Mini
Acht Schweizer haben sich für die Mini-Transat 2025 qualifiziert. Drei treten mit besonders grossen Ambitionen an.
Man müsste eine Flut von Statistiken durchforsten, um ganz sicher zu sein, aber soweit ich mich als Segler und Journalist erinnern kann, waren noch nie so viele Schweizer gleichzeitig am Start der Mini-Transat. Ganze acht haben sich für die Einhand-Transatlantikregatta qualifiziert. Bevor sie am 21. September in Les Sables d’Olonne in See stechen, veranstalten die rund hundert Abenteurer und künftigen Regattacracks wie an der Vendée Globe eine Abschiedsparade. Felix Oberle, der nach seinem fantastischen 4. Platz im Jahr 2023 bei den Serienbooten diesmal bei den Prototypen antritt, erwartet einen emotionalen Moment: «Es werden sicher weniger Leute da sein als bei der Vendée Globe, aber die Kanalausfahrt hat etwas Mythisches und die Einheimischen sind verrückt nach Offshore-Regatten. Das hat allein schon die überschwängliche Begrüssung der Vendée-Teilnehmenden gezeigt.»
Der Deutschschweizer Segelprofi gehört zu den Leadern der rekordverdächtigen Schweizer Delegation. Das Binnenland hat offensichtlich eine Vorliebe für dieses Solo-Rennen, bei dem mehr als eine Karriere lanciert wurde und das noch immer vielen als Sprungbrett dient. Am 31. Januar dieses Jahres veröffentlichten die Organisatoren die Liste der Qualifizierten für die 25. Mini-Transat. Ein wichtiger Moment, so Oberle, «die Zulassung ist jedoch erst der Anfang der Zielgeraden. Bis zum Start gibt es noch viel zu tun. Was mir an diesem Rennen besonders gefällt, ist die Vielfalt der Projekte. Sie wird allein schon bei den Schweizer Teilnehmenden deutlich. Alle haben unterschiedliche Hintergründe und Ziele und doch haben sie eines gemeinsam: die Liebe zum Meer.» Felix Oberle will mehr als nur dabei sein. Seine letzte Kampagne, die er mit einem fantastischen 4. Platz bei den Serienbooten krönte, und die guten Ergebnisse an den Vorbereitungsrennen für 2024 auf seinem Prototyp wecken Ambitionen. «Natürlich will ich liefern», sagt der Skipper der Big Bounce. «Das Boot ist super und hat das Rennen schon zweimal gewonnen. Es weiss, wie es funktioniert. Jetzt muss ich es ihm nur noch gleichtun!» Etwas ernster fügt er hinzu: «Mal ganz ehrlich: Ich möchte auf dem Meer möglichst viel Spass haben und wenn alles gut läuft, würde ich mich natürlich riesig über einen Podestplatz freuen. Das hängt allerdings nicht nur von mir ab. Bei den Prototypen spielen verschiedene technische Aspekte eine wichtige Rolle. Wenn einige Foilerboote ihr Potenzial voll ausschöpfen können, wird es schlichtweg kein Match geben. Ausserdem ist das Wetter auf dem Atlantik unberechenbar. Es wird auf jeden Fall spannend.»
Ein weiterer Schweizer Trumpf bei den Prototypen, bei denen Ingenieure auf Daniel Düsentriebs treffen, ist Mathis Bourgnon. Auch er tritt ohne Berührungsängste an. «Die Qualifikation ist geschafft», meint er zufrieden, «jetzt muss ich mich nur noch gut vorbereiten und das nötige Geld auftreiben, damit ich das Projekt unter optimalen Bedingungen durchführen kann. Auf keinen Fall will ich mich zu sehr verschulden, das ist mein Hauptziel. Mein zweites Ziel besteht darin, Partner zu finden, davon kann man nie genug haben. Ich plane über die Mini-Transat hinaus. Auf dem Rückweg über den Nordatlantik würde ich gerne versuchen, mit meinem Mini einen neuen Einhand-Rekord aufzustellen. Das wäre viel cooler, als das Boot auf einen Frachter zu verladen!»
