Fotos: ©VisitBritain / Tomo Brejc
Bericht einer turbulenten Fahrt von Irland nach Nordfrankreich an Bord einer Holz-Yawl aus dem Jahr 1912

In zwei Wochen nach Dunkerque an die französische Nordküste zu segeln scheint uns ambitioniert, aber machbar. Nach der Ausfahrt aus dem Strangford Lough, die aufgrund der bis zu acht Knoten starken Strömung sorgfältig berechnet werden muss, gleiten wir gemächlich Richtung Dublin. Die ersten beiden Tage auf See sind ruhig. Wir sichten viele Robben und sogar zwei der sehr seltenen Riesenhaie. Vor Lambay Island, nur wenige Kilometer von Dublin entfernt, ruft der Skipper plötzlich: „Dort oben auf den Klippen hüpft ein Känguru!“ Lautes Gelächter, wir glauben ihm kein Wort und machen uns den ganzen Abend über seine Halluzinationen lustig. Nach einer Nacht vor Anker suchen wir am nächsten Morgen dann doch mit einem Feldstecher die Umgebung ab… und müssen klein beigeben. Der Skipper hatte recht! Die Familie, der die Insel gehört, hat in den 1950er-Jahren Wallabies eingeführt. Heute leben etwa hundert dieser kleinen Kängurus inmitten von Rindern und Damhirschen.
Wellenberge und Wasser

Die Wetterprognosen sind günstig, aber kaum sind wir auf dem offenen Meer, legt der Wind zu und die Wellen werden unregelmässig und immer grösser. Die Crew verkleinert das Segel, aber das Boot lässt sich immer schlechter steuern. Grosse Wellen knallen gegen das Heck, wir müssen ständig den Kurs korrigieren, damit wir nicht abdriften. Unmengen von Wasser dringen ins Boot ein, die Bilgenpumpe läuft auf Hochtouren. Die Krängung ist so stark, dass nur die beiden Backbordkojen benutzbar sind. Eine davon ist allerdings unbrauchbar, da wir darin Material verstaut haben. Also teilen wir uns eine einzige Koje und wechseln uns am Steuer ab. Wir dösen in unserer Wachkleidung auf dem Boden liegend vor uns hin und essen Bananen und Schokolade, da die anderen Vorräte momentan nicht erreichbar sind. Wir müssen meist zu zweit an Deck sein, um das Meer zwischen den Wellen nach anderen Schiffen abzusuchen.
Am nächsten Tag, als endlich die englische Küste am Horizont auftaucht, atmen wir erleichtert auf. Doch die Freude ist von kurzer Dauer. Als wir den Motor starten, um in den Hafen von Newlyn einzulaufen, ertönt der Ölalarm. Wir legen so schnell wie möglich an und suchen verzweifelt einen Mechaniker. Da am nächsten Tag ein langes Wochenende ansteht, sind sie alle bereits nach Hause gegangen.
Die Zeit wird knapp

Wir sind total erschöpft, aber überglücklich, dass wir unser Segelboot in den sicheren Hafen gebracht haben. Die Ainmara hat trotz ihres hohen Alters nie versagt. Im Gegenteil: Sie hat sich sogar als besonders solide erwiesen. Etwas haben wir auf der Überfahrt aber gelernt: Um eine solche Reise auch wirklich zu geniessen, sollte man doppelt so viel Zeit einplanen.