Um sich bestmöglich auf die Olympischen Spiele vorzubereiten,
hat das Swiss Sailing Team im Spätsommer am offiziellen Testevent sowie an den Worldcup-Regatten auf dem Olympiarevier von Enoshima teilgenommen. Als besonders schwierig erwies sich die Anpassung an das Klima. Die Ergebnisse der Schweizer Delegation fielen durchwachsen aus.

Text: Oliver Dufour

Schatten ist im Enoshima Yacht Harbor ein kostbares Gut. Der japa- nische Club hat in den vergangenen Wochen hektische Zeiten erlebt. Mit Ready Steady Tokyo und dem Worldcup standen gleich zwei Hauptproben im Hinblick auf die grosse Olympiashow im Sommer 2020 an. Mehr als 360 Athletinnen und Athleten suchten verzweifelt ein schattiges Plätzchen, um sich etwas abzukühlen und sich nicht mehr wie Zombies fortzubewegen. Die Schweizer Olympiaanwärter wurden wie ihre Konkurrenten ein Jahr vor Tokio nicht ins kalte, sondern buchstäblich ins heisse Wasser gewor- fen. Bei 27 bis 35 Grad Lufttemperatur und einer Luftfeuchtigkeit von mehr als 80 Prozent kamen sie zweitweise an ihre körperlichen Gren- zen. Nicht einmal das Wasser in der Sagami-Bucht brachte die erhoffte Erfrischung – kein Wunder bei 28 Grad!

Lucien Cujean fand sich mit der Hitze ab: «Zum Glück fanden die Regat- ten auf dem 49er nicht bei allzu extremen Bedingungen statt. Klar ist es heiss, aber man gewöhnt sich daran. Wir fühlen uns trotz der Hitze immer wohler hier», meinte er schmunzelnd. Mit seinem Ergebnis war der Genfer hingegen nicht ganz zufrieden: «Wir sind etwas enttäuscht, denn wir haben das Medal Race mit unserem 11. Platz um einen win- zigen Punkt verpasst.» Steuermann Sébastien Schneiter war ebenfalls etwas frustriert, lässt den Kopf dennoch nicht hängen: «Mit einem Top- 8-Resultat hätten wir unser Ticket für Tokio in der Tasche gehabt. Aber wir haben ja noch weitere Qualifikationschancen und geben die Hoff- nung nicht auf.» Teamchef Tom Reulein konnte dem Abschneiden des 49er-Teams sogar etwas Positives abgewinnen: «Die Top 10 so knapp zu verpassen kann motivierend sein, das nächste Mal sollte es klappen. Die Jungs müssen etwas cleverer segeln und kleine Fehler vermeiden, denn die kommen sie in einer so engen Flotte teuer zu stehen.» Sie seien auf gutem Weg, urteilte Reulein.

«Nach drei Läufen war ich total ausgepumpt»
Die schwüle Hitze machte wohl den meisten Anwesenden schwer zu schaffen. Das Ther- mometer zeigte schon am frühen Morgen 28 Grad. Sogar in der Nacht kühle die Luft nicht merklich ab. Auch auf dem Boot sei nicht viel zu wollen, so Cujean. «Dort bringen weder die Luft noch das Wasser Linderung. Einzig die Wolken kommen uns manchmal zu Hilfe. Wir versuchen uns so gut wie möglich selbst zu helfen, nehmen eiskalte Bäder und ziehen Kühlwesten an, bevor wir aufs Wasser gehen, stecken Tücher in den Tiefkühler und bringen uns zwischen den Läufen unter Sonnenschir- men in Sicherheit. Wir lassen nichts ungenutzt, um die Körpertemperatur zu senken. Oft bleiben wir einfach im Haus.» Ständig die Klimaanlage einzuschalten sei aber auch keine Lösung, betonte Sébastien Schneiter. «Man sollte sich besser nicht allzu sehr darauf verlassen, denn das hilft auf Dauer nicht. Am besten gewöhnt man sich in kleinen Dosen an die Hitze, indem man jeden Tag etwas länger draussen bleibt.» Das 49er-Team kam relativ gut mit den schwierigen Bedingungen zurecht, andere hatten deutlich mehr Mühe. «Jetzt, da wir bereits ab 8 Knoten pumpen dürfen, kann das sehr schnell an die Substanz gehen», sagte Grégoire Siegwart, der als Vorschoter auf dem 470er segelt. Er erinnert sich vor allem an einen Tag: «Wir hatten drei Leichtwindläufe, nach denen mir richtig schlecht war, ich war total ausgelaugt.» Das könne die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, so der Waadtländer, denn man könne nicht mehr klar denken. «Man braucht viel länger, um eine Entscheidung zu treffen und oft ist es dann auch noch die falsche.» Sein Cousin Sébastien Schneiter kann das bestätigen: «Das Schlimmste daran ist, dass man es im Moment gar nicht merkt. Man realisiert erst danach, dass man völlig da- nebengelegen hat.»