Dem Sohn des berühmten Seglers und Abenteurers Yvan Bourgnon stehen turbulente Monate bevor, denn er wird zum ersten Mal Vater. «Ich bin überglücklich! Wir erwarten im Frühling eine kleine Crevette», strahlt er. «Die erste einer neuen Bourgnon-Generation. Mein Vater mag es nicht besonders, wenn ich ihn Opa nenne! Eigentlich verrückt, schon er wurde auf dem Atlantik gezeugt, jetzt wiederholt sich die Geschichte. Mein zukünftiges Kind ist auf den Azoren entstanden, einer Inselgruppe im Atlantik, während des Etappenhalts der Regatta Les Sables–Les Açores im Sommer 2024.» Die Liebesgeschichte zwischen den Bourgnons und dem Atlantik könnte durchaus eine Fortsetzung finden, schliesslich glänzten sowohl Mathis’ Onkel Laurent als auch Yvan an der Mini-Transat. Vor dreissig Jahren startete Yvan mit seinem Sieg in Fort-de-France fulminant durch. Auf dem dritten Podestplatz stand damals ein gewisser Bernard Stamm, ein Engelsgesicht mit blonder Strubbelmähne. «Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der die Schweizer Segler viele Erfolge feierten. Die waren bei uns natürlich immer Thema», erzählt Mathis, der zwischen Rolle und Concarneau pendelt, wo er mit väterlicher Unterstützung seinen Prototyp Liliwip auf Vordermann bringt. «Diesen Winter haben wir den Kiel ausgetauscht. Im April lasse ich das Boot wieder zu Wasser, um möglichst viele Regatta-Seemeilen zu sammeln und möglichst viele Konfigurationen auszuprobieren. Meine Ambitionen hängen nicht zuletzt von meinem Budget und den Sponsoren ab. Auf dem Rumpf und den Segeln hat es noch Platz!», fügt er verschmitzt hinzu. An den Qualifikationsregatten war Mathis Bourgnon stets gut platziert und wird bestimmt auch bei den Prototypen vorne mitmischen. Er und sein Boot haben bereits mehrmals bewiesen, dass auf Vorwindkursen mit ihnen zu rechnen ist. «Vor dem Wind bin ich sehr schnell», be – stätigt Mathis und meint zuversichtlich: «Diese Bedingungen werden wir vermutlich ziemlich oft antreffen, vor allem in der zweiten Etappe von den Kanaren nach Guadeloupe.»
RICHTIG DURCHGESTARTET. ER RÄUMT EINEN PODESTPLATZ NACH DEM ANDEREN AB. ©G. Di Fazio
Joshua Schopfer konnte sich dem Sirenengesang der Mini-Transat ebenfalls nicht entziehen. Nach einer soliden Ausbildung auf dem See und im Sailing Team der SNG gab das Genfer Talent 2024 ein vielbeachtetes Debüt in der Mini-Klasse. Kein Rennen, an dem er auf seiner Mingulay nicht aufs Podest segelte. Die Chancen stehen gut, dass der Tim-und-Struppi-Fan mit seiner Zauberwaffe bei den Serienbooten sein eigenes Comic-Album schreibt. «Bei den Serienbooten ist die Spitze sehr eng, daher setze ich mich nicht zu sehr unter Druck», sagt er. «Ich möchte weiter dazulernen und sauber segeln. Ich stehe erst am Anfang meiner Hochseekarriere und greife nicht nach den Sternen. Mein Ziel ist ein Platz in den Top 10.» Gegen eine noch bessere Platzierung hätte er wohl aber nichts einzuwenden. Sein Sieg auf der Rückreise der Les Sables–Les Açores war eine Machtdemonstration. Ein dicker Brocken, mit dem er seine Mitkonkurrenten beeindruckt hat. Sie werden den unbefangenen Youngster im Auge behalten. «Man kann auf Binnenseen gross geworden sein und trotzdem auf dem Meer Erfolg haben», lautet seine Devise. «Justine Mettraux und Alan Roura haben es an der Vendée Globe vorgemacht.» Beide haben sich übrigens ihre Sporen an der Mini-Transat 2013 abverdient.
Die qualifizierten Schweizer
Prototypen:
Felix Oberle (Big Bounce)
Benoît Alt (Ader Solution)
Mathis Bourgnon (Liliwip)
Martial Cuendet (Paris Texas)
Serienboote:
Joshua Schopfer (Mingulay)
Cyril Coulot (Phileas Fogg)
Nicolas Schmid (Mantay)
Auf der Warteliste (9.):
Alicia de Pfyffer (Wallabys)
SEINES ONKELS LAURENT UND SEINES VATERS YVAN. ©Manon Le Guen