Der Verein Sailowtech wurde von Studierenden der EPFL gegründet. Ihr Ziel: Wissenschaft und Lowtech-Methoden für Umweltzwecke miteinander verbinden. Für die Feldforschung befahren sieben Crewmitglieder ein Jahr lang den Nordatlantik.
Text: Pauline Katz
Eigentlich wird auf dem Campus der Eidgenössischen Technischen Hochschule von Lausanne (EPFL) fast ausschliesslich an Spitzentechnologie getüftelt. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – stiess das auf Lowtech basierende Meeresschutzprojekt auf grosses Interesse. Ein paar Freunde gründeten innerhalb weniger Monate den Verein Sailowtech und bereiteten mit den verfügbaren Mitteln ihre erste Expedition vor, die sie Atlantea tauften.
Lowtech für Dummies
Für ihr ehrgeiziges Vorhaben stellte ihnen die Ocean Trotter Association grosszügigerweise das Segelschiff Carlina zur Verfügung. Auf dem schwimmenden Labor befindet sich ein Haufen kurioser Objekte. Andrea Montant, Kommunikationschefin und zweite Offizierin der Expedition, erklärt, was es damit auf sich hat: «Es gibt verschiedene Definitionen von Lowtech, unsere besteht darin, uns aufs Nötigste zu beschränken. Die Prototypen, die wir zum Testen an Bord genommen haben, müssen nachgebaut, repariert und von allen ohne Vorkenntnisse benutzt werden können. Einige dienen wissenschaftlichen Untersuchungen, andere benötigen wir für das Leben an Bord.»
Sparsame Wissenschaft
Wissenschaftliche Expeditionen finden in der Regel auf grossen, mit modernster Technologie ausgestatteten Schiffen statt. Begründet wird die energieintensive Hightech-Ausrüstung damit, dass sie die Qualität der Forschung an Bord sicherstellt. Sailowtech geht einen anderen Weg. Der Verein will ein Exempel statuieren und auf der 13-Meter-Segeljacht zeigen, dass Wissenschaft nicht zwingend Riesensummen verschlingen muss und trotzdem ebenso zuverlässig ist. In diesem Sinne hat er in Zusammenarbeit mit der EPFL und externen Labors sämtliche Protokolle und wissenschaftlichen Instrumente für die Expedition überdacht. «Wir wollen zeigen, dass Wissenschaft auch auf eine andere Art möglich ist. Das Boot dient uns dazu als ideale Plattform», bekräftigt Andrea Montant. «Wir sind zwar noch keine Profis, verfügen aber durch unser Studium über das nötige wissenschaftliche Grundwissen. Längerfristig hoffen wir, dass einige der von uns getesteten Technologien in partizipativen Wissenschaftsprojekten eingesetzt werden.»
Auf Plankton-Mission
Sailowtech konzertiert sich auf der Atlantea-Expedition auf die Untersuchung von Plankton, da es für das Leben auf unserem Planeten unverzichtbar ist und viel über die Gesundheit der Ozeane aussagt. Andrea Montant erklärt: «Planktonische Organismen stehen am Anfang der Nahrungskette im Meer. Sie produzieren die Hälfte des von uns eingeatmeten Sauerstoffs und speichern viel CO2. Mit unserem Lowtech-Ansatz möchten wir die Untersuchung von Plankton barrierefreier und die Ergebnisse bekannter machen.»
Auf der Carlina kommen die jungen Seglerinnen und Segler selten zur Ruhe. Unterwegs werden Netze ausgebracht, um Plankton zu sammeln. Dieses wird dann mithilfe eines von Plankton Planet entwickelten Mikroskops, dem Curiosity, identifiziert, bevor es für genetische Analysen an Land sorgfältig auf Filtern aufbewahrt wird. Wenn das Boot vor Anker liegt, kommt die Unterwasserkamera Kosmos zum Einsatz. Sie wurde mithilfe von frei zugänglichen Bauplänen gebaut und dient dazu, die Artenvielfalt an der Küste zu filmen. Später soll sie mit einer Software ausgestattet werden, die automatisch die gefilmten Arten erkennt. Auf dem Programm der einjährigen Expedition stehen noch viele weitere Untersuchungen wie zum Beispiel die Messung der Lichtintensität zum besseren Verständnis der Photosynthese von Phytoplankton oder die Analyse von gelösten Gasen in Partnerschaft mit der Universität Genf. Darüber hinaus nutzt die Expedition die Zwischenstopps, um mit der Lokalbevölkerung und mit örtlichen Organisationen das Thema zu diskutieren. Für sie ist Lowtech oftmals Realität, da es bei ihnen schlicht kein Hightech gibt.
Wie es weitergeht
Die Atlantea-Expedition hat noch viele Monate vor sich. Nach der Karibik wird die Carlina bis nach Grönland fahren und dann nach Island und zu den Färöern weiterziehen. Im Herbst 2024 soll sie wieder in Brest einlaufen. Parallel dazu startet im Februar 2024 die Alpine Lake Mission in der Schweiz. Ein Dutzend Studierende wird zehn Tage auf dem Genfersee kreuzen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf Plankton und Seesedimente zu untersuchen. Für diese Expedition werden in der EPFL mehrere Lowtech-Instrumente hergestellt, darunter eine Secchi-Scheibe und eine Windkraftanlage. Sailowtech möchte mit ihrer schwimmenden Plattform angehende Forscherinnen und Forscher dazu bringen, sich für eine sparsame Wissenschaft einzusetzen.