Die Chesapeake Bay im Nordosten der USA ist eine authentische, vielfältige und kontrastreiche Region, die sich sogar mit einer 68-Fuss- Jacht wie der Prestige 680S ohne Einschränkungen erkunden lässt.

Text und Fotos) Dominique Salandre

Die Chesapeake Bay liegt an der Westküste der USA, dreieinhalb Stunden südlich von New York und einen Steinwurf von Washington ent- fernt. Über 150 Flüsse und Bäche fliessen in die gigantische Mündung. Mit einem Einzugsgebiet von knapp 166 000 Quadratkilometern ist sie eine der grössten Brackwasserflächen der Erde. Die Bucht erstreckt sich über 300 Kilometer und misst an ihrer breitesten Stelle 50 Kilometer. Mit solchen Massen könnte sie fast als kleines Meer durchgehen. Die Chesapeake Bay hat Ähn- lichkeiten mit dem Golf du Morbihan in Frank- reich, ist allerdings um ein Vielfaches grösser. Sie umfasst unzählige Buchten, Flussmündun- gen und Ankerplätze von berauschender Stille und Schönheit. Da ihr Grund grösstenteils aus Schlick besteht, sollte auch die relativ geringe Wassertiefe von durchschnittlich 14 Metern kein Problem sein. Kleine Fahrfehler bleiben in der Regel ohne Folgen.

DAS UNVERKENNBARE THOMAS POINT SHOAL LIGHTHOUSE IST ZUM WAHRZEICHEN DER BUCHT GEWORDEN. DER LEUCHTTURM SIGNALISIERT EINE FELSBANK, WO DIE EINHEIMISCHEN GERNE FISCHEN.

Wir haben unseren Törn in Baltimore, dem wirtschaftlichen Hauptort des US-Bundesstaats Maryland, gestartet. Im Zentrum dieser modernen, typisch amerikanischen Stadt ragen imposante Glasgebäude in die Höhe, daneben gibt es aber auch einige ursprünglichere Quartie- re wie Fells Point im alten Hafenteil. Hier fanden einst Korsaren Unter- schlupf, die von der jungen amerikanischen Regierung bezahlt wurden, um die Engländer das Fürchten zu lehren. Die Stadt trägt noch immer Spuren dieser stolzen Vergangenheit und des damaligen Rebellentums. Von Baltimore fahren wir 40 Seemeilen in südöstlicher Richtung nach St. Michaels, dem Juwel der Bucht. Die gute Betonnung und der gröss- tenteils gesunde Grund machen die Navigation relativ einfach. Vorsicht ist jedoch vor Frachtern geboten. Ausserdem muss man darauf achten, in den vorgegebenen Fahrrinnen zu bleiben.

St. Michaels, wie aus der Zeit gefallen

Unterwegs fahren wir unter der berühmten Chesapeake Bay Bridge hin- durch. Das 1952 eröffnete Bauwerk überspannt die Bucht auf einer Länge von sieben Kilometern und hat eine Durchfahrtshöhe von 56,7Metern – für unseren Prestige 680S natürlich mehr als genug. Hinter der Brücke steuern wir auf direktem Weg unsere erste Marke, das «Thomas Point Shoal Lighthouse», an. Der Leuchtturm wurde 1825 wie in der Re- gion üblich als Pfahlbau mit Wohnung im oberen Teil und einer Laterne an der Spitze errichtet und ist seither das Wahrzeichen der Bucht.

Wir lassen ihn an Steuerbord liegen und ziehen weiter nach Osten zur Eastern Bay und zum Miles River. Direkt hinter der Mündung verengt sich der Fluss zu einer idyllischen Landschaft. Herrschaftliche Bauten im typischen East-Coast-Stil mit Privatstegen auf Pfählen säumen die Ufer. Dieser Teil der Bucht wird vor allem von reichen Familien bewohnt, die sich hier ihren Traum von einer Prachtvilla erfüllt haben.

Ein paar Seemeilen weiter bietet sich ein vollkommen anderes Bild. Das Pompöse ist verschwunden, die Marina von St. Michaels öffnet sich wie eine Schatztruhe. Vorsichtig bahnt sich unsere Prestige einen Weg zwi- schen dem Schifffahrtsmuseum und den Docks, um schliesslich am Ende der Mole einzuparken. Von dort geniessen wir einen herrlichen Blick auf die Bucht und die Umgebung. St. Michaels wurde 1677 gegründet und ist noch immer stark britisch geprägt. Vom Hafen bis in die schmalen Gäss- chen schwebt ein Hauch altes England über der Stadt. Die Marina ist klein, aber fein und in vieler Hinsicht äusserst reizvoll. Ihr Schwimmbad und die freundliche Atmosphäre sind nur zwei von vielen Vorteilen. Im warmen Licht der untergehenden Sonne spiegelt das ruhige Wasser die umliegen- de Natur, die sich zuweilen über die Umrisse der historischen Segeljacht Skipjack legt. Früher diente sie der Austern- und Krabbenfischerei, heute werden damit gediegene Törns veranstaltet. Auf keinen Fall entgehen las- sen sollte man sich die örtliche Spezialität: warme Krabben.

IDYLLISCHE LANDSCHAFT AM SEVERN RIVER VOR ANNAPOLIS. GROSSE WASSERFLÄCHEN TREFFEN AUF SCHMALE MEERESARME, AN DEREN UFER TRADITIONELLE HÄUSER STEHEN

Annapolis, Geschichtsstunde unter freiem Himmel

Am nächsten Tag nehmen wir Kurs auf Annapolis am anderen Ufer der Bucht. Die Hauptstadt von Maryland war zwischen 1783 und 1784 fast ein Jahr lang Hauptstadt der USA. Der Hafen liegt in einer gut geschütz- ten Bucht praktisch im Herzen der Stadt, dennoch erweist sich die Zu- fahrt als erstaunlich einfach. Wie in St. Michaels ist das britische Erbe in Annapolis nicht zu übersehen. Es gibt keine Wolkenkratzer, dafür viele kleine, typisch englische Häuser in allen Farben, Ladenschilder aus Holz und ein State House – der Regierungssitz – auf einem Hügel in unmittelbarer Nähe des Hafens. George Washington unterzeichnete hier 1784 seinen Rücktritt vom Posten des Oberbefehlshabers der US-Konti- nentalarmee, nachdem das englische König- reich im Vertrag von Paris die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten anerkannt hatte.

Wir beschliessen unseren Törn mit einem Ab- stecher auf den Severn River, der uns an der berühmten «Naval Academy» von Annapolis vorbeiführt. Der malerische Fluss, dient den lokalen Kaderleuten als Naherholungsgebiet. In den kleinen Seitenarmen sind ein paar Boots- stege und die Marina eines Jachtclubs aus- zumachen. Holzhäuser, gepflegte Gärten und lange Stege mit dazugehörigem Boot zeigen die Bucht von ihrer romantischen und erhol- samen Seite.

Für uns ist die Zeit gekommen, die Heimreise ins 30 Seemeilen entfernte Baltimore unter den Bug zu nehmen. Wir haben auf unserer kurzen Spritztour zwar nur einen kleinen Ein- blick in die Chesapeake Bay erhalten, dass die Region etwas ganz Besonderes ausstrahlt, ist uns aber nicht entgangen. Die Menschen hier sind weder Seefahrer, noch Landratten, son- dern irgendetwas zwischendrin. Chesapeake Bay People eben, mit all ihren Eigenheiten, die sie genauso pflegen wie die unberührte Natur. Ihre Einstellung ist in eine Lebensart überge- gangen, die perfekt zu unserem Boot passt.

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UNSERE GEHEIMTIPPS

In Baltimore

Thames Street Oyster House

Das Restaurant im Fells-Point-Viertel ist für seine Meeresfrüchte bekannt.

In Annapolis

Cantler’s

Beliebtes Meeresfrüchterestaurant mit Krabbenspezialitäten

In St. Michaels

The Crab Claw

Direkt am Hafen, beste Adresse für warme Krabben, die Spezialität der Bucht

DIE VON VIEL GRÜN UMGEBENEN HÄUSER DES KLEINEN DORFS ST. MICHAELS SCHEINEN IN DER VERGANGENHEIT STEHEN GEBLIEBEN ZU SEIN.