Grégoire Siegwart und sein Vorschoter Kilian Wagen können mit ihrem 13. Platz in Enoshima zufrieden sein. Ihre Bilanz: «Wir hatten keinen schlechten, aber auch keinen wirklich brillanten Lauf.» Teamchef Tom Reulein beurteilt ihre Leistung als höchst vielversprechend: «Vor eineinhalb Jahren gingen die beiden noch zur Schule. Sie treten gegen viel erfahrenere Mannschaften an. Das türkische Team zum Beispiel bestreitet bereits

seine dritten Olympischen Spiele! Grégoire und Kilian sind noch nicht Weltklasse, aber nah dran. Sie sind die Erfolgsgeschichte dieses Test- events», freute sich der Bayer.
Auch für Linda Fahrni/Maja Siegenthaler lief es gut. Das 470er-Damen- team qualifizierte sich mit einem 10. Platz fürs Medal Race. «Wir hatten eigentlich auf ein Top-8-Resultat gehofft, um die Kriterien von Swiss Olympic zu erfüllen. Die beiden haben dennoch sehr gute Leistungen gezeigt», lobte Tom Reulein.

Sanz Lanz erfüllt als einziger Swiss-Olympic-Kriterien

Der Windsurfer Mateo Sanz Lanz erreichte mit einem hervorragenden 6. Finalplatz seine persönliche Bestätigungsleistung im Selektionsprozess von Swiss Olympic. Der schmächtige Leichtwindspezialist aus Formentera hatte in den vergangenen Monaten hart gearbeitet, um auch bei mehr Wind ganz vorne mitmischen zu können. Jetzt muss er an der RS:X-WM nur noch die Nationenquote für die Schweiz schaffen. Schneiter/Cujean und Maud Jayet haben dieses Ziel bereits erreicht, ihnen fehlt noch die Bestätigung von Swiss Olympic. Nach dem Tes- tevent auf dem Olympiarevier meinte Tom Reu- lein vorausschauend: «Wir haben so ziemlich alles erlebt, von Genfersee-ähnlichen Bedin- gungen bis zu 20 Knoten Wind mit vier Meter hohen Wellen. Wir können also nicht von einem festen Wettermodell ausgehen. Als Schweizer sind wir eher Schwachwind gewöhnt, weshalb wir bei solchen Bedingungen in Tokio bestimmt bessere Chancen hätten».

Die drei Schweizer Soloseglerinnen und -segler- schnitten in Enoshima sehr unterschliedlich ab. Eliot Merceron auf Laser Standard lag am vorletzten Tag noch in den Top 10, fiel dann aber auf den 15. Schlussrang zurück. Maud Jayet auf Laser Radial litt so stark unter der Hitze, dass sie krank wurde, trotzdem reichte es für den 17. Platz. «Sonst hätte sie garantiert ganz vorne mithalten können», urteilt ihr Coach. «Maud hat eine chaotische Saison mit mehreren Trai- nerwechseln hinter sich und segelt trotzdem hervorragend.»

Nils Theuninck (Finn) kam mit den hohen Tem- peraturen ebenfalls nur sehr schlecht zurecht und wurde 16. Laut Reulein hatte er Mühe, sich zu konzentrieren. «Er sollte sich jedoch im April in Genua problemlos für Olympia qualifizieren.» Die Mitglieder des Swiss Sailing Teams sind auf Kurs, haben aber noch viel Arbeit vor sich.