seine Ergebnisse mit unzähligen Tests im Wind- und Schleppkanal. Unsere an der Universität Essex angestellten Berechnungen und Computersimulationen auf einem PDP-9 und einem Fortran IV Computer hatten Mühe, mitzuhalten. Die Amerikaner besprachen die Strömungsprobleme der starren Segel und des Gegenstücks im Wasser (Schwert und Ruderblatt) mit der NASA, denn der Flügel macht nur 50 Prozent der Dynamik aus; der andere Teil befindet sich im Wasser und wird oft vergessen. Die Strömungslehre war zur Königsdisziplin geworden.

Anfang 1969 zog sich der britische Mäzen Robert Sanderson und Eigner der Lady Helmsman aus dem Wettkampf zurück und nahm auch das Boot mit. Es blieb uns die sonst für die Hasenstarts verwendete Ocelot mit Baujahr 1965. Wir verloren gegen den Challenger Opus III mit dem vierfachen Olympiasieger Paul Elvström mit 3:4. Diese Niederlage besiegelte das Ende der englischen Dominanz im kleinen America’s Cup, der danach nach Dänemark, Australien und in die USA ging.

In der Werft Sailcraft fokussierte man sich derweil auf die B-Class Katamarane. Dort hatte Rodney March 1966 mit dem Tornado ein neues Boot entworfen. 1967 erlebte ich den Bau von zwei identischen Einheiten, nur, dass der erste Tornado mit einer traditionellen Segelgarderobe, der zweite aber mit einem starren Segel ausgestattet war. In der von der IYRU/ISAF 1967 veranstalteten B-Class-Selektion gewann der klassische Tornado im 15 Boote starken Feld fünf Läufe. der Tornado mit starrem Segel konnte wegen technischen Problemen nur zwei Läufe segeln, die er aber beide gewann. Daraufhin entschloss sich die ISAF für das Design mit den traditionellen Segeln.

Dans la meme categorie