Das alte Flaggschiff der Segelschule Thunersee feiert dieses Jahr seinen 100. Geburtstag. Seit über 70 Jahren dient die klassische 8mR-Jacht als Ausbildungsschiff. Um die enormen Unterhaltskosten im Rahmen zu halten und einen zweckmässigen Einsatz zu gewährleisten, musste auf die authentische Erhaltung des Oldtimers verzichtet werden, trotzdem hat die Cupido ihren Charme bis heute bewahrt.
Sie ist nicht nur alt,
sondern auch berühmt. Die Cupido diente jahrelang als Sujet für Werbeprospekte des Thunersees und brachte im Vorspann zu den Werbepausen des Schweizer Fernsehens als Blickfang einen Hauch nostalgisches Segelleben in die Stuben der TV-Konsumenten. Darüber hätte sich der französische Baron de Rothschild sicher gefreut. Er hatte 1918 einer Werft in Bordeaux den Auftrag gegeben, für ihn diese Holzjacht der Achtmeterklasse zu bauen. Boote der Meterklassen mit ihren langen Überhängen an Bug und Heck lagen damals im Trend. „Mach sie schlank und lang und packe möglichst viele Segler darauf“, hiess damals die Devise beim Bau einer schnellen Segeljacht. Die Achter waren bis in die frühen 1930er-Jahre olympische Bootsklasse und die Cupido soll an den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam für das Team von Argentinien im Einsatz gestanden haben. Viel mehr ist über die Jugendzeit der Cupido nicht bekannt. Sie muss zu Beginn des Zweiten Weltkriegs an den Zürichsee gekommen sein. Als die Thunersee Segelschule die Holzjacht 1940 kaufte, wurde sie mit dem Zug von Zürich nach Thun überführt. Der heute über 90-jährige Hans Bühlmann war damals bei der ersten Fahrt des Bootes auf dem Thunersee dabei und erinnert sich noch genau: „Es gab eine Regatta zu diesem Anlass und es hatte ganz ordentlich Wind. Die Cupido war noch im Originalzustand, bei heftigem Wind wohl aber nie mehr gesegelt worden, denn es zeigten sich sofort Mängel. Die Crew musste dauernd Beschläge wieder anschrauben.“ Bühlmann war damals Bootsjunge bei der Segelschule Thunersee. Wenn die anderen Schulkinder in den Kriegsjahren während der Schulzeit in der Landwirtschaft die Arbeit der im Aktivdienst dienenden Väter verrichteten, durften er und ein paar andere Jungs in der Segelschule helfen. Angesehen waren sie deshalb aber nicht, denn der Segelsport hatte in der Dorfbevölkerung keine Freunde. Es waren die reichen Patrizier aus Bern und Basel, die hier ihr luxuriöses Hobby betrieben und feuchtfröhliche Feste feierten, das passte den Einheimischen gar nicht. „Schnoderihöngg“ habe die Dorfbevölkerung die Bootsbuben genannt, erinnert sich Bühlmann.
Aufwendiger Unterhalt
Sicher war da auch etwas Neid dabei, denn hin und wieder, wenn die Buben die Segler mit den Dinghis zu den Jachten im Bojenfeld hinausruderten, sprang etwas Taschengeld heraus. Für die Segelschule wurden Boote geschrubbt. Die Cupido machte besonders viel Arbeit. Ihre Segel waren uralt und rissen bei Starkwind dauernd. Die Bootsjungen mussten die Laken während der Mittagspause abschlagen und zum Dorfsattler bringen. Und der musste sein Mittagessen stehen lassen und ein Stück Tuch draufnähen, damit es am Nachmittag weitergehen konnte. Der Betrieb der Cupido war schon damals sehr aufwendig, entsprechend hoch waren die Preise der Segelschule. Sechs Franken pro Person kostete es damals, einen Tag auf dem schnellen Achter zu verbringen. Trotzdem wurde die alte Holzjacht für die Segelschule immer mehr zur Hypothek. Das Boot im Originalzustand zu erhalten und einigermassen kostendeckend als Schulschiff zu betreiben, wurde unmöglich. Nach einem Mastbruch 1985 zeichnete der damalige Schulleiter Hanspeter Iseli ein neues Rigg. Die Jacht bekam einen Alumast und eine kleine Renovation. 33 Jahre führte Iseli die Segelschule und und obwohl ihm der Betrieb der Cupido viele Sorgen bereitete, hatte er nie daran gedacht, das Schiff zu verschrotten: „Es braucht schon etwas Herzblut, aber das Boot gehört einfach zu unserer Schule.“
Zweckmässigkeit vor Authentizität
Im Jahr 2000 stand eine grosse Renovation an. Die Cupido sollte endlich einen Motor bekommen. Bootbauer René Schenk konnte im Rahmen eines Arbeitslosenprojekts mit einigen Männern die Arbeiten durchführen und der Segelschule damit die Arbeitskosten ersparen. Das Material schlug schon genug zu Buche. Zwei Jahre blieb das Boot an Land. Das faule Holz wurde ersetzt, es gab ein neues Stabdeck und das Cockpit wurde verbreitert. „Es ging nicht darum, das Boot originalgetreu zu restaurieren, wir mussten schmerzhafte Kompromisse eingehen. Die Cupido musste auch zweckdienlich als Schulschiff eingesetzt werden können“, meint Schenk rückblickend. Letztes Jahr hat Simon Brugger die Führung der Segelschule Thunersee übernommen. „Die Cupido dient uns heute nur noch bedingt als Ausbildungsschiff“, sagt er. „Primär wird sie für Ausfahrten und Events genutzt und Liebhaber mieten sie oft tageweise mit Skipper für Ausflüge. Der Oldtimer gehört einfach zu unserem Angebot. Wir sind in der komfortablen Lage, dass wir von den modernsten Flugbooten bis zum Nostalgiker alles anbieten können.“ Am 21. Juli stieg in Hilterfingen unter dem Motto „Segeln einst und heute“ die grosse Geburtstagsparty. Natürlich gab es Gelegenheit, mit der Cupido und anderen Oldtimern zu segeln. Wer lieber einen Schlag mit schnellen Flugbooten segeln wollte, konnte es auf der Quant23 oder mit Flavio Marazzi auf der GC32 versuchen. segelschule-thunersee.ch