Text : Grégoire Sudez

In ihrer ersten Saison an einer der hochstehendsten Regattatouren der Welt musste die Schweiz viel Lehrgeld bezahlen. Um wertvolle Erfahrung reicher startet sie mit höheren Zielen ins zweite Jahr.

Es geht Schlag auf Schlag: Kaum ist eine Saison zu Ende, beginnt schon die nächste. Trotz des nahezu nahtlosen Übergangs von einem SailGP zum anderen ist die Begeisterung ungebrochen. Zwischen dem grossen Finale der dritten Saison in San Francisco, wo erneut die Australier zum Sieger gekürt wurden, und dem Auftakt zur vierten Meisterschaft in Chicago ist nur gerade ein knapper Monat vergangen. Zeit, alles über den Haufen zu werfen, blieb den Teams deshalb keine. Wie bei der Formel 1 versuchen die technischen Leiter das Beste daraus zu machen
und in den wenigen Wochen das eine oder andere zu verbessern. Dabei sind ihnen allerdings
laut Tanguy Cariou, CEO von Switzerland SailGP, ziemlich die Hände gebunden: «Im Gegensatz zu den Formel-1-Autos können wir technologisch nicht viel ausrichten, denn für die F50 gelten
strenge One-Design-Regeln. Wirklich bewegen können wir deshalb nur etwas bei den Seglern.»

Das Schweizer Team hat seinen Optimierungsprozess angesichts des klein bemessenen zeitlichen und technologischen Spielraums nicht erst in der kurzen Verschnaufpause zwischen den beiden Saisons begonnen. In der ersten Meisterschaftshälfte ging es darum dazuzulernen.
Im darauffolgenden Viertel wurde klar, dass der Lernprozess seine Zeit dauern würde. Und im letzten Viertel stand bereits die Vorbereitung auf die Saison 2023–2024 auf dem Programm. «Die letzten Events haben wir genutzt, um neue Segler zu integrieren und verschiedene Teamkonfigurationen auszuprobieren», erklärt Cariou. Denn etwas hätten sie gelernt: «Wenn wir konstanter werden wollen, brauchen wir Stabilität. Die vielen Rotationen lassen wir sein. Es ist kein Zufall, dass die Teams, die seit langem in der gleichen Zusammensetzung segeln, die Rangliste anführen.»

Teammitglieder Deluxe

Gesteuert wird das Schweizer Boot von Sébastien Schneiter. Er hat sich trotz seiner laufenden Olympiakampagne für Paris 2024 zur Verfügung
gestellt. Nathan Outteridge, der Performanceberater des Teams, steht ihm mit technischen und taktischen Tipps zur Seite. Die Foils werden wie gehabt vom Neuseeländer Jason Saunders getrimmt. Als wohl grösste Veränderung kommt Will Ryan als Segeltrimmer an Bord des F50 Eiger. Der schweizerischste der Australier ist diesen Frühling zum Team gestossen. Er
wird an dieser Schlüsselposition von der Mehrrumpflegende Glenn Ashby unterstützt, der die Schweiz am GP von San Francisco verstärkt hatte und den zweifachen Olympiasieger zu Beginn der vierten Saison einführen wird. An der Taktikerposition wechseln sich Maud Jayet und Laurane Mettraux ab und an den beiden Grinderpositionen Eliot Merceron, Julien Rolaz und Jeremy Bachelin. «Punktuell erhalten wir zudem Unterstützung von Grindern von Alinghi Red Bull Racing», verrät Tanguy Cariou.

Vom Cup zum SailGP?

Weiter als der Austausch von Seglern wie Arthur Cevey oder Nils Theuninck geht die Zusammenarbeit mit dem Challenger des 37. America’s Cups aber nicht. Alinghi Red Bull Racing konzentriert sich voll und ganz darauf, in Barcelona die Foilerjachten des Cups in den Griff zu bekommen und seinen AC75 weiterzuentwickeln. Er überlässt es seinen künftigen Gegnern, am SailGP zu brillieren. Tom Slingsby, Peter Burling, Sir Ben Ainslie, Quentin
Delapierre und Jimmy Spithill werden nicht nur am Cup 2024 den Ton angeben, sie zeigen auch am SailGP regelmässig ihre Klasse. Egal, ob Australier, Engländer, Franzosen, Amerikaner oder natürlich Neuseeländer, die Cracks des Cups wetzen ihre Klingen im Hinblick auf das grosse
Aufeinandertreffen am SailGP. Die von Russell Coutts ins Leben gerufene Regattatour gilt als hochkarätigste der Welt.

Auf zur vierten Saison

Das topbesetzte Feld erklärt wohl auch die Schwierigkeiten des Schweizer Teams, längerfristig mit der Konkurrenz mitzuhalten. «Die Latte ist eindeutig höher, als wir uns das vorgestellt hatten», räumt der Teamchef ein. «Das hat sich vor allem in der mangelhaften Chancenauswertung gezeigt. Dort hapert es noch. Wir haben schon mehrere Topchancen vertan.»

Bisher hat es Team Switzerland noch nicht geschafft, Nägel mit Köpfen zu machen, obwohl es den anderen Teams zeitweise ebenbürtig war. Bezeichnend dafür sei der letzte Grand Prix der Saison gewesen: «Er zeigt, wie es uns im vergangenen, im Übrigen äusserst aufregenden und spannenden Jahr ergangen ist. Uns sind hervorragende Starts gelungen, dann hatten wir am letzten Tag grosse Probleme am Wind, die wir büssen mussten. Diese mangelnde Konstanz hat unseren guten ersten Tag zunichte gemacht.»

Sébastien Schneiter weiss, woran er und seine Teamkollegen arbeiten müssen, um nicht erneut
auf dem zweitletzten Schlussrang zu landen. Auf mehr Konsistenz und Konstanz komme es an. «Wir verraten unsere Ziele nicht, wollen aber ohne Berührungsängste mit den Besten mithalten können und als ernstzunehmender Konkurrent auftreten», sagt Tanguy Cariou. Dass sie sich erstmals für eine Finalregatta qualifizieren möchten, liegt auf der Hand. Dort machen die drei bestplatzierten Teams jeweils die Reihenfolge auf dem Podest untereinander aus. Der Wille ist trotz der vielen Enttäuschungen noch immer da. Sie hätten schliesslich gewusst, dass die erste Saison kompliziert sein würde, so Sébastien Schneiter. «Es wurde dann einfach noch etwas schwieriger als erwartet. Wir haben in unserem ersten Jahr aber unglaublich viel gelernt und freuen uns daher auf die vierte Saison.»

Ein GP in zwei Phasen

Die Schweizer sind in Chicago gut in die vierte Saison gestartet. Nach einem ersten komplizierten Tag mit den Plätzen 10, 6 und 10 bei konstantem Wind beendeten Sébastien Schneiter und sein stark verändertes Team den Event mit einem Sieg an der abschliessenden Flottenregatta. Diese war von Schwachwind geprägt, was den Schweizern zugutekam. «Die Bedingungen waren ähnlich wie auf unseren Seen, wenn auch mit etwas Abdrift», bestätigte der Steuermann von Switzerland Sail GP. Trotzdem tat das Erfolgserlebnis gut. «Wir haben gemerkt, dass unsere Bordkommunikation bestens funktioniert», freute er sich. Dank dieses Aufbäumens klassierte sich die Schweiz auf dem 8. Platz, vor den Amerikanern auf Oracle und dem neu hinzugekommenen deutschen Team. Gewonnen hat den Auftaktevent Neuseeland vor Australien und Kanada